Potenzial richtig ausschöpfen
14.06.2024 Wohlen«Chagall» – das Förderprogramm von Kanti und BBZ zeigt erste Erfolge
Leistungswille, Basis, Potenzial, Wissen – das alles ist vorhanden. Aber die schwierigen Verhältnisse erschweren den idealen schulischen oder beruflichen ...
«Chagall» – das Förderprogramm von Kanti und BBZ zeigt erste Erfolge
Leistungswille, Basis, Potenzial, Wissen – das alles ist vorhanden. Aber die schwierigen Verhältnisse erschweren den idealen schulischen oder beruflichen Weg. Hier hilft das Förderprogramm «Chagall» weiter. «Es ist gut angelaufen», sagt Fabian Schambron, Prorektor an der Kanti.
Daniel Marti
«Es ist einfach lässig, auf diese Art zu unterrichten», sagt Franco Loher. Er ist Lehrperson an der Kanti und eine von drei Lehrkräften, die sich im Förderprogramm «Chagall» engagieren. Und die Antwort einer Schülerin kommt postwendend: «Es macht einfach Spass, hier meine Kompetenzen zu vergrössern. Hier bekomme ich viel Unterstützung. Jeder Besuch lohnt sich.»
«Chagall» – das klingt nach dem bekannten Maler. «Chagall» widmet sich auch talentierten jungen Menschen. Es steht für «Chancengerechtigkeit durch Arbeit an der Lernlaufbahn», so die offizielle Bezeichnung. Es ist ein Förderund Mentoringprogramm für talentierte und leistungsbereite Jugendliche mit Migrationshintergrund oder die aus finanziell bescheidenen Verhältnissen stammen. «Chagall» soll Brücken ermöglichen: von der Sekundarschule an die Bezirksschule. Von der Bez an die Mittelschulen oder zu einer Lehre mit Berufsmaturität. Es hilft den jungen Menschen, ihr Potenzial auszuschöpfen oder auch richtig einzusetzen.
Das Förderprogramm wurde ursprünglich vom Gymnasium Unterstrass in Zürich entwickelt. Vor einigen Jahren etablierte es sich an der Kanti Baden. Der Erfolg in der Limmatstadt machte die Runde. Und so ist «Chagall» vor zwei Jahren in Wohlen angelaufen. In Wohlen ist «Chagall» eine regionale Angelegenheit und wird vom Berufsbildungszentrum BBZ Freiamt-Lenzburg mitgetragen.
Erfahrungen sammeln – dann folgt die Analyse
Jeweils am Mittwochnachmittag werden Schülerinnen und Schüler aus Wohlen und den umliegenden Oberstufenstandorten an der Kanti spezifisch unterrichtet. «Sie arbeiten mit Lehrpersonen der Kanti und der Bez Wohlen an Lerntechnik und Selbstorganisation sowie konkreten schulischen Herausforderungen, meist in den Fächern Mathematik oder Deutsch», erklärt Fabian Schambron, Prorektor am Gymnasium und «Chagall»-Verantwortlicher. Die Strukturen habe man vom guten Vorbild aus Baden übernommen, so Schambron weiter, «und wir arbeiten bewusst in kleinen, flexiblen Gruppen».
In der Kanti Wohlen sind aktuell bei der Startergruppe jeweils sieben oder acht Jugendliche im Unterricht anwesend – zwei sind nach erfolgreicher Lehrstellensuche inzwischen nicht mehr dabei . Das Projekt sei klein, aber gut angelaufen, sagt Schambron noch. Das sei gegenwärtig die Hauptsache, «wir wollen jetzt viele Erfahrungen sammeln». Für eine vertiefte Analyse sei es allerdings noch zu früh.
Fabian Schambron will aktuell immer noch Überzeugungsarbeit leisten. Noch sei man nicht auf dem Stand wie Baden, «wir sind immer noch in der Evaluationsphase. Und wir wollen unser Projekt noch bekannter machen.»
Leistungsfähig und leistungswillig
Schülerinnen und Schüler, die aus eher schwierigen Verhältnissen stammen, sollen eine echte Chancen erhalten. «Oft ist es auch so, dass das Zuhause nicht der richtige Ort zum Lernen ist. Und die jungen Menschen verdienen es, andere Inputs zu erhalten, brauchen die Vermittlung anderer Lernmethoden.» Die drei Lehrpersonen – Jennifer Nussbaum (Mathematik, Physik, Kanti Wohlen), Michael Plaukovits (Mathematik, Räume, Zeiten, Gesellschaften, Bez Wohlen) und Franco Loher (Deutsch, Englisch, Kanti Wohlen) – zeigen noch so gerne Lösungen auf. Und sie ermutigen die jungen Menschen, das Projekt «Chagall» zu nutzen. Und oft geht es bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund um die Sprache und eben nicht um das Wissen, das oft bereits vorhanden ist.
«Aber», stellt Schambron klar, «Chagall ist ein Förderprogramm.» Und nicht etwa ein Auffangprojekt für Jugendliche. Die Aufnahme erfolgt erst nach einem persönlichen Gespräch, das Schambron selbst führt. «Die Bewerberinnen und Bewerber müssen leistungsfähig und leistungswillig sein.» Und sie müssen signalisieren, dass sie mehr leisten könnten in einem idealen Umfeld. Erst dann bietet «Chagall» den optimalen Rahmen.
Diese Einstellung müssen auch die Lehrpersonen mitbringen. Der Wille zu dieser speziellen Zusammenarbeit müsse spürbar sein, «und sie müssen über die eigene Schule hinwegdenken», sagt Schambron. Hier hakt Lehrerin Jennifer Nussbaum gleich ein: «Ich bin sogar dankbar, hier unterrichten zu können.» Von den Jugendlichen kommt eben eine Menge zurück. Alle wollen sich verbessern, alle verfolgen konsequent ein Ziel. Alle wollen weiterkommen, keiner stört den Unterricht.
Es macht Spass – auf beiden Seiten
Ob der Wechsel von der Sek an die Bez, ob der Sprung an die Kanti oder die Sicherung einer Lehrstelle – für die «Chagall»-Teilnehmenden steht ein wichtiger Schritt an. Und die gezielte Unterstützung wird einmal in der Woche gewährt. «Auf der Lehrstellensuche war Mathematik meine Schwäche, hier bekam ich zusätzliche Hilfe und mein Dossier konnte ich erweitern», sagt eine junge Frau. Im August wird sie eine KV-Lehrstelle antreten – wenn sie davon erzählt, strahlt sie.
«In diversen Bereichen können sich die Teilnehmenden spezifisch steigern», erklärt auch Lehrer Franco Loher, «und viele Gespräche über mögliche Laufbahnen werden geführt. Auch so können wir die jungen Menschen an ihre Ziele heranführen.» Zu Beginn sei es oft ein Kennenlernen, bis die Hemmschwelle überstiegen sei, danach werde gezielt gearbeitet. «Und ja», sagt Loher noch, «es macht Spass, junge, intelligente und motivierte Menschen weiterzubringen.»
Ein sehr gutes Beispiel ist ein Jugendlicher, der aus Polen stammt. Vieles scheiterte bei ihm an den Deutschkenntnissen. Nun hat er den Sprung von der Sekundarschule in die Bezirksschule geschafft. Dank «Chagall». «Nur dank dieser Hilfe bin ich so weit gekommen», betont er in ganz gutem Deutsch. Und manchmal, wenn er keine anderen Aufgaben hat, verrät er noch, «komme ich einfach zum Diskutieren und zum Reden in den Unterricht». Das sei doch ein schöner Erfolg, betont Lehrer Loher, auch er strahlt dabei.
Und genau solche Erfolgsmeldungen bestärken Prorektor Fabian Schambron, bald eine zweite Gruppe ans Förderprogramm heranzuführen. Noch müsse «Chagall» an den Oberstufenschulen stärker verankert werden. «Und es braucht etwas Zeit, um noch stärker Wurzeln zu schlagen. Aber der eingeschlagene Weg scheint uns der richtige.»