Verstoss gegen Personalrecht

  01.12.2020 Einwohnerrat

Ungerechtfertigte Ferienauszahlungen für die Gemeindekanzlei sind die Regel: Rekordsumme für den Gemeindeschreiber

Die Auszahlung der Ferien ist nicht zulässig. Aber genau das ging im Wohler Gemeindehaus vor. Vor allem Gemeindeschreiber Christoph Weibel steht im Mittelpunkt der Kritik. Die FGPK kümmert sich jetzt darum. Gemeindeammann und Gemeindeschreiber schweigen dazu grösstenteils.

Daniel Marti

Diese Zahl wird in der Wohler Politik seit Wochen herumgeboten: 191 432 Franken. Das ist die Gesamtsumme, die Gemeindeschreiber Christoph Weibel im letzten Jahr bezogen hat. Dabei eingerechnet ist die Auszahlung der Ferien – darum stiegen die Gesamtbezüge auf über 190 000 Franken. Das grosse Aber: Das Auszahlen von Ferien ist gar nicht zulässig. Noch schlimmer: Die Ferienauszahlung hat System und wurde nun zum wiederholten Male so vorgenommen und vom Gemeinderat so genehmigt. Von einer Ausnahme, wie sie das Personalreglement vorsieht, kann keine Rede sein.

Auszahlung von Ferien nicht erlaubt

Wichtig in dieser Geschichte: Der Lohn von Gemeindeangestellten ist öffentlich, die Jahresrechnung der Gemeinde inklusive Lohnlisten kann eingesehen werden. Auch das Personalreglement der Gemeinde Wohlen ist öffentlich zugänglich. Und der Gemeindespitze, ob Gemeinderat oder Gemeindeschreiber, sollten die Reglemente bestens bekannt sein. Trotzdem wurden sie missachtet – in den letzten Jahren immer wieder.

Warum ist jetzt diese Sache aktuell? Die letztjährige Lohnsumme von Weibel ist sehr hoch. Sie liegt deutlich über der höchsten Summe, die auf der Gemeindeverwaltung in Wohlen verdient werden kann, und sie liegt über der Lohnsumme, die für Weibel gültig ist. Gemäss Gehaltsband des Personalreglements (wo auch das Alter berücksichtigt wird) gilt für den Gemeindeschreiber eine obere Grenze von knapp 170 000 Franken. Auch deshalb ist der Lohn von Weibel seit rund vier Monaten ein Thema in der Finanz- und Geschäftsprüfungskommission (FGPK).

Kommission nimmt die Sache sehr ernst

Diverse Personen der Kommission und des Einwohnerrates – Vertreter von SVP, FDP, CVP, SP, Grünliberalen – wissen Bescheid. Das FGPK-Präsidium um Peter Christen und Simon Sax stellte letzte Woche Gemeindeammann Arsène Perroud und Gemeindeschreiber Christoph Weibel zur Rede. Resultate sind ausstehend. Die Problemlösung auf die nächste FGPK-Sitzung vertagt. «Wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst, wir haben die Wichtigkeit erkannt», sagt FGPK-Präsident Peter Christen. Eine ausserordentliche Kommissionssitzung wird zeitnah stattfinden.

Dabei ist die Ausgangslage klar. Was beim Gemeindeschreiber bewilligt wurde, verstösst klar gegen das Personalrecht (siehe Kasten).

Automatismus und System ab 2015 erkennbar

Dieser Verstoss wiederholte sich in den letzten Jahren regelmässig. Ein Blick in die Rechnungen der Gemeinde Wohlen der letzten zehn Jahre zeigt, dass öfters Ferien an Personen der Gemeindekanzlei ausbezahlt wurden. Erstmals im Jahr 2012, dort wenigstens einigermassen gut begründet. Wegen des neuen Kindesund Erwachsenenschutzrechts wurden Ferien und Überstunden ausbezahlt. Ähnlich war es im Jahr 2014, da wird als guter Grund die Übergangsphase Erbschafts- und Bestattungswesen genannt. Ab 2015 wurden dann die Ferienauszahlungen für die Gemeindekanzlei in jeder Jahresrechnung aufgeführt. Bis ins Jahr 2019. Auszahlung aufgelaufener Ferienguthaben, so lautet der Standardsatz bei den Erläuterungen. Gründe wurden keine mehr genannt, nun, im Jahr 2019, wurde noch eine Schwangerschaft angeführt. Die Auszahlung von Ferien bei der Gemeindekanzlei war ab 2015 Standard. Ein Automatismus ist erkennbar.

Gemeindeammann will keine Angaben machen

Gewiss, der Einwohnerrat hat alle Rechnungen abgenommen. Aber das Personalrecht wurde trotzdem jedes Mal missachtet. Weil die Gesamtlohnsumme des Gemeindeschreibers hoch und über dem höchsten Gehaltsband liegt, ist die unerfreuliche Angelegenheit bekannt geworden. Wie oft Ferien an den Gemeindeschreiber ausbezahlt wurden, kann nicht eindeutig zurückverfolgt werden. Er selber oder der Gemeinderat wissen das. Aber sie schweigen dazu.

Dem Gemeinderat wurde die ganze Problematik dargelegt. Gemeindeammann Arsène Perroud sagt dazu: «Über die im Rahmen der Auflage der Gemeinderechnung dargestellten Angaben hinaus können aus Gründen des Datenschutzes und des Persönlichkeitsschutzes keine Angaben zu lohnrelevanten Vorkommnissen über Mitarbeitende der Gemeinde Wohlen gemacht werden. In Kenntnis der geltenden Bestimmungen erfolgte in keinem Zeitpunkt eine ungerechtfertigte Bereicherung durch Lohnbezüger der Gemeindeverwaltung. Eine solche wurde durch die Revisionsorgane im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit auch in keinem Zeitpunkt festgestellt.»

Weibel war mindestens dreimal involviert

Weitere Abklärungen haben ergeben, dass Weibel mindestens dreimal von nicht gestatteten Ferienauszahlungen profitiert hat. Es muss vermutet werden, dass dies noch öfter geschah. Im Jahr 2012, mehrmals zwischen 2015 und 2018 sowie 2019.

Erschwerend kommt folgende Begebenheit hinzu: In einem Gespräch mit der Redaktion dieser Zeitung betonte Christoph Weibel, dass er seit über zwei Jahren keine Ferien mehr bezogen habe … Das war zu Zeiten, als der damalige Vizeammann Paul Huwiler den Gemeinderat führte, also zwischen November 2015 bis Ende 2017.

Grundsätzliches: Auch Ferienauszahlungen werden mit Steuergeldern getätigt. Das sind Posten, die in keinem Budget vorkommen. Und werden Ferien ausbezahlt, werden Personalreglement und Personalrecht missachtet.

Vorbildfunktion nicht wahrgenommen

Weiter gilt es festzuhalten, dass Christoph Weibel als Gemeindeschreiber und Geschäftsleiter Vorbildcharakter hat. Diese Vorbildfunktion nimmt er bei persönlichen Ferienauszahlungen definitiv nicht wahr. Dieses Verhalten passt auch nicht in eine Zeit, wo die Gemeinde Wohlen Dutzende Millionen zu investieren gedenkt, der Gemeinderat den Steuerfuss nach oben korrigieren will und neue Gebühren einführen möchte. Auch zu diesen Umständen wollen der Gemeindeammann und der Gemeindeschreiber keine Stellung beziehen.

Letztlich könnte für Ferienauszahlungen noch die hohe Arbeitsbelastung irgendwie geltend gemacht werden. Aber die ständige Erhöhung des Stellenetats spricht gegen diese These: Anfang Jahr wurden neue Stellen bewilligt, nun sind weitere beantragt. Und die Gemeindekanzlei wurde zudem mit der Verwaltungsreform ab 2018 entlastet. So hat der Gemeindeschreiber mit der Verwaltungsreform für seine persönliche Entlastung eine neue Kommunikationsstelle erhalten. Kostenpunkt: jährlich über 100 000 Franken.


Klare Gesetzgebung

Das Personalreglement der Gemeinde Wohlen und das OR halten klare Regeln fest: Eine Auszahlung von Ferien während eines laufenden Anstellungsverhältnisses ist nicht zulässig. Im Personalreglement der Gemeinde Wohlen steht zudem, dass die Ferien bis am 31. März des folgenden Jahres bezogen werden müssen. Ferien können somit nicht ausbezahlt werden. Auch im gemeinderätlichen Bericht und Antrag zum aktuellen Personalreglement ist die Auszahlung von Ferien kein Thema. Und das kantonale Personalrecht hält fest, dass nicht bezogene Ferien nur bei Austritt entschädigt werden können.

Keine Geldleistungen

Und im OR steht klar: «Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden.» Eine Auszahlung von Ferien ist also nur bei Austritt möglich. --dm


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote