Nur der Holzvergaser fehlt

  21.08.2020 Hilfikon

Sommerserie «Liebling auf Rädern»: Die IG Berna in Hilfikon und ihr fast 80-jähriger LKW

Einen alten Lastwagen zerlegen und ihn originalgetreu wieder zusammenbauen: Dies war das Ziel der drei Freunde. Auch wenn es viel länger gedauert hat als gedacht – der Stolz über das Geleistete ist riesig. «Mit dem LKW machen wir vielen eine Freude», berichten sie.

Chregi Hansen

Er gehört einfach zu Villmergen. Während vieler Jahre war der orange Lastwagen der Dambach-Mühle mit der sehr auffälligen Werbung für die Gusto-Haferflöckli vom Dorf aus im ganzen Land unterwegs. 28 Jahre genau, wie die heutigen Besitzer wissen. Danach stand er nach einem Defekt weitere 28 Jahre in einem Schopf. 1998 erlösten ihn Geri Meyer, Urs Hegglin und Stefan Engel aus seinem tristen Dasein.

Hätten sie gewusst, was auf sie zukommt – vielleicht hätten sie dann auf den Kauf verzichtet. Den Defekt, der den Berna 4U mit Jahrgang 1942 ausser Betrieb setzte, hatten sie zwar schnell behoben. Aber die drei Freunde wollten mehr. «Es war schon lange unser Ziel, einen alten Lastwagen komplett in seine Einzelteile zu zerlegen, diese zu restaurieren und sie wieder zusammenzubauen, das Fahrzeug also wieder in seinen Ursprungszustand zu bringen», erklärt Meyer. Und das brauchte Zeit. Viel Zeit. Insgesamt 17 Jahre. «Am Anfang haben wir die investierten Stunden noch aufgeschrieben, nach den ersten Tausend haben wir aufgehört», lacht Meyer.

Viel Know-how vorhanden

Alle drei haben ein Faible für Fahrzeuge. Meyer ist als Chauffeur noch heute viel unterwegs auf den Strassen. Engel war ursprünglich auch Chauffeur, arbeitet aber heute in der Informatik. Und Hegglin ist gelernter Lastwagenmechaniker. Er hat seine «Stifti» beim Lastwagenhersteller Saurer in Arbon absolviert. Damit schliesst sich ein Kreis. Saurer hatte bereits 1929 die Firma Berna, einen Lastwagenhersteller aus Olten, übernommen, liess dessen Modelle aber weiterhin unter dem alten Namen produzieren. «Urs weiss alles über alte Lastwagen, sein Know-how ist Gold wert für uns», sagt Engel.

«Geri und ich sind in Villmergen aufgewachsen und kannten den Lastwagen aus unserer Kindheit», erzählt Hegglin. Das Fahrzeug und seine Fahrer waren sehr beliebt, weil sie den Kunden bei der Lieferung immer ein Paket Haferflocken schenkten. Daran erinnern sich noch viele ältere Villmerger. Ausfahrten mit den Bewohnern des Altersheims gehören darum zu den Höhepunkten für die drei Bastler. Überhaupt sei es für sie eine Freude, mit dem bald 80-jährigen LKW durch die Gegend zu gondeln. «Fast alle, die uns sehen, haben eine riesige Freude, heben den Daumen, winken uns zu», erzählt Meyer. «Vor allem die Frauen», ergänzt Engel lachend, «vermutlich gefällt ihnen die orange Farbe.»

Nicht das einzige Projekt

Zwei Fotobücher dokumentieren die Restaurationsarbeiten. Der Berna wurde komplett in seine Einzelteile zerlegt und danach mit viel Liebe zum Detail wieder originalgetreu zusammengesetzt. «Wir haben gestaunt, in welch gutem Zustand das Fahrzeug war, wir mussten nur wenige Teile ersetzen. Und das, obwohl der Wagen vermutlich weit über 400 000 Kilometer auf dem Buckel hatte», berichtet Hegglin. Bei der Beschaffung von Originalteilen und Bauplänen konnten sie auf die Unterstützung anderer Liebhaber zählen. Aber auch der damalige Chef der Villmerger Mühle verfolgte die Restaurationsarbeiten regelmässig. «Es war sein grosser Wunsch, dass der Berna wieder in altem Glanz erstrahlt», sagt Meyer.

Dass die Arbeit so lange dauerte, hat nicht nur mit dem grossen Aufwand zu tun. In diesen 17 Jahren haben die drei Freunde auch einen alten Schopf in Hilfikon in eine Werkstatt umgebaut und zwischendurch einen anderen Lastwagen restauriert. Derzeit ist Lastwagen Nummer 3 an der Reihe, ein italienischer OM. «Die Arbeit geht uns nicht aus», meint Engel, der daneben noch an einer alten Vespa herumschraubt. «Solche alten Fahrzeuge haben immer eine Geschichte. Das Arbeiten an ihnen ist sehr befriedigend», erklärt Hegglin. Und bei der Restauration des Berna kamen viele alte Fundstücke zum Vorschein. Rechnungsbelege, Rapporte, Vorführberichte. Apropos Vorführung. Als die drei vor fünf Jahren zur Kontrolle in Schafisheim vorfuhren, war die Aufregung unter den Experten riesig. «Sie mussten erst jemanden finden, der den alten Lastwagen in die Prüfhalle fahren konnte», berichtet Meyer lachend. Denn das Fahren des 100 PS starken Fahrzeuges ist nicht ganz einfach. «Aber wenn man es kann, dann ist es ein herrliches Gefühl, mit ihm unterwegs zu sein», schwärmt Engel.

Malen statt kleben

Die drei sind zu Recht stolz auf ihre Leistung. Und darauf, den Lastwagen historisch korrekt wiederhergestellt zu haben. Die Detailtreue ist gewaltig. So wurden die originalgetreuen Werbeschriftzüge nicht etwa aufgeklebt, sondern in stundenlanger Handarbeit vom Bremgarter Malermeister Alois Oberthaler aufgemalt. Nur in einem Punkt weicht der Berna heute vom Original ab. «1942 gab es wegen des Krieges kaum Treibstoff, darum hatte der Wagen damals einen Holzvergaser, erst später wurde auf Diesel umgestellt», erklärt Hegglin. Auf diesen aber haben sie verzichtet. Zwar würde das auch heute noch funktionieren, aber man müsste vor jeder Ausfahrt eine Stunde vorher mit dem Einheizen beginnen. «Und wir fahren eigentlich eh schon zu wenig», bedauert Engel.

Alte Säcke gesucht

Tatsächlich steht nicht das Fahren, sondern das Basteln im Vordergrund. Und was sagen die Frauen dazu, dass die drei Männer so viel Zeit in der Werkstatt verbringen. «Sie sind froh, dann wissen sie, wo wir sind», scherzt Meyer. Und auch wenn der Wagen jetzt eingelöst und fahrtüchtig ist, Ideen für ihn haben sie weiterhin. «Unser Wunsch ist es, ihn einmal mit möglichst vielen alten Mühlesäcken zu beladen und dann wie früher Haferflöckli zu verteilen», erklären sie. Natürlich solche der Marke Gusto. Genau so, wie es früher der Fall war. Damals, in Villmergen. Als sowohl der Lastwagen wie auch die drei Bastler noch jung waren.


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