Nicht müde, mit Wissen zu helfen
24.05.2024 MuriGünter Trost in Kamerun
Auch mit 80 Jahren ist er nicht müde, sein Wissen weiterzugeben und zu helfen. Kürzlich weilte der Murianer Günter Trost für vier Wochen in Kamerun und machte an einer Schule die Eignungsdiagnostik zum Thema. ...
Günter Trost in Kamerun
Auch mit 80 Jahren ist er nicht müde, sein Wissen weiterzugeben und zu helfen. Kürzlich weilte der Murianer Günter Trost für vier Wochen in Kamerun und machte an einer Schule die Eignungsdiagnostik zum Thema. --ake
Günter Trost verbrachte kürzlich vier Wochen in Kamerun – als Teil des Senior Experten Service
Senioren, die ihr Wissen weitergeben. Weltweit und zu unterschiedlichen Themen. Das ist das Konzept des Senior Experten Service, einer gemeinnützigen Organisation in Deutschland. Seit einigen Jahren engagiert sich dort auch der Murianer Günter Trost. Kürzlich weilte er deswegen in Kameruns Hauptstadt Yaoundé.
Annemarie Keusch
Auf dem Bildschirm etwas zu veranschaulichen. Oder Beispiele zu zeigen. Das gehört zum Unterricht dazu. Natürlich bereitete Günter Trost vieles auf seinem Laptop vor, was er den Lehrpersonen der Schule «Les pépites de Zita» in Yaoundé vermitteln wollte. «Funktioniert hat es längst nicht immer», sagt Trost, zurück in Muri. Täglicher Strom- und Wasserausfall gehört in Kameruns Hauptstadt dazu. «Immer wieder musste ich auf die Wandtafel ausweichen, wie zu guten alten Zeiten eben.»
Günter Trost ist 80-jährig und seit 2016 für den Senior Experten Service ehrenamtlich tätig. Eine Organisation, die 13 000 Senioren unter Vertrag hat, die in den verschiedensten Bereichen als Experten gelten. Trost ist es im Bereich der Eignungsdiagnostik, schliesslich war er bei der Entwicklung des Zulassungstests für das Medizinstudium involviert, hat viele Jahre lang ein Institut für Test- und Begabungsforschung in Bonn geleitet. Und genau diese Fähigkeiten waren in der relativ neu gegründeten Privatschule in Yaoundé gefragt. Ziel des Einsatzes war es, das Lehrpersonal in die Lage zu versetzen, Talente und Begabungen der Kinder zu erkennen und zu fördern. Damit soll das Leistungsangebot der Schule auf internationales Niveau angehoben werden. Ein Fall für Günter Trost also.
Wissen auch nach der Pensionierung weitergeben
Es war der fünfte Einsatz, den der Murianer unter der Ägide des Senior Experten Service leistete. Er arbeitete bereits in Indonesien und Kasachstan mit Psychologie-Dozenten, beriet in Sachen Führungsfragen in Tunesien und half einer Institution in Südafrika, die sich für benachteiligte schwarze Kinder einsetzt, die besten Führungskräfte zu finden. «Alle Einsätze waren extrem spannend, auch weil sie derart unterschiedlich waren.» Zudem reize es ihn, sein fachliches Wissen auch viele Jahre nach der Pensionierung noch weitergeben zu können. «Es gibt mir das Gefühl, dass nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben nicht alles, was ich gelernt oder erfahren habe, bedeutungslos geworden ist.» Kommt hinzu, dass das Engagement Struktur in sein neues Leben brachte.
Erst vor acht Jahren ist Trost definitiv nach Muri gezogen, zu seiner Frau Marlies Laubacher. «Meine eigenen Projekte zu betreiben und mich hier zu engagieren, das stand für mich ausser Frage.» Neben dem humanitären Engagement politisiert Trost für die FDP, singt im Regi-Chor, spielt jeden Freitag im «Veritas» Barmusik. «So wird es mir nicht langweilig.» Und Trost will mit seinen Einsätzen in unterschiedlichsten Ländern zeigen, dass es für solches Engagement keine Altersgrenze gibt. Schon kurze Zeit nach der Rückkehr aus Kamerun sagt der 80-Jährige: «Ich wäre bereits bereit für den nächsten Einsatz.»
