Um Vergebung gebeten
31.05.2022 MutschellenDie Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) feiert in der Christkönig-Kirche ihr 100-jähriges Bestehen
Den Sitz hat die Missionsgesellschaft Bethlehem in Immensee. In den 100 Jahren ihres Bestehens kamen vier Missionare aus Rudolfstetten, weshalb das Jubiläum jetzt auch hier gefeiert wurde. Der «letzte Überlebende» Ernst Wildi beeindruckte in seiner Festpredigt mit viel Selbstkritik.
Roger Wetli
«In den 100 Jahren unserer Missionsgesellschaft ist sehr viel Gutes und gar Heroisches geleistet worden. Ich möchte um des historischen Wahrheitswillens aber auch ehrliche Kritik üben. Denn es wurden auch Fehler gemacht», bedauerte Ernst Wildi. Er nahm dabei Bezug auf sein zuvor erzähltes Gleichnis, in dem Weizenkörner an verschiedenen Orten gelandet waren, aber nur auf einem fruchtbaren Acker wuchsen. «Wichtig ist, dass grosszügig gesät wird, egal wo. Und dass alle Gottes Wort erfahren», erklärte er.
Schlecht vorbereitet
Die Art aber, wie teilweise gesät wurde, kritisierte Wildi scharf, der selber 26 Jahre in Sambia als Missionar wirkte. «In der ersten Generation war das Missionsziel die Bekehrung von Heiden. Anhängern von anderen Religionen wurde mit der Hölle gedroht, wenn sie nicht getauft werden wollten. Aber auch hier in Rudolfstetten drohte man in den 1940er-Jahren noch mit der Hölle», erinnerte sich Ernst Wildi, der 1941 geboren wurde. In Afrika sei es aber nicht nur bei Drohungen geblieben. Unser Glaube sei dort aufgezwungen worden. «In Afrika wurde gefoltert und getötet. Ich bitte die betroffenen Volksgruppen um Vergebung.»
Von Guerillas tödlich verletzt
Viel besser sei es aber auch nicht mit der zweiten Missionsgeneration geworden. «Die Missionare wurden schlecht vorbereitet und nicht über die vor Ort üblichen Kulturen und Religionen informiert. Ihre Riten wurden gar lächerlich gemacht und ausgerottet. Auch dafür bitte ich um Verzeihung», zeigte sich Ernst Wildi erschüttert. In seiner Fürbitte bat er Gott, dass die Missionsgesellschaft die Zeichen der Zeit lesen und richtig handeln könne. Aus seiner Zeit in Sambia brachte er das prächtige Priestergewand mit, das er an der Jubiläumsfeier trug. Es wurde ihm zum Abschied von Afrika geschenkt. Und er beleuchtete als «letzter überlebender Missionar aus Rudolfstetten» das Wirken seiner Vorgänger. «Das ist schliesslich der Grund für die heutige Feier.» Pater Franz Brem (1914 bis 1988) von Friedlisberg sei zuerst nach China geschickt worden, von dort aber während der Revolution wieder nach Europa geflohen. «Einige seiner Kollegen wurden gefoltert und getötet», wusste Wildi. «In Rom empfing ihn der Papst als Held. Danach ging Franz Brem nach Amerika, um Missionsnachwuchs zu rekrutieren. Gestorben ist er in der Schweiz.»
Pater Kaspar Hürlimann (1919 bis 2007) sei aufgrund seiner anfälligen Gesundheit nie im Ausland tätig gewesen. «Er lehrte Studenten Religion und Philosophie. Gerade Letzteres hat er regelrecht zelebriert», weiss Wildi.
Einen tragischen Tod fand Pater Kilian Hüsser (1941 bis 1980). «Wir besuchten in Rudolfstetten die gleiche Klasse. Während des Krieges in Simbabwe lebte er dort und kritisierte dabei die Regierung heftig. Bei einer Aussprache mit Rebellen floh er, ihm wurde ins Knie geschossen und er wurde mit Bajonetten bearbeitet. Er starb im Spital an zu grossem Blutverlust.»
Mehr Offenheit gefordert
Trotz all dieser Tragik fühlt sich Ernst Wildi sehr stark mit der Missionsgesellschaft Bethlehem verbunden: «Ich identifiziere mich mit ihr seit 1956. Sie jetzt absterben zu sehen, tut weh.» Waren für sie einst bis 440 Missionare tätig, besteht die Gemeinschaft heute noch aus 45 Personen. Das Durchschnittsalter von 84 Jahren zieht Wildi mit Jahrgang 1941 nach unten. «Wir haben keine eigenen Projekte mehr. Ich sehe mit Wehmut zu», bedauerte er und ging auch gleich den Gründen nach, wieso kein Nachwuchs gefunden wird. «Die Latte mit der Einforderung des Zölibats ist viel zu hoch. Man hätte bereits früher reagieren müssen. Wieso werden Verheiratete, Frauen oder ‹LGBTI› (deutsch: Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell/Transgender und Intersexuell) ausgeschlossen?» Er forderte, dass die Menschenrechte in der katholischen Kirche ernst genommen werden. «Diese gelten für Frauen nicht. Sie können hierarchisch nicht aufsteigen. In einer idealen Kirche würde es keine Vorschriften geben. Das wäre mein Traum, der in diesem Jahrhundert aber nicht in Erfüllung gehen wird.»
Geld gesammelt
Organisiert wurde die 100-Jahr-Feier durch den «Freundschaftskreis SMB». Dieser existiert seit 2016. In Rudolfstetten wird aber bereits seit 15 Jahren an einem Stand am Weihnachtsmarkt für die Missionsgesellschaft Geld gesammelt. «Vor drei Wochen fand die grosse 100-Jahr-Feier in Immensee statt», erklärte Beatrice Koller vom Freundeskreis. «Unsere Feier in Rudolfstetten ist ein erster Pilot. Es sollen dieses Jahr noch weitere dezentral erfolgen.»
Ernst Wildi sorgte zum Schluss mit seinem Segen für ein versöhnliches Ende der Feier. «Es gibt in Sambia 62 Sprachen. Ich habe eine davon gelernt und in ihr auch gepredigt. Den Segen gebe ich euch nun als völkerverbindendes Symbol in dieser Sprache. Denn Gottes Wort ist Liebe und gegenseitiger Respekt.»
Verbindung schaffen
Der Missionsgesellschaft Bethlehem wurde am 30. Mai 1921 in Rom das päpstliche Dekret zur Errichtung des «Schweizerischen Seminars für auswärtige Missionen» ausgestellt. Gegründet wurde sie bereits 1895 in Meggen als «Ecole apostolique de Bethléem». Ein Jahr später zog sie ins nahe Immensee. Ihr Ziel war die Ausbildung der Söhne armer Familien für den missionarischen Dienst. Sie ist aktiv in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika.
Heute möchte sie ihre Tätigkeit mit der Entwicklungszusammenarbeit verbinden. Das Mutterhaus liegt nach wie vor in Immensee im Kanton Schwyz, wo aktuell eine für alle offenstehende Siedlung für gemeinschaftliches Wohnen realisiert wird. --red