Nicht aus dem Tritt geraten
30.04.2021 WohlenDie Wohlerin Martina Kuhn-Burkard wird Rektorin an der Neuen Kantonsschule Aarau
Sie wandelt sozusagen auf den Spuren ihres Vaters. 22 Jahre lang war Martin Burkard Rektor der Alten Kanti Aarau. Per 1. August übernimmt Martina Kuhn-Burkard das gleiche Amt an der Neuen Kanti. Als erste Frau im Aargau. Und mit erst 38 Jahren. «Diese Chance musste ich packen», sagt sie.
Chregi Hansen
Eine kurze Unaufmerksamkeit, ein kleiner Fehltritt, und schon ist es passiert. Martina Kuhn-Burkard hat sich den Fuss gebrochen, geht an Krücken, muss sich schonen. «Es ist schade, dass ich nicht an der Schule sein konnte, als der Entscheid am Dienstag kommuniziert wurde», sagt sie mit einem Blick auf die Krücken neben ihr. Dafür klingelte in der Folge ihr Handy im Dauertakt. «Ganz viele haben sich für mich gefreut.»
Im Garten ist sie also kurz aus dem Tritt geraten. In ihrer beruflichen Laufbahn aber geht es weiter vorwärts. Die Wohlerin übernimmt per 1. August die Leitung der Neuen Kanti Aarau NKSA. Und wird damit Nachfolgerin von Zsolt Balkanyi, der an eine Privatschule wechselt. Kuhn ist erst seit zwei Jahren als Prorektorin Mitglied der Schulleitungsteams. Der schnelle Aufstieg war so nicht geplant. «Der Abgang des jetzigen Rektors kommt etwas überraschend. Ich habe mir schon überlegt, ob es nicht zu früh ist für mich. Aber die Chance ist jetzt da. Und ich spüre auch den Rückhalt aus dem Kollegium», sagt die 38-Jährige.
Als Prorektorin überzeugt
Und offenbar hat sie mit ihrer Bewerbung auch die Verantwortlichen überzeugt. «In ihrer Funktion als Prorektorin hat sich Martina Kuhn-Burkard mit ihrer klaren und transparenten Führung und ihrer Versiertheit im Umgang mit verschiedenen Anspruchsgruppen grossen Respekt verschafft und im Krisenmanagement in der Coronapandemie ihre hohe Belastbarkeit, Flexibilität und pragmatische Vorgehensweise unter Beweis gestellt», heisst es in einer Mitteilung. Sie absolviert seit einem Jahr die Schulleiterausbildung am Institut für Wirtschaftspädagogik der Hochschule Sankt Gallen, die sie in den nächsten Monaten abschliessen wird.
Studium, Lehrerin, erst an der Bez, dann am Gymnasium, jetzt Rektorin: Martina Kuhn geht also den gleichen Weg wie ihr Vater Martin Burkard, der letzten Sommer nach 22 Jahren als Rektor der Alten Kanti in Pension ging. «Das war so nicht geplant», lacht die Tochter. Aber gleichzeitig sei ihr Vater nicht ganz unschuldig an ihrem Werdegang. «Bei uns zu Hause am Familientisch wurde viel über Bildungsthemen diskutiert. Schliesslich war auch meine Mutter Lehrerin», erzählt Kuhn. Und am Beispiel ihres Vaters habe sie gesehen, dass sich das Amt als Rektor und eine Familie unter einen Hut bringen lassen. Von ihrer Mutter Ruth wiederum hat sie gelernt, dass man Kinder haben und trotzdem arbeiten kann. «Das familiäre Umfeld hat mich sicher geprägt», sagt sie.
Trotzdem musste sie sich die Frage stellen: «Kann ich als Mutter von drei Kindern im Alter von 5 bis 10 Jahren Rektorin einer so grossen Schule sein?» Es war dann ihr Mann Martin, der ihr den nötigen Rückhalt gab. «Für uns war schon immer klar, dass wir beide für die Familie da sind, uns die Arbeit zu Hause teilen. Wir haben das beide von unseren Eltern so mitbekommen», erzählt sie.
Familie, Freunde und Hobbys nicht vernachlässigen
Und sie hat sich ausbedungen, dass sie auch als Rektorin nur ein 80-Prozent-Pensum übernimmt. Auch wenn ihr klar ist, dass sie in ihrer neuen Aufgabe weit mehr arbeiten wird. «Mein Ziel ist, fix einen Tag zu Hause zu sein. Dafür stört es mich nicht, abends, wenn die Kinder im Bett sind, noch zwei, drei Stunden zu arbeiten.» Der Beruf ist ihr sehr wichtig – aber alles aufgeben will sie dafür nicht. «Familie, Freunde und Hobbys müssen weiterhin Platz haben», sagt die passionierte Tennisspielerin, die zum NLC-Team der Jungseniorinnen des TC Wohlen Niedermatten gehört. Wobei der gebrochene Fuss sie derzeit natürlich sportlich ausbremst.
«Ich weiss, dass die neue Aufgabe mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Aber ich freue mich, die weitere Entwicklung der Schule mitzugestalten», sagt Martina Kuhn-Burkard. Dass sie dafür die Unterrichtstätigkeit aufgeben muss, nimmt sie in Kauf. «Ich war und bin gerne Lehrerin, es ist ein wunderbarer Beruf. Aber schon als Prorektorin war es schwierig, beides unter einen Hut zu bringen.» Jetzt wechselt sie also ganz auf die Leitungsebene. Es sei ihr Ziel, die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen für die Lernenden und die Lehrenden. Dass dazu auch politische Lobbyarbeit gehört, weiss sie. «Ich habe durchaus Interesse für politische Themen, habe schliesslich Geschichte studiert mit Schwerpunkt für Verfassungsfragen», lacht sie.
Vor spannenden Aufgaben
Dass sie an der Neuen Kanti Aarau arbeitet, das ist Zufall. So viele Kantonsschulen gebe es ja nicht im Aargau, «und dort war eine freie Stelle ausgeschrieben», schmunzelt Kuhn. Sie fühlt sich sehr wohl am kleineren und jüngeren Gymnasium in der Kantonshauptstadt. «Beide Schulen pflegen eine eigene Kultur und haben eigene Stärken», sagt sie. So wurden an der NKSA die digitalen Möglichkeiten schon früh genützt, gibt es einen Lehrgang Informatik und Kommunikation. Auch ein Abschluss mit dem weltweit verbreiteten International Baccalaureate ist möglich. Aktuell diskutiert werden mit Stadt und Kanton die räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten. «Es warten in Zukunft viele spannende Fragen auf mich», sagt die neue Rektorin.
Martina Kuhn-Burkard hat klare Vorstellungen, wie sie ihr Amt ausüben will. «Ich will führen. Aber ich habe ein starkes Team im Rücken. Es ist wichtig, das Know-how aller optimal zu nutzen.» Dass man mit ihr auf eine interne Lösung setzt, habe Vorund Nachteile. «Ein Externer bringt neue Blickwinkel und Ideen. Aber die Schule hat zuletzt so viele Veränderungen durchgemacht, da tut etwas Kontinuität gut.» Gerade nach einem so schwierigen Jahr wie dem letzten. «Wegen Corona mussten viele Projekte auf Eis gelegt werden. Eine interne Lösung bietet eher Gewähr, dass diese nicht ganz vergessen gehen.»
Wohlen bleibt ihre Heimat
Die neue Rektorin freut sich auf viele spannende Begegnungen und Gespräche mit anderen Menschen. Lehrpersonen, Schülern, Eltern, aber auch mit dem übrigen Schulteam, von der Sekretärin bis zum Hauswart. Und sie will sich und ihrer Art treu bleiben. Ein Umzug nach Aarau kommt für sie daher nicht infrage. «Ich bin eine Wohlerin, bin hier vernetzt, will mich auch vermehrt engagieren im Ort.» Und wie sieht sie die weitere Zukunft? Peilt sie den Rekord ihres Vaters an, der mit 22 Jahren auf die bisher längste Amtsdauer eines Rektors einer Aargauer Kantonsschule zurückblicken kann? Die 38-Jährige lacht. «Das ist nicht mein Ziel. Wer weiss, was das Leben noch bringt.» Sagt es und setzt sich wieder an ihren Laptop. Denn ein gebrochener Fuss hält sie nicht von der Arbeit ab. «Zum Glück lässt sich ganz vieles heute von zu Hause aus erledigen», meint sie. Auch wenn sie in diesem Moment gern in Aarau wäre. Um die Gratulationen persönlich entgegenzunehmen.