Reis verbindet
31.05.2023 Mühlau, Region OberfreiamtGelebte Integration in Mühlau
Justin Bigirimana kommt ursprünglich aus Burundi. Dort arbeitete er bis zu seiner Flucht am International Rice Research Institute (IRRI). Seit Dezember ist der 40-Jährige in den GOPS in Muri untergebracht. Durch ihr ...
Gelebte Integration in Mühlau
Justin Bigirimana kommt ursprünglich aus Burundi. Dort arbeitete er bis zu seiner Flucht am International Rice Research Institute (IRRI). Seit Dezember ist der 40-Jährige in den GOPS in Muri untergebracht. Durch ihr ehrenamtliches Engagement in den GOPS wurde die Murianerin Eva Halter-Arden auf die spezielle Berufsausbildung von Justin Bigirimana aufmerksam. Kurzerhand stellte sie den Kontakt zu Familie Suter in Mühlau her. Diese pfanzt in Mühlau seit drei Jahren Reis an. Zukünftig will Familie Suter sich mit Justin Bigirimana vermehrt austauschen, um von seiner Erfahrung im Reisanbau profitieren zu können. --sus
Justin Bigirimana aus Burundi auf dem Reisfeld von Familie Suter in Mühlau
Justin Bigirimana lebt momentan in der Gops in Muri. Aufgewachsen ist er in Burundi. Dort arbeitete er am International Rice Research Institute (IRRI). Der Zufall hatte ihn auf das Reisfeld von Familie Suter in Mühlau gebracht.
Susanne Schild
Justin Bigirimana öffnet die Autotür. Schüchtern steigt er aus. Die Unsicherheit ist ihm anzumerken. Doch als er auf das Reisfeld von Familie Suter blickt, fangen seine Augen an zu leuchten. Justin Bigirimana kommt aus Burundi. Burundi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als 74 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Von 1993 bis 2005 herrschte Bürgerkrieg, von dessen Folgen sich das Land bis heute kaum erholt hat. Justin Bigirimana hat in Burundi am International Rice Research Institute vier Jahre lang gearbeitet. Dann musste er fliehen, da er politisch verfolgt wurde. «Ich war in der Oppositionspartei. Wurde verhaftet und geschlagen.» Er musste seine Arbeit, seine Frau und seine fünf Kinder in Burundi zurücklassen. Im November 2022 ist er in die Schweiz gekommen. Seit Dezember 2022 ist er in den Gops in Muri untergebracht. «Es wäre für mich das Schönste, wenn ich meine Familie auch hier in Sicherheit wüsste. Sie bei mir haben könnte.»
Die Leidenschaft zum Reisanbau verbindet
«Es ist wunderbar für mich, heute auf diesem Feld zu stehen. Das lässt mich meinen Beruf und meine Heimat spüren», sagt er.
Helen Suter begrüsst ihn herzlich. Sie verstehen sich sofort, denn sie verbindet eine Leidenschaft: der Reisanbau. «Wenn beide über etwas reden können, was sie begeistert, dann funktioniert Integration», freut sich Eva Halter-Arend.
Die Murianerin engagiert sich seit 2015 für Flüchtlinge. Zufällig entdeckte sie auf dem handgeschriebenen Zettel, den die Gops-Bewohner ausfüllen, damit die freiwilligen Helferinnen und Helfer wissen, mit wem sie es zu tun haben, dass Justin Bigirimana am IRRI in Burundi gearbeitet hatte.
Erste Erfahrungen sammeln
Sofort fiel ihr die Familie Suter und ihr Reisfeld in Mühlau ein. Es ist das dritte Jahr, dass die Betriebsgemeinschaft Schoren Plus Reis angepflanzt hat. «Wir stehen noch ganz am Anfang. Wir versuchen, sammeln Erfahrungen. Es ist schwierig. Doch wir machen weiter», erklärt Helen Suter. Die beiden fachsimpeln über Setzlinge, Düngemittel und Anbaumethoden. «Vieles ist in Burundi anders, doch wir können von den Erfahrungen, die Justin Bigirimana beim Forschungsinstitut gesammelt hat, bestimmt profitieren», ist Helene Suter überzeugt.
Reisproduktion um 316 Prozent gesteigert
Reis hat sich in Burundi zu einem wichtigen Grundnahrungsmittel entwickelt. «Die geschätzte Landfläche, die derzeit in Burundi für den Reisanbau genutzt wird, beträgt etwa 50 000 Hektaren. Zwischen 1984 und 2011 stieg die Reisproduktion von 18 000 auf 75 000 Tonnen pro Jahr – ein Anstieg von 316 Prozent in 27 Jahren. Im Jahr 2019 wurde die Reisproduktion in Burundi auf 120 000 Tonnen geschätzt», erklärt Justin Bigirimana. «Davon können wir hier in Mühlau nur träumen», meint Helen Suter und lacht. «Aber vielleicht können wir in 27 Jahren auch einen Ernteanstieg von 316 Prozent verzeichnen. Das wäre genial.» In Mühlau sei man zufrieden, denn im letzten Jahr konnte man überhaupt zum ersten Mal einen Ertrag erzielen. «Die 3,6 Tonnen Reis motivieren uns, an diesem Projekt weiterzuarbeiten», sagt Helen Suter. «Wir bauen im Aargau ausschliesslich die Nassreis-Sorte «Loto» an, mit Trockenreis hatten wir nur Misserfolge. Ausserdem verzichte man auf Pflanzenschutz und Dünger. «Ohne Dünger geht es bei uns in Burundi nicht», lacht Bigirimana.
Auch in Burundi gibt es Herausforderungen
Doch auch der Reisanbau in Burundi stehe vor einigen Herausforderungen. Übernutzte Landflächen, begrenzter Einsatz von Düngemitteln und eine kleine Anzahl qualifizierter Forscher und Techniker seien nur einige davon. «Deshalb ist die Arbeit von IRRI sehr wichtig», erklärt Bigirimana. In Burundi würde IRRI mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Viehzucht, der Universität Burundi und anderen Forschungseinrichtungen und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, mit Unterstützung anderer Regierungen und Organisationen, um positive Auswirkungen auf die Kleinbauern und Verbraucher in Burundi zu erzielen. «Ausserdem entwickelt die IRRI ertragreiche Sorten, die an die Ökologie Burundis angepasst sind und eine bessere Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten sowie eine Toleranz gegenüber bestimmten abiotischen Belastungen aufweisen und gleichzeitig die von den Verbrauchern bevorzugte Getreidequalität beibehalten», sagt Bigirimana.
Seit 2011 habe IRRI in Burundi acht Sorten auf den Markt bringen können und sechs weitere Elite-Linien würden derzeit in der Pipeline stehen, so Bigirimana. «Das ist hoch interessant für uns», sagt Helen Suter. Sie wäre Justin Bigirimana sehr dankbar, wenn er einmal einen Blick auf ihre Bodenproben werfen könnte.
Voneinander lernen
«Vielleicht wird ja dank dem grossen Know-how von Justin Bigirimana aus dem Aargau noch ein Reiskanton. Es ist schön, wenn man voneinander lernen kann», meint Eva Halter-Arend zu der Begegung.
Helen Suter will zukünftig mit Justin Bigirimana in Kontakt bleiben. Trotz dem Ernteausfall im ersten Jahr sei aufgeben niemals eine Option gewesen. «Wir glauben nach wie vor daran, dass es funktionieren kann. Auch wenn die Reaktionen von anderen Landwirten skeptisch sind.» Und obwohl man noch wenig über den Anbau wisse. «Das macht es interessant, aber auch herausfordernd. Wir machen Fehler und versuchen diese auszumerzen und uns weiterzuentwickeln», sagt Helen Suter. Vielleicht kann Justin Bigirimana die Familie Suter dabei unterstützen. Die Telefonnummern haben sie zumindest ausgetauscht.
Internationale Organisation
Im Jahr 2008 startete IRRI seine Initiativen in Burundi durch ein «Memorandum of Understanding» mit der burundischen Regierung und einen «Letter of Agreement» mit der Universität von Burundi in Bujumbura. Vier Jahre später richtete IRRI in Burundi ein Regionalbüro und ein Zuchtzentrum für das östliche und südliche Afrika ein und später, im Jahr 2017, wurde das Zentrum für die Verbesserung der Nutzpflanzen in der Region bestimmt. Seit Dezember 2018 ist IRRI als internationale Organisation registriert und unterliegt einem Gastlandabkommen mit der Regierung von Burundi. --sus