Vom Dach gestiegen

  05.01.2021 Wohlen

Dachdecker Joe Huwiler geht in Pension – eine 109-jährige Ära endet

Sein Grossvater, sein Vater und er: Alle tragen den Namen Josef Huwiler und alle waren Dachdecker. 1911 gründete sein Grossvater dieses Dachdeckergeschäft, das seit 1981 unter dem Namen «Huwiler Bedachungs AG» besteht. Jetzt wird der 66-Jährige pensioniert und eine grosse Familientradition endet. Joe Huwiler hat aber noch vieles vor im Leben.

Stefan Sprenger

Sturm Lothar fegt 1999 über das Land. «300 Telefonate gab es danach», erinnert sich Dachdecker Joe Huwiler. 2011 richtet ein Hagelgewitter grosse Schäden an. «Da haben mich 600 Anrufe erreicht», erzählt er. Danach war er dreieinhalb Jahre lang ausgebucht. «Da kam ich langsam an den Anschlag», meint Joe Huwiler, der heute darüber lächeln kann.

«Der Dachdecker liegt mir im Blut»

Ein halbes Jahrhundert lang war er Dachdecker. Der Betrieb wurde 1911 von seinem Grossvater gegründet und später von seinem Vater weitergeführt. Er übernahm 1979 (gemeinsam mit seinem Bruder Markus) den Betrieb. «Schon als kleiner Junge ging ich mit meinem Vater auf die Dächer. Der Dachdecker liegt mir im Blut», meint er. In all den Jahren blieb die «Huwiler Bedachungs AG» ein Kleinbetrieb, seit 1984 an der Lägernstrasse zu Hause. Zu Höchstzeiten waren acht Mitarbeiter angestellt und er bildete insgesamt sieben Lehrlinge aus. In den letzten Jahren beanspruchte Joe Huwiler gelegentlich die Mithilfe des eingemieteten Spenglereibetriebes. Meistens hat er die Arbeiten alleine erledigt. «Die Kunden zufriedenzustellen, war stets das