Vom Allrounder zur Institution

  26.06.2020 Wohlen

Rolf Stadler ist seit 45 Jahren bei der Schule Wohlen: Lehrer, Rektor, Präsident der Schulleitungskonferenz

Das Schulzentrum Bünzmatt ist seine kleine Welt, seine Heimat, sein Wirkungsort. Hier ging Rolf Stadler zur Schule. Und im Bünzmatt erlebte er seine Schulkarriere. Vom Realschullehrer zum Chef der Schulleitungskonferenz. 45 Jahre lang. Beeindruckend, diese seltene Treue. Einmalig.

Daniel Marti

Es hat ihm immer gut gefallen. So einfach klingt die Erklärung von Rolf Stadler. Nie, wirklich nie, sei er in einen Alltagstrott verfallen. Und das während 45 Jahren Schule Wohlen. Welche Präsenz. Ein ganzes Berufsleben lang war Rolf Stadler für die Schule Wohlen, für die Kollegen, für die jungen Menschen da. Mit seiner Präsenz arbeitet er täglich am Image seiner Schule. Als Präsident der Schulleitungskonferenz geht er vorneweg, steht ein für Qualität, für intakte Infrastruktur, für den Fortschritt. Rolf Stadler, das ist eine Institution. Nicht nur wegen der langen Dauer seiner Tätigkeit. Sondern weil er viel Wissen und ebenso viel Menschlichkeit zu vereinen weiss.

«Öfters einen Neustart erlebt»

Und es sei vorweggenommen: Die Schule Wohlen darf noch ein ganzes Schuljahr von dieser Persönlichkeit profitieren. Erst dann geht er in den Ruhestand. Aber darüber mag er noch nicht gross philosophieren. Lieber sitzt er in seinem Bürostuhl im Bünzmatt III, kreuzt die Arme hinter dem Kopf, diskutiert, fachsimpelt und strebt Verbesserungen an. Er widmet sich seiner Schule.

Dann findet er doch einen Grund, warum er so lange an einem Arbeitsort geblieben ist: «Ich habe öfters einen Neustart erlebt.» Nicht nur mit der Einstellung als noch nicht ganz 20-Jähriger. Schulpf legepräsident Fritz Isler habe ihn eingestellt, blickt er zurück. Als Stellvertreter eines Reallehrers. Dann kam die Militärkarriere bis hin zum Oberstleutnant. Dann übernahm er eine Realklasse, eben wie ein Neustart. «Diese Herausforderung hatte ich gerne, denn ich konnte die Schülerinnen und Schüler auf die Berufswahl vorbereiten», erinnert er sich. 1990 wurde er Rektor im Bünzmatt II. Erst mit der Einführung der Schulleitungen reduzierte er die Lehrerfunktion. Seit dem Schuljahr 2007/2008 unterrichtet er keine Klasse mehr. Seit 2005 ist er Präsident der Schulleiterkonferenz.

Der Lehrerberuf ist ein anderer Job geworden

Viereinhalb Jahrzehnte mit etlichen Neustarts. Da ist der erste Schultag als Lehrer im April 1975 sehr weit weg. «Ich war aufgeregt und es war verdammt eng.» 34 Zweitklässler hatte er zu unterrichten, heute weist eine Klasse 20 bis 22 Jugendliche auf. Ein Vergleich zu heute? Unvorstellbar. «Es ist alles heterogener. Und der Lehrerberuf ist ein anderer Job geworden.» Früher zählten nur der Lehrer und seine Klasse. «Man organisierte und managte alles selber.» Da gab es keine Fachlehrer, keine Schulsozialarbeit. «Früher waren wir Allrounder, heute ist der Lehrer Koordinator und das Teamwork ist wichtig.»

Aber dies bedeutet für Stadler noch lange nicht, dass früher alles gut oder besser war. «Auch damals gab es Probleme.» Die jedoch zielgerichtet gelöst werden konnten. Heute verändert sich im Unternehmen Schule immer irgendetwas. «Es herrscht eine Hektik wie im Wirtschaftsleben.»

Bei all dieser Hektik hat Rolf Stadler mit der Schule Wohlen seine Insel gefunden. Ausgerechnet die Schule Wohlen mit ihren drei Zentren. Dieses System sei gut, fügt er gleich an. Vor allem die Durchmischung von Primarschule und Oberstufe schätzt er dabei. «Die ist für alle gut. Und es gibt auch keine Stigmatisierung. Zudem entwickelt jedes Zentrum seine Eigenheiten.»

Vielleicht doch ein viertes Schulzentrum?

Ob man allerdings noch lange von drei Schulzentren reden könne, dessen ist er sich nicht so sicher. «Irgendwann muss man abwägen, ob man tatsächlich die Schulhäuser nur ausbauen kann oder ob es doch ein viertes Schulzentrum braucht.» Das sei dann ein politischer Entscheid.

Womit das Verhältnis zwischen Schule und Politik angesprochen ist. «Das Verhältnis zwischen Gemeinderat und Schulpflege war auch schon angespannt», räumt Stadler ein, «aber momentan ist es auf einem guten Weg.» Und beklagen will er sich sowieso nicht. Die Schule Wohlen ist bei der Wohler Politik gut aufgehoben, findet er. «Wenn man die finanzielle Lage der Gemeinde betrachtet, dann sind wir doch recht gut aufgestellt.» Und viele Begehrlichkeiten werden von der Politik bewilligt.

Einzig bei der momentanen Schulraumbeschaffung hat es am Anfang extrem geharzt. Zumindest was das Tempo betrifft. Dass oft alles mehrfach infrage gestellt werde, das sei hinderlich, hält er mit Kritik nicht zurück. «Und oft wurde halt zu lange zugewartet.» Bei der Erweiterung des Junkholz-Schulhauses oder bei der HPS. Einzig dort, wo Rolf Stadler sein Büro hat, ging es rassig. Das Bünzmatt III ist gemeint. Im Vergleich zu anderen Schulbauten ging der Entstehungsprozess für dieses Schulhaus unüblich schnell. «Vieles hat mit der finanziellen Situation der Gemeinde zu tun. Auch darum ist man dann oft zu spät dran.» Hier nennt er das Schulzentrum Halde, die Kindergärten oder mittelfristig die anstehende Sanierung des Junkholz-Schulhauses.

Das Handy: eine Geisel als Chance

Ob Entwicklung oder Schulraumprobleme. Ob Frontalunterricht mit Wandtafel oder digitale Schulwelt. Rolf Stadler hat – zumindest gefühlt – so ziemlich alles erlebt an der Schule Wohlen. «Es braucht alles, Wandtafel und Tablet. Die Kinder müssen nur lernen, damit umzugehen», sagt er. Entscheidend sei sehr oft die Lehrkraft als Beziehungsperson. Bei all diesen Entwicklungen ist Rolf Stadler stets Diplomat. Negative Betrachtungen gibt er nicht preis – sei es bei der Wandtafel oder bei der Geschwindigkeit der digitalen Schulwelt. Vieles betrachtet er stets als Chance.

Deshalb noch ein Versuch: Wie hat das Handy die Schule verändert? «Das ist ein neues Hilfsmittel, dagegen darf man sich nicht sträuben.» Wie bitte, kein Störfaktor? Überhaupt nicht. Natürlich wäre er froh, wenn die Schüler das Handy auf dem Schulhausareal weniger bedienen würden. «Gewiss, das Handy ist auch eine Geisel, es macht alles hektischer. Aber wir müssen die Schüler befähigen, sinnvoll damit umgehen zu können. Beispielsweise für die Recherche.» Einschneidend für die Schule und das Freizeitverhalten der Jugendlichen ist dieses kleine Ding allemal. Verhindern kann man es nicht, aber Chancen kann man damit nutzen.

Der Primus inter pares

Als Präsident der Schulleitungskonferenz muss man eben auch mal über der Sache stehen. Und die nötige Distanz wahren. Darin hat Rolf Stadler Übung und Erfahrung. Nach der Einführung der Schulleitungen übernahm Markus Walther das Präsidium. 2005 folgte ihm Rolf Stadler – und ist immer noch am Ruder. Eigentlich war ein Turnus vorgesehen, ein Wechsel alle zwei oder vier Jahre geplant. «Jeder Schulleiter soll dort eingesetzt werden, wo er seine Stärken hat», so lautet der Leitfaden. Die Fähigkeiten sind entscheidend. Und Stadler ist in den letzten 15 Jahren als Präsident der Schulleitungskonferenz zur Institution geworden – auch dank seinen Fähigkeiten. «Dank diesem Modell konnte sich die Schule Wohlen gut entwickeln», bilanziert er. Selber sieht sich der 64-Jährige übrigens nicht als alleiniger Chef. Sondern als Primus inter pares, Erster unter Gleichen. «So können wir Schulleiter unsere Energie optimal einsetzen», ist er überzeugt.

Hier zählt das Gleiche wie beim Reallehrer oder Rektor – Stadler macht den Job des Präsidenten der Schulleitungskonferenz mit Leidenschaft und Hingabe. «Ich bin gerne in diesem Spannungsfeld tätig.» Manchmal müsse er den Spagat zwischen den verschiedenen Schulzentren machen. Auch diese Herausforderung meistert er gerne. Trotz vielen Veränderungen in der Welt der Schule lebt er eine gewisse Gelassenheit vor.

Mit dieser Einstellung wird er auch sein persönlich letztes Schuljahr in Angriff nehmen. Im Dezember wird er 65, dann macht er noch das Schuljahr fertig. «Ein spannendes Jahr», prophezeit er. Danach möchte er ein aufgeräumtes Pult hinterlassen, alles Wichtige erledigt haben. Langweilig wird es ihm dabei bestimmt nicht. Der Lehrplan 21 oder eine allfällige Abschaffung der Schulpflege sorgen für unmittelbare Spannungsfelder. «In kurzer Zeit drohen uns viele Anpassungen.» Erneut.

An die Pensionierung verschenkt er noch nicht viele Gedanken. Er sei gut strukturiert, er werde schon nicht in ein Loch fallen, versichert er. Sicher wird er dem Sport die Treue halten. Als langjähriger Trainer der Wohler Leichtathleten und deren Vizepräsident. Die Leichtathletik-Sportwelt hat für ihn fast den gleichen Stellenwert wie die Schule. Und das will etwas heissen. Vorbildliche Treue und viel Genugtuung.

Massgeschneidert und anspruchsvoll

Treue hat für ihn noch eine Bedeutung. Andererseits hatte die Schule Wohlen dem Schulleitungskonferenz-Präsidenten stets den richtigen Job bereit. «Die Schule Wohlen hat in vielen Bereichen einen massgeschneiderten Weg eingeschlagen. Sie ist ein vielseitiger Laden.» Dies macht seine Arbeit sehr anspruchsvoll. Aber Rolf Stadler mag das Besondere an diesem riesigen Unternehmen mit rund 2300 Schülerinnen und Schülern. Genau deshalb gab es für ihn nie Gründe, den Arbeitgeber zu wechseln.

Ein eigentliches Erfolgsrezept nennt Stadler nicht. Ab einem gewissen Alter müsse man sich genügend Auszeiten gönnen. Diese Freiheiten nimmt er sich, «da kann ich dann abschalten». Und Energie tanken, um dann wieder alles unter einen Hut zu bringen. Für ihn sei der Beruf nie ein Müssen gewesen, versichert die dienstälteste Kraft an der Schule Wohlen. «Ob Schule oder Sport. Das alles bereitet mir stets viel Spass. Für mich hat es immer gestimmt.» Rolf Stadler nimmt man das ab – über die gesamten 45 Jahre an der Schule Wohlen. Eine gefühlte Ewigkeit voller Zufriedenheit und Erfüllung. Bemerkenswert.


« Auch für Schwache stets eine Lösung bereit»

Drei Wegbegleiter – Schulpflegepräsident, Schulleiter, Lehrer – äussern sich zur Person Rolf Stadler

Während 45 Jahren hat Rolf Stadler manchen Kollegen und manche Kollegin kommen und gehen sehen. Etliche Schulleitungspersonen hat er erlebt. Nur, wie ist es umgekehrt? Wie sehen seine Wegbegleiter die Persönlichkeit Rolf Stadler? Bez-Schulleiter Paul Bitschnau, Schulpf legepräsident Franco Corsiglia und Lehrerkollege Dennis Andermatt geben Auskunft.

Wenn von Rolf Stadler die Rede sei, erklärt Schulpflegepräsident Franco Corsiglia, «ist immer klar, von wem gesprochen wird». Sei es in Sportkreisen, speziell beim STV. Sei es bei den Niedermatten oder eben im Bereich der Schule. Während 45 Jahren als Lehrer, Rektor und Schulleiter zeichnet er sich mit einer «sehr hohen Menschlichkeit und Integrität» aus. Und natürlich: Als Präsident der Schulleitungskonferenz ist er auch eine wichtige und starke Stütze des Schulpflegepräsidenten. «Die Arbeit mit ihm war und ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung und wertvoll.»

Laut Paul Bitschnau, Schulleiter der Bezirksschule, zeichnet sich Rolf Stadler dadurch aus, «dass er sich nie ins Zentrum stellt, sondern als Schulleiter und Schulleitungskonferenz-Präsident den Leuten um sich herum viel Verantwortung übergibt, damit sie sich entfalten und ihre Stärken einbringen können. So lebt er den Führungsgedanken der Schule Wohlen, dass alle Beteiligten professionell und eigenverantwortlich handeln müssen, persönlich vor.» Rolf Stadler sei ein hervorragender Organisator, ein unermüdlicher Arbeiter und unglaublich gut vernetzt – und zwar innerhalb der gesamten Schule Aargau. «Auch in hektischen und schwierigen Zeiten wie dem Lockdown bleibt er stets ruhig, handelt überlegt und lösungsorientiert», so Paul Bitschnau.

Dennis Andermatt ist Lehrerkollege und wie Stadler im Schulhaus Bünzmatt III tätig. Er sieht etliche Vorteile und Stärken in der Person von Rolf Stadler. Andermatt nennt seine Erfahrung sowie seinen direkten Draht ins kantonale Departement Bildung, Kultur und Sport. «Vor allem sein Gespür für schwierige Momente, sei es bei Schülern oder Lehrpersonen, ist bemerkenswert.» Nur schon die Erscheinung von Stadler («gross, stark, mit Durchsetzungsvermögen») imponiert Dennis Andermatt. Weiter: «Wenn manchmal alle Lehrpersonen am Rad drehen, dann kann Rolf Stadler mit weisen Worten die Richtung neu vorgeben.» Dass ihm viel an der Schule Wohlen liegt, ist fast schon logisch. «Als Präsident der Schulleitungskonferenz führt er mit Weitsicht. Vor allem für die schwachen und schwierigen Schüler hatte er immer eine Lösung parat und auch Verständnis für deren Situation.» Eben ein feines Gespür für das Gegenüber. --dm


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote