Ohne Freude wird es schwierig
21.02.2025 Aristau, Region OberfreiamtFreude ging verloren
Aristaus Gemeindeammann nimmt den Hut
Eigentlich wollte er die Legislatur noch beenden. Wie es geplant war. «Dann wäre sowieso Schluss gewesen», sagt Erwin Gerber. Er werde nächstes Jahr 70 Jahre alt. Doch nun ...
Freude ging verloren
Aristaus Gemeindeammann nimmt den Hut
Eigentlich wollte er die Legislatur noch beenden. Wie es geplant war. «Dann wäre sowieso Schluss gewesen», sagt Erwin Gerber. Er werde nächstes Jahr 70 Jahre alt. Doch nun hört der vor vier Jahren in einer Kampfwahl gewählte Gemeindeammann von Aristau schon früher auf. «Ich habe im Sommer die Freude am Amt verloren und seither nicht wiedergefunden», sagt er. Grund sind diametral unterschiedliche Arten, miteinander umzugehen innerhalb des Gemeinderats. Gerber zog die Konsequenzen daraus und tritt per Ende Monat aus dem Gremium aus.
Dennoch blickt er voller Dankbarkeit auf die Zeit als Gemeindeammann zurück. «Ich durfte lernen, wie eine Gemeinde funktioniert.»
Wenige Monate vor Ablauf der Legislatur hört Erwin Gerber als Ammann von Aristau auf
Es war ein schwieriger Entscheid. «Aber für mich der richtige», sagt Erwin Gerber. Dass er als Gemeindeammann von Aristau keine weitere Legislatur anhängt, war klar. Nun tritt er vorzeitig zurück. «Ich habe keine Freude mehr an diesem Amt», sagt er deutlich. Er blickt auf bewegte Jahre im Gemeinderat zurück.
Annemarie Keusch
Er will keine schmutzige Wäsche waschen, niemandem die Schuld geben. Trotzdem sagt Erwin Gerber: «Es gab im Rat zwei diametral unterschiedliche Arten, miteinander umzugehen, oft geprägt von Misstrauen und persönlichen Vorwürfen.» Neu ist das nicht. «In den letzten Jahren ging das gut, aber zuletzt nicht mehr.» Mehr und mehr beschäftigte die Situation Erwin Gerber. Bis er sich im letzten Herbst die Frage stellte, wohin denn dieser Weg gehen soll. «Seit letztem Sommer spüre ich kaum mehr Freude im Amt. Und das geht nicht. Dienst nach Vorschrift entspricht nicht meinen Vorstellungen, die ich von mir und der Erfüllung eines Ammann-Amtes habe.» Also zog Gerber die Konsequenzen. «Die logischen.» Denn Menschen verändern, das wolle er nicht. «Das Einzige, was ich verändern kann, ist meine Tätigkeit, und das habe ich nun getan.»
Gerber betont immer wieder, dass es nicht um Meinungsverschiedenheiten gehe, nicht um Diskussionen. «Sondern um Grundsätze und das will ich mir nicht mehr antun.» Vielleicht spiele das Alter eine Rolle. Gerber wird im nächsten Jahr 70 Jahre alt. «Ich habe für mich entschieden, dass ich das so nicht mehr weiterziehen will.» Auch weil die zwischenmenschlichen Herausforderungen im Gemeinderat auch in seinen Gedanken oft überhandnahmen, Einfluss hatten auf Gesundheit und Beziehung. «Ich musste einen Schlussstrich ziehen.» Auch wenn ihm das alles andere als leichtfiel.
Sein Wissen weitergeben
Denn sich zu engagieren, aktiv in der Gemeinschaft mitzuwirken, das gehört für Erwin Gerber dazu. Entsprechend überlegte er nicht lange, als er 2020 als Gemeinderat in Aristau angefragt wurde. Gerber und seine Frau zogen 2012 ins Dorf. «Wir ziehen hier nicht mehr weg», sagt er. Die Landschaft gefalle, die Leute, das Miteinander. Auch darum engagierte er sich. «Auch weil ich mein Wissen gerne weitergebe.» Gerber bringt 40 Jahre Führungserfahrung mit, verbrachte beruflich viel Zeit im Ausland, hat Grossprojekte gestemmt. Dass er nun in Aristau auch lernen konnte, wie das Gemeindesystem funktioniert, schätzt Gerber. «Die Breite an Themen und Aufgaben ist riesig, das macht es sehr abwechslungsreich.»
Bewegt haben Gerber und das Gemeinderatsteam in den letzten Jahren einiges. Er erwähnt die Aufstockung des Schulhauses, die Sanierung der Bushaltestellen. Die Revision der Bauund Nutzungsordnung, auch wenn diese weniger schnell voranging als gewünscht. «Dieses Projekt abzuschliessen, das schaffe ich aber nicht mehr.» Letzte Woche habe eine weitere Besprechung mit dem Kanton stattgefunden. Die Finanzplanung war ein weiteres wichtiges Thema. Unter Gerbers Leitung konnte der Steuerfuss gesenkt werden. Und der Gemeinderat nahm sich der Gemeindeliegenschaften an. Eine Energieanalyse ist gemacht. «Im laufenden Jahr folgen Vorprojekte und die Etappierung», verrät er. Zudem legte er ein Hauptaugenmerk auf die Digitalisierung, auf eine verbesserte Effizienz. Die einzelnen Projekte – sie haben Erwin Gerber Freude bereitet, ihn fasziniert. Was ihm aber am wichtigsten war: «Ich darf sagen, es hat ein Wertewandel stattgefunden. Die Zusammenarbeit von Gemeinderat und Verwaltung baut auf Wertschätzung auf.»
Auch schwierige Situationen
Ein gutes Miteinander, eine wertschätzende Grundhaltung, das ist Erwin Gerber wichtig. Darum zieht er die Konsequenzen, wenn Grundsätze für ihn nicht mehr passen. Das war schon 2021 so, als er gegen den langjährigen Gemeindeammann René Meier zur Kampfwahl um das Ammann-Amt antrat. «Keine einfache Situation, aber für mich und mein Engagement im Gemeinderat eine unumgängliche», blickt er zurück. Gerber gewann damals. Herausfordernde Situationen gab es aber auch nachher einige zu bewältigen. Immer wieder hatte die Gemeindeverwaltung mit Vakanzen zu kämpfen, gerade auch in der Verwaltungsleitung. Seit Januar nun übernimmt eine Co-Leitung diese Aufgaben. «Der Start verlief gut. Das Team funktioniert», sagt Gerber.
Der Fachkräftemangel macht auch vor den Gemeindeverwaltungen nicht halt. Die Stelle der Leitung Finanzen ist nach wie vor nicht besetzt – auch hier ist eine externe Übergangslösung nötig geworden. «Auf offene Stellen gibt es Bewerbungen, aber keine, die wirklich den Ansprüchen entsprechen», sagt Gerber. Dabei erachte er die Tätigkeit auf der Verwaltung einer kleinen Gemeinde durchaus als attraktiv. «Der Arbeitsbereich ist selten breiter», findet er. Aber man müsse den Kontakt zu der Bevölkerung wollen und lieben. Zudem sei man exponiert – wie als Gemeindeammann auch. «Das war für mich nie ein Problem», sagt Gerber. Bis auf wenige Ausnahmen sei die Bevölkerung ihm anständig und respektvoll begegnet. Überhaupt, Gerber war gerne Gemeindeammann. Noch immer spricht er von «wir», wenn er den Gemeinderat meint. Bis Ende Monat ist er noch Teil des Gremiums. Die Übergabe an die neue Frau Gemeindeammann Isabelle Hediger läuft bereits.
Sich weiterhin engagieren – auch in der Region
Vor Ablauf der Amtsperiode aufzuhören, war ein schwieriger Entscheid für Erwin Gerber. «Aber der richtige», betont er erneut. Ihm bleibt bald mehr Zeit für sein grosses Hobby, die Fotografie, und das Reisen. Zudem plant er, Start-ups und Projekte zu unterstützen und weiterhin regional aktiv zu sein. «Ich bin seit vier Jahren Vorstandsmitglied der Spitex, gerade das Gesundheitswesen fasziniert mich», sagt er.
Der neuen Frau Gemeindeammann, dem neu konstituierten Gemeinderat und der Verwaltung wünscht er nur das Beste. «Dass sie zusammenfinden», sagt er. Und dass sie die anstehenden Projekte miteinander stemmen können. An denen mangelt es nämlich nicht: ARA, Gemeindeliegenschaften, Sanierung Kantonsstrassen, Erneuerung Friedhof, Tempo 30. Gerber wird die Entwicklung als interessierter Bürger weiterverfolgen.