Nicht nur zwei Faktoren sollen entscheiden
Trost arbeitete in Yaoundé vor allem mit den Lehrpersonen, brachte ihnen bei, für jedes Kind ein differenziertes Begabungsprofil zu erstellen, das weit mehr als nur kognitive und schulische Aspekte abbildet. «Soziale, künstlerische oder motorische Fähigkeiten sind genauso wichtig», ist er überzeugt. Aber nicht nur Fähigkeiten seien zentral. «Motivation, Durchhaltewillen, Neugier entscheiden, was aus der Begabung, dem Können wird», sagt Trost. Weitere wichtige Faktoren sind das Elternhaus, das soziale Umfeld, die schulische Betreuung – all das kann künftige Leistungen und somit auch den Lebensweg beeinflussen. Und all das soll in die individuelle Diagnose einfliessen. «Damit ist es möglich, Begabungen weiter zu fördern und bei Defiziten zu helfen.»
Aktuell sei die Schule noch sehr klein, zähle rund zehn Lehrpersonen. «Aber sie wird wachsen, weil die Gründer mit viel Initiative und Einsatz hinter dem Projekt stehen und weil auch die Lehrpersonen mit viel Energie und Herzblut dabei sind.» So sollen die Möglichkeiten zur Förderung der Kinder breiter, vielfältiger genutzt werden. «Auch wenn die Schule einen hohen Leistungsanspruch hat, ist sie keinesfalls elitär. Die Schulgebühren sind nicht höher als an anderen Privatschulen und es gibt Gebührenbefreiung für bedürftige Familien.» Privatschulen seien in Kamerun ausserordentlich zahlreich, «denn das staatliche Schulwesen ist wenig leistungsfähig».
Das Gelernte wurde in den zweiten zwei Wochen im Unterricht direkt angewandt. Trost wohnte den Unterrichtseinheiten bei, gab Rückmeldung. «Ich habe eine hohe Motivation der Verantwortlichen gespürt, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen.»
Korruption am eigenen Leib erlebt
Für den Murianer waren die vier Wochen in Kamerun ein Abenteuer. Und das in vielerlei Hinsicht. «Die Schlaglöcher in den Strassen waren enorm tief, die Luftverschmutzung ist eine der höchsten in afrikanischen Grossstädten.» Überhaupt habe er ausser in Indien nirgends einen ähnlich dichten, chaotischen Strassenverkehr erlebt. Zudem sei die Korruption ein leidiges Thema, das er am eigenen Leib erfuhr. «Ich war mit einem Fahrer unterwegs zu einem Nationalpark, in dem Gorillas leben, als ich in eine Strassenkontrolle der Gendarmerie geriet.» Trost hatte seinen Reisepass nicht dabei. «Ich wurde mit einer Gefängnisstrafe bedroht oder einer horrenden Geldbusse. Als ich mit dem Sergeanten in eine kleine Hütte am Strassenrand gehen musste, war mir schnell klar, worum es geht.» Trost bezahlte.
Was er auch feststellte: den weitverbreiteten Wunsch nach einem Leben in Europa. «Leute fragten mich, ob ich ihnen einen Job in der Schweiz verschaffen oder gar einen Schweizer Ehemann vermitteln könne.» Die wirtschaftliche Lage sei prekär, trotz reichlich vorhandenen Rohstoffen. «Hier kommt wieder die Korruption ins Spiel – dadurch versickern viele Einnahmen, ohne der Bevölkerung zugutezukommen.» Das hält ihn aber nicht davon ab, Hilfe anzubieten, wo sein Rat gefragt ist. Hat er Prioritäten in Sachen Länder? «Nein. Natürlich würden mich Orte besonders reizen, an denen ich noch nie war, aber ich lasse es einfach auf mich zukommen.» Daran hindern ihn auch seine 80 Jahre nicht. «Ich mache mir auf grossen Reisen wegen des Alters weniger Sorgen, als meiner Frau lieb wäre», sagt er und lächelt.