Selbstkritisch vor Fake News
15.11.2024 MerenschwandMedienprofi im Gespräch
Fake News im Visier
Die Generation Z konsumiert Medien ganz anders als ihre Vorfahren. Was das mit Fake News zu tun hat, darüber sprach der «Zischtigs-Club».
«Wenn ich mit Jungen ...
Medienprofi im Gespräch
Fake News im Visier
Die Generation Z konsumiert Medien ganz anders als ihre Vorfahren. Was das mit Fake News zu tun hat, darüber sprach der «Zischtigs-Club».
«Wenn ich mit Jungen rede, dann nehme ich eine Mitarbeiterin in dem Alter mit. Wir wollen möglichst auf Augenhöhe miteinander reden», dafür steht YouMedia von Franz Fischlin und das ist ihm in seiner Arbeit mit der Generation Z wichtig. Dabei redet er von der Haltung. Sein Appell an die Konsumenten: «Seid kritisch. Und gut, gibt es den Menschenverstand.»
Er weiss aus eigener Erfahrung, wie es ist, auf Fake News hereinzufallen. «Wie habe ich mich geschämt. Ich war dabei, als ein ‹Spiegel›-Journalist irrtümlich ausgezeichnet wurde.» --vaw
Franz Fischlin im «Zischtigs-Club» der katholischen Kirchgemeinde Merenschwand
Christian Breitschmid begrüsste 40 Gäste im «Zischtigs-Club» und seinen ehemaligen Arbeitskollegen vom SRF, den Journalisten Franz Fischlin. Thema des Abends waren Fake News und es wurde rege diskutiert.
«Macht es Sinn, skeptisch gegenüber den Medien zu sein?» Mit dieser Frage an die Gäste des «Zischtigs-Clubs» eröffneten die Medienprofis Christian Breitschmid und Franz Fischlin den Diskussionsabend. Dabei empfahl Fischlin, im Bereich Medienkonsum skeptisch zu bleiben. «Kein Journalist hat die Wahrheit gepachtet.» Weiter macht er klar: «Den wahren absolut objektiven Journalismus gibt es nicht.
Selbst das SRF kann nicht den Anspruch haben, die Welt so abzubilden, wie sie ist», gab der ehemalige Mitarbeiter zu bedenken. «Journalismus ist selektiv, aber es gibt ein Bemühen für Objektivität», dies ist Fischlin wichtig. Dabei geht es darum, Fakten zu recherchieren. Denn wenn eine Person etwas erlebt, ist dies subjektiv und zu wenig faktenorientiert. Bei ihrer Arbeit bei der Tagesschau sei es ihnen wichtig gewesen, verschiedene Quellen für den Faktencheck abzufragen, so der Profi.
Spardruck und Tempo
Auf die Frage aus der Runde, ob die Schnelligkeit und der Spardruck sich auf die Qualität des Journalismus auswirken, bestätigte dies Medienfachmann Fischlin. Das hohe Tempo verhindert seriösen Journalismus – das vor allem in den sozialen Medien. «Du musst Leser und Klicks haben. Hier beeinflusst die Geschwindigkeit die Qualität.» Für Fischlin steht ausser Frage, dass guter Journalismus keine Klicks benötigt.
«Sind die Mittel heute anders, um diese Fake News zu verbreiten?», wollte Breitschmid von seinem ehemaligen Arbeitskollegen wissen. Früher wurden Bücher geschrieben, um quasi «Fake News», also Verschwörungstheorien, zu verbreiten. «Heute passiert dies in Sekundenbruchteilen über die Social-Media-Kanäle», erklärte Fischlin. Innert Sekunden ist es möglich, diese zu «liken» und zu «sharen». Da dies auch maschinell möglich ist, sei die Produktion heute sehr viel leichter geworden. «Russland versucht das mit ganzen Armeen, um Menschen zu beeinflussen. Es werden Arbeiten ausgelagert. Studenten schreiben im Stundenlohn Kommentare. «Und das sind keine Fake News, sondern das sind reale Jobs», definiert Fischlin.
Junge Menschen und ihr Medienkonsum
Franz Fischlin ist selbstständiger Journalist, er war bis 2022 Reporter und Moderator bei der Tagesschau von SRF. Dort half er mit, den TikTok-Kanal von SRF News zu lancieren. Er ist Co-Präsident im Verein Qualität im Journalismus und Jurypräsident vom «Medienpreis für Qualitätsjournalismus». Er hat die Jugendmedienwoche «You-News» mitgegründet und ist Vater von fünf Kindern. Bereits zu SRF-Zeiten hat er über den TikTok-Kanal den Zugang zu jugendlichen News-Nutzern gesucht. Beispielsweise, indem er während der Tagesschau sein Handy als Livestream für die TikToker nutzte. Im Anschluss an die Tagesschau beantwortete er die Fragen, die auf dem Kanal gestellt wurden. Was auch zu seiner Überraschung überraschend viele waren.
Das Unternehmen von Fischlin «You-Media» will der Generation Z eine Stimme geben und sie näher zum «klassischen» Journalismus oder dessen Medien führen. «Es ist nicht immer alles schlecht auf Social Media», erklärt Fischlin, der in seinem Unternehmen daher mit Mitarbeitern der Generation Z zusammenarbeitet. Als Vater von drei Teenagern sagt er: «Ich erfahre sehr viel mehr, wenn ich ihnen zuhöre, als wenn ich befehle.»
Heute ist das Verhalten der Jungen vom Konsum her verändert. Bei den älteren Mediennutzern steht der Fernseher im Zentrum der Stube, das ist jetzt bei den Jungen nicht mehr so. Die Jungen haben ihre Medien auf dem Handy und schauen diese dort. «Die Familie geht auseinander, das gemeinsame Erleben und Darüber-Reden gibt es nicht mehr.» Fischlin fragte die Runde, wem alles bewusst ist, dass man, wenn man sich auf Social Media bewegt, in einen Algorithmus kommt und daher immer wieder ähnliche Inhalte präsentiert erhält.
Zur Frage, wie es um die Abhängigkeiten junger Menschen von sozialen Medien stehe, antwortete der Medienkenner: «Die Leichtigkeit, wie Junge mit den neuen Medien umgehen, sie konsumieren, das darf man nicht überschätzen.» Hierbei führte er ein Beispiel an, das einem jungen Maturanden so viele Informationen zu seinem Thema brachte, dass er nun seine über 70 Seiten umfassende Arbeit aus den Recherchen auf den sozialen Kanälen schreiben kann. Zu den Alarmsignalen bei einer Abhängigkeit gibt es laut Fischlin klare Signale, wenn jemand nur noch am Handy ist und seine Freundschaften vernachlässigt. Er appellierte an die Anwesenden: «Seid grosszügiger mit der Generation Z.»
Was macht den Unterschied aus?
Wie kann man gute von schlechten Beiträgen unterscheiden?, wollte Breitschmid von seinem Gast wissen. «Indem man aktiv bleibt. Man muss einen Aufwand betreiben. Aktiv Informationen einholen und eine kritische Grundhaltung entwickeln.»
Aus seiner Sicht sind die «Medien die vierte Gewalt im Staat, was während Corona nicht immer gewährleistet war.» Zu bedenken sei auch: «In den USA haben alle Medienhäuser eine Agenda. Die Stärke einer richtig guten Demokratie ist, dass ich davon ausgehen muss, dass der andere recht hat.»
Medien haben eine Aufgabe, da braucht es Recherche, Frauen- und Männerpower. Aus seiner Erfahrung erzählte er: «Wenn Juristen kommen, dann ist man auf dem richtigen Weg.» Die Verantwortung, was zu glauben sei, ist beim Menschen. Letztlich seien Journalisten aber keine Richter. Sie präsentieren lediglich die Fakten aus der Sicht der verschiedenen Beteiligten.
Medien, die vierte Macht im Staat
«Social Media ist die neue vierte Macht, zum Teil fehlt es an der Tonalität, die nicht angebracht ist», so Fischlin. Die Hemmschwelle der Menschen in den sozialen Medien sei klein. «Klicken ist keine Qualität für Journalismus.» In der Anonymität sei es einfacher, Menschen fertigzumachen.
Mediennutzung heute sei «eine komplexe Geschichte». Fischlin gab zu bedenken, dass ein Teil der Bevölkerung bewusst keine News mehr konsumiert. «Das ist ein Phänomen, das massiv zugenommen hat», vermerkte der Freiämter. Er forderte auf: «Seid skeptisch und verlasst euch nicht auf den Tagesschaumoderator, lest noch eine Zeitung.» --vaw