Viel mehr als nur ein Feuerzeug

  22.12.2020 Boswil

Seit 20 Jahren sammelt Rolf Gerster Zippo-Feuerzeuge

Seine grosse Leidenschaft ist das Sammeln von Vietnam-Zippo-Feuerzeugen. Mittlerweile sind im Keller von Rolf Gerster in Boswil einige hundert Exemplare fein säuberlich aufbewahrt zusammengekommen.

Susanne Schild

Vor fast genau 20 Jahren, im Herbst 2000, erstand der Boswiler Berufsoffizier sein erstes Vietnam-Zippo. «Wie es nicht anders zu erwarten war, handelte es sich dabei um eine Fälschung», erinnert er sich an die Anfänge seiner Sammelleidenschaft zurück. Leider hatte er erst Tage nach dem Tausch festgestellt, dass es sich nicht um ein Original handelte. «Das hat mich so geärgert, dass ich mich entschlossen habe, mehr über diese Feuerzeuge herauszufinden. Das besagte Feuerzeug gehört immer noch zu seiner Sammlung und ist trotzdem eine schöne Erinnerung daran, wie alles begann.

Über 95 Prozent sind Fälschungen

Inzwischen ist eine beachtliche Menge echter Vietnam-Zippo, Zippo aus dem Koreakrieg und dem Zweiten Weltkrieg dazugekommen. «Der Einstieg in die Welt der Vietnam-Zippo ist oftmals kein einfacher und sicherlich kein problemloser, wie man an mir sehen kann.»

Vietnam-Zippo können, sofern man nach ihnen sucht, sehr einfach gefunden werden. So werden sie in Massen unter anderem auch auf Internet-Verkaufs-Plattformen angeboten. «Üblicherweise sind mehr als 95 Prozent der angebotenen angeblichen Vietnam-Zippo Fälschungen. «Deshalb tut man sehr gut daran, sich intensiv zu informieren, bevor man der Verlockung folgend viel zu rasch ein Vietnam-Zippo ersteigert», betont Rolf Gerster.

Meistverkauftes Benzinfeuerzeuge der Welt

Ein Zippo ist ein benzinbetriebenes Sturmfeuerzeug, das in annähernd unveränderter Bauform seit 1933 von der 1932 gegründeten Zippo Manufacturing Co. in Bradford, Pennsylvania (USA), hergestellt wird. Das Zippo wurde bisher mehr als 600 Millionen Mal verkauft und ist damit das meistverkaufte Benzinfeuerzeug der Welt. Erfinder des Zippo ist George Grant Blaisdell. Blaisdell nahm das österreichische Feuerzeug der Marke Hurricane, das er bei einem Freund gesehen hatte, zum Vorbild, kaufte die Rechte und entwickelte das Zippo. Es sollte die gleiche Funktion haben, aber mit einer Hand zu bedienen sein. Der Name «Zippo» wurde von Blaisdell gewählt, weil ihm der Klang des englischen Wortes zipper («Reissverschluss») gefiel. Die ersten Zippo wurden 1933 zum Stückpreis von 1,95 US-Dollar verkauft.

Der Fingerabdruck eines Soldaten

Dabei sind für Rolf Gerster aber nicht nur die Feuerzeuge an sich von Interesse, sondern auch die Geschichten, die sie erzählen könnten. «Wir Berufssoldaten sind alle irgendwie gleich. Doch in diesem kleinen Feuerzeug findet sich oftmals die persönliche Geschichte eines Soldaten wieder.» Bei den amerikanischen Streitkräften in Vietnam waren diese Feuerzeuge der einzige individuelle privat beschaffte Teil der Ausrüstung, der nicht reglementiert wurde. «Das Zippo ist wie der Fingerabdruck eines Soldaten.» Über Snoopy-Motive bis hin zu pornografischen Darstellungen ist fast alles auf einem Zippo zu finden. «Bei lokalen vietnamesischen Graveuren gab es Kataloge, aus denen man ein Motiv wählen konnte. In wenigen Minuten erhielt dann das Zippo die ganz persönliche Note. Daneben wurde auch im Werk in Bradford industriell graviert und geätzt. Ganz speziell sind die Sturmfeuerzeuge, die selbst geritzt wurden. «Die Oberfläche des Feuerzeugs ist extrem hart. Da muss man schon mit schwerem Gerät dran, mit einem Bajonett oder etwas Ähnlichem», mutmasst Rolf Gerster. Man könnte dabei auch von der Fortsetzung der sogenannten Grabenkunst («Trench Art») aus dem Ersten Weltkrieg sprechen. Dabei sei es bei diesen «selbst verzierten» Zippo sehr schwierig einzuordnen, ob es sich dabei um ein Original oder eine Fälschung handle. Anders verhalte es sich bei den professionell gravierten. Selbst diese industriell hergestellten Motive werden mehr und mehr gefälscht. Anhand der Gravurstile können die Feuerzeuge einzelnen Standorten in Vietnam zugeordnet werden.

Ein ganz besonderes Sammlerstück

Mit dem Zippo von Chief Warrant Officer William D Watson verbindet Rolf Gerster eine ganz spezielle Geschichte. Watson flog als Helikopterilot sowohl in Vietnam als auch 35 Jahre später im Irak. Bei beiden Einsätzen trug er jeweils ein Zippo in seinem Pilotenoverall. Sein Vietnam-Zippo hat er 2002 über eine Auktionsplattform verkauft. «Er versprach mir, falls er unversehrt aus dem Irak zurückkehre, würde er mir auch dieses zweite Zippo schenken. Er überlebte und beide Zippo, jenes aus Vietnam und jenes aus dem Irak sind nun in meiner Sammlung in Boswil.»

Ein Zippo mit Einschussspuren

Auf die Frage, welches Zippo denn noch in seiner umfangreichen Sammlung fehle, antwortet Rolf Gerster: «Es gibt eine Zippo-Werbung aus dem Jahr 1966, in der damit geworben wird, dass ein Zippo sogar Leben retten kann. Ein Soldat hatte den Krieg überlebt, weil er das Sturmfeuerzeug in seiner Brusttasche hatte und daher das Projektil nicht in sein Herz gelangte, sondern am Zippo abprallte. So eines mit Einschussspuren fehlt mir noch.» Wegen dieser Erzählung würden Soldaten das Feuerzeug oftmals immer an der gleichen Stelle als Glücksbringer tragen. «Ein Zippo ist eben viel mehr als nur ein Sturmfeuerzeug. Wird man von seiner Faszination erfasst, so erschliesst sich einem durch die entsprechende Lektüre eine unbekannte, faszinierende und leider oftmals auch tragische Welt. Schliesslich stehen hinter den gravierten zuverlässigen Feuerzeugen immer Menschen und ihre Schicksale.

Mit einem Vietnam-Zippo hat man somit einen Teil der Geschichte im Taschenformat.»


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