Nichts zu schwingen

  18.09.2020 Schwingen

Die beiden Freiämter Eidgenossen erleben eine Saison ohne Schwingfest

Im letzten Jahr wurden Andreas Döbeli und Joel Strebel zu Eidgenossen. In diesem Jahr wollten sie diesen grossen Karriereerfolg bestätigen. Doch Corona sorgt für Flaute im Sägemehl.

Stefan Sprenger

Dass ein Schwingklub gleich zwei neue Eidgenossen hat, ist schon einzigartig. Mit dem 22-jährigen Sarmenstorfer Andreas Döbeli und dem 23-jährigen Aristauer Joel Strebel hat dies der Schwingklub Freiamt geschafft. Vor rund einem Jahr, am eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Zug, schafften die beiden diesen Triumph und beendeten damit eine Freiämter Flaute. 16 Jahre nach Stefan Strebel im Jahr 2004 hat die Region wieder «Böse» in ihren Reihen.

«In der Vorbereitung für 2021»

Heute sieht die Schwingerwelt langweilig aus. Coronabedingt gab es in diesem Jahr keine Schwingfeste. «Das haben wir uns anders vorgestellt», sagt Joel Strebel. Andreas Döbeli meint: «Es war die richtige Entscheidung, die Saison abzubrechen. Trotzdem schmerzt es natürlich.» Die komische Situation nutzen die beiden Schwinger, um neue Schwünge zu erlernen und sich zu verbessern. «Wir befinden uns sozusagen in der Vorbereitung für die Saison im Jahr 2021», sagt Joel Strebel.

2020 gibt es nichts zu schwingen für die zwei Eidgenossen aus dem Freiamt. Das heisst aber nicht, dass sie auf der faulen Haut liegen. Im Gegenteil. Beide sind regelmässig im Kraftraum und trainieren im Schwingkeller in Aristau. Strebel trainiert dazu einmal pro Woche mit den Innerschweizer Schwingern, Döbeli mit den Berner. «So gibt es trotzdem eine Challenge in diesem schwingerlosen Jahr», meint Strebel.

In der Coronazeit hatten beide auch viel Zeit für ihre Arbeit. Der Aristauer Strebel ist Landschaftsgärtner, der Sarmenstorfer Döbeli Geflügelfachmann. Bei beiden ist der Vater ihr beruflicher Chef. Im Interview erzählen Joel Strebel und Andreas Döbeli, was sie mit ihrer neu gewonnenen Freizeit angestellt haben, welche Menschen ihnen wichtig sind und was die beiden Eidgenossen von Geister-Schwingfesten halten.


«Kollegiale Rivalität»

Die beiden Freiämter Eidgenossen Joel Strebel und Andreas Döbeli im Interview

Vor rund einem Jahr feierten sie ihren grössten Erfolg. Der Kranzgewinn am «Eidgenössischen» in Zug katapultierte den Aristauer Joel Strebel und den Sarmenstorfer Andreas Döbeli in den Schwingerhimmel. Heute sieht alles anders aus. Wegen Corona gibt es keine Schwingfeste in dieser Saison.

Stefan Sprenger

Es gibt keine Schwingfeste im Jahr 2020. Sie haben mehr Zeit für andere Dinge. Was machen Sie neben den Trainings?

Andreas Döbeli: Ich war oft in den Bergen. Spazieren, manchmal Velo fahren und ich hatte mehr Zeit für Freunde, Familie und Freundin.

Joel Strebel: So viel Freizeit hatte ich schon lange nicht mehr. Ich hatte mehr Zeit für mein Umfeld, allen voran für meine Freundin.

Sie sind beide seit Jahren in einer festen Beziehung. Haben Sie in der Coronazeit die Familienplanung vorangetrieben?

Strebel: Ich wohne noch zu Hause. Das ist noch kein Thema.

Döbeli: Ich bin vor Kurzem mit der Freundin zusammengezogen nach Seengen.

Strebel: (Lacht) Und? Habt ihr schon ein Kinderzimmer?

Döbeli: Nein (lacht). Das wird ganz sicher ein Thema in der Zukunft. Ich möchte aber, dass meine Kinder auf dem elterlichen Bauernhof aufwachsen.

Also übernehmen Sie einmal den Hof in Sarmenstorf?

Döbeli: Ja. Schon seit meiner Jugend helfe ich gerne auf unserem Hof mit, seit einem Jahr bin ich nun auch im Teilpensum auf dem Betrieb tätig. Mein Bruder Lukas ist Zimmermann und interessiert sich eher für andere Gebiete.

Zum Sportlichen: Zu Beginn der Coronakrise durften Sie nicht einmal im Sägemehl trainieren. Wie haben Sie diese schwingerlose Zeit erlebt?

Strebel: Schwierig. Ich habe mir einen Kraftraum eingerichtet. Am Anfang habe ich es noch genossen, etwas runterzufahren. Mittlerweile wäre es schön, wenn wir wieder schwingen könnten. Mit der Saison 2020 habe ich aber abgeschlossen.

Döbeli: Ich habe das Krafttraining immer durchgezogen. Zu Beginn ging es gut. Als klar wurde, dass es dieses Jahr keine Schwingfeste gibt, war dies schon ein Dämpfer. Mittlerweile ist die Motivation zurück. Ich setzte mir Ziele, versuche beispielsweise neue Schwünge zu erlernen. Ich setze meinen Fokus darauf, dass ich besser werde.

Strebel: Ich sehe das ähnlich. Ich trainiere manchmal in Einsiedeln mit den Innerschweizern. Dort geht es ziemlich zur Sache. Wenn du nicht bereit bist, dann «tätscht» es. Und dort messe ich mich mit den anderen Schwingern und habe so eine Challenge.

Sie sind also motiviert – auch ohne Schwingfeste?

Strebel: Ja. Wir trainieren beide mindestens einmal in der Woche hier in der Schwingerhalle in Aristau und einmal auswärts, dazu kommen noch Kadertrainings. Ansonsten machen wir viel Krafttraining. Die Motivation ist da, aber in gedämpfter Form. Die Schwingfeste fehlen.

Sind Sie einverstanden mit dem Saisonabbruch?

Strebel: Ja. Es ist die richtige Entscheidung.

Döbeli: Wir möchten so bald wie möglich wieder schwingen, das ist klar. Aber in dieser Saison war es gut, dass wir keine Schwingfeste mehr durchgeführt haben. Das Risiko für Schwinger und Zuschauer wäre zu hoch gewesen – vermutlich auch jetzt noch. Mit dem Entscheid des ESV, nächstes Jahr sicher wieder Schwingfeste durchzuführen, wenn auch mit Einschränkungen, ist die Motivation definitiv zurückgekehrt.

Wie fühlt sich das an, eine Saison ohne Schwingfeste?

Döbeli: (Lacht) Doof. Ich schaue manchmal Videos aus der letzten Saison an und werde etwas wehmütig. Man trainiert zwar, aber die Anspannung fehlt.

Wie ist die Stimmung im Schwingklub Freiamt?

Döbeli: Komisch. Die Trainingsmoral war schon höher. Wir sind zwischen acht und zwölf Schwinger pro Training, aber es sind immer andere. Kaum jemand trainiert mehrmals pro Woche. Es ist aber verständlich, dass man jetzt eine Pause macht und etwas kürzer tritt. Schwingen hat nicht für alle im Klub denselben Stellenwert wie für mich und Joel.

Strebel: Es ist eine komische Sache. Schwingen ohne Schwingfeste macht keinen Spass. Wir sind eigentlich jetzt schon in der Vorbereitung für die Saison im Jahr 2021.

Was haben Sie für Feedbacks von Ihren Sponsoren erhalten? Ist da jemand abgesprungen?

Strebel: Nein. Ich habe das Gespräch mit allen gesucht. Und sie haben Verständnis für die besondere Situation.

Döbeli: Die Sponsoren halten zu uns. Wenn ein Sponsor uns nun braucht für eine Aktivität oder einen Event, haben wir in dieser Saison sicherlich mehr Zeit als sonst.

Am «Eidgenössischen» in Zug haben Sie beide einen Kranz geholt. Wie stark hat dies Ihr Leben verändert?

Döbeli: Kurzzeitig war ein ziemlicher Rummel. Ich habe dies genossen, das hat man nicht alle Tage. Mittlerweile hat es sich wieder gelegt.

Wie ist das bei Ihnen, Joel Strebel? Sie sind ja eher ein ruhiger Typ. War Ihnen der Rummel nach dem eidgenössischen Kranz zu viel?

Strebel: Nein. Es hat Spass gemacht. Die Tage nach dem «Eidgenössischen» waren superschön. Auf diesen Erfolg haben wir hingearbeitet. Unser Bekanntheitsgrad hat sich sicherlich vergrössert. Aber vieles ist heute wieder, wie es war.

Stefan Strebel wurde technischer Leiter des Eidgenössischen Schwingerverbandes. Er ist somit der höchste Schweizer Schwinger. Er hat Sie beide immer gepusht und auch klare Worte gewählt. Was halten Sie von ihm?

Döbeli: Er hat eine fordernde Art, doch er hält immer sein Wort. Stefan Strebel geht seinen Weg, hatte Erfolg in seiner Karriere und seinem Job. Ich schätze ihn sehr als Funktionär. Was er alles für unseren Schwingsport macht, ist riesig, und das darf man nicht unterschätzen. Auch wie er uns vorangebracht hat, vor allem als wir noch Jungschwinger waren, schätze ich sehr.

Strebel: Er freute sich mega, als wir den Kranz am «Eidgenössischen» holten. Ich mag ihn.

Was sind andere Personen, die Sie in der Karriere begleitet und vorwärtsgebracht haben?

Döbeli: Im Kraft- und im mentalen Bereich ist Tommy Herzog eine ganz wichtige Person. Im Schwingen Guido Thürig, ehemals technischer Leiter des Aargauer Schwingverbandes. Die Familie, die Freundin. Menschen, die einem den Rücken freihalten. Und natürlich auch die Trainer und Jungs hier vom Schwingklub Freiamt. Allen voran Joel Strebel, er pushte mich auch immer zu Höchstleistungen.

Strebel: Danke. Bei mir ist es ähnlich. Natürlich ist es toll, dass mit Res Döbeli ein weiterer Topschwinger im Klub ist. Das motiviert mich immer. Und es gibt noch andere Namen hier im Klub, die man jetzt aufzählen könnte. Tommy Herzog ist ebenfalls ein wichtiger Wegbegleiter, der mich in Sachen Kraft enorm vorangebracht hat. Wenn ich bei den Innerschweizern als Gast trainiere, dann ist Martin Grab zudem ein toller Motivator.

Strebel trainiert zusätzlich noch bei den Innerschweizern. Döbeli bei den Bernern. Wie kam es dazu?

Döbeli: Ich machte meine Lehre in der Westschweiz, so rutschte ich bei den Bernern rein. Ich blieb dann dabei und trainiere dienstags jeweils bei den Berner Schwingern. Das gibt eine tolle Abwechslung.

Strebel: Der Freiämter Fabian Winiger hat mich vor fünf Jahren mal mitgenommen in die Innerschweiz zu einem Training. Damals war ich noch ein ganz junger Schwinger und hatte doch etwas Schiss in der Hose. So hat sich das ergeben. Heute trainiere ich einmal pro Woche mit den Innerschweizern.

Joel Strebel, sind Sie froh, hat Res Döbeli letztes Jahr in Zug auch den eidgenössischen Kranz geholt?

Strebel: (Lacht) Ja, sehr. Wir hatten beide eine starke Saison. Und wir haben es beide verdient. Wir haben uns gegenseitig immer angespornt und motiviert. Es gibt nicht viele Schwingklubs in der Schweiz, die zwei Eidgenossen haben.

Döbeli: Und darauf sind wir Freiämter sehr stolz.

Nebst Ihnen beiden waren auch Yanick Klausner, Lukas Schwenkfelder, Lukas Döbeli und Reto Leuthard am «Eidgenössischen» dabei. Ist dies eine goldene Generation bei den Freiämter Schwingern?

Döbeli: Goldig sind wir nicht (lacht). Es läuft gut. Vor rund 25 Jahren war die Generation unserer Väter auch enorm stark. Die Schwinger von damals haben als Funktionäre ihr Wissen an uns weitergegeben. Wir hatten also die richtigen Vorbilder. Momentan ist es sicherlich eine gute Zeit für den Schwingklub Freiamt.

Sind Sie froh, dass Joel Strebel auch zum Eidgenossen wurde?

Döbeli: Definitiv. Wir sind danach gemeinsam mit unseren Freundinnen in die Ferien nach Aya Napa gefahren. Wenn nur einer den Kranz geholt hätte, dann wäre die Stimmung am Strand wohl etwas gedrückter gewesen.

Sie sind Kumpels und gleichzeitig Rivalen. Stimmt das so?

Döbeli: Wir piegen eine kollegiale Rivalität. Wir verstehen uns privat gut. Im Schwingen sind wir auf ähnlichem Niveau und jeder will der Bessere sein. Joel Strebel ist mein Kumpel, Trainingspartner und auch ein Massstab.

Was hatte Andreas Döbeli für einen Einfluss auf Ihren Erfolg, Joel Strebel?

Strebel: Einen grossen Einfluss. Wir geben uns gegenseitig Tipps, jeder mag dem anderen den Erfolg gönnen. Und trotzdem will ich besser als Res Döbeli sein. Und er will auch besser als ich sein.

Döbeli: Dem kann ich nur zustimmen.

Am Fricktaler Abendschwinget im letzten Jahr haben Sie sich duelliert. Es gab einen Gestellten. War das im Vornherein abgemacht?

Döbeli: (Lacht) Nein. Wir hatten beide bis dahin fünf Gänge gewonnen. Und ich wollte mich gut aus der Affäre ziehen. Wir sind wohl beide kein grosses Risiko eingegangen.

Schwingen Sie gerne gegen Joel Strebel?

Döbeli: Er liegt mir gar nicht (lacht).

Wieso?

Döbeli: Joel kennt mich bestens, auch meine Schwächen. Und er ist körperlich sehr stark. Gegen Joel gewinne ich nur sehr selten.

Aber Sie kennen die Schwächen von Joel Strebel ja auch bestens?

Döbeli: Ja, schon. Aber seine Schwächen sind schwer zu finden (lacht). Er ist ein stabiler Schwinger, er ist grösser und hat mehr Gewicht, das liegt mir nicht.

Was für Schwinger mögen Sie nicht, Joel Strebel?

Strebel: Grössere und schwerere Schwinger.

Zum Schluss: Was sind Ihre Hoffnungen, wie es mit dem Schwingsport weitergeht?

Strebel: Es soll wieder so werden wie vorher, dann wäre ich schon zufrieden. Ich hoffe, dass wir im Frühling wieder Schwingfeste haben.

Döbeli: Ich glaube, wir müssen lernen, damit zu leben. Ich hoffe, dass es im neuen Jahr wieder Schwingfeste gibt, halt eben mit Einhaltung von Coronamassnahmen. Ob es dann 1000 Zuschauer oder 10 000 sind – das spielt keine Rolle.

Wie stehen Sie zu Geister-Schwingfesten?

Döbeli: Wenn es nicht anders geht, dann wären wir dafür auch offen.

Strebel: Ein Schwingfest lebt von der Stimmung, von den Emotionen der Zuschauer und Schwinger. Ein Geisterschwingfest wäre die allerletzte Lösung. Wir hoffen auf Normalität.


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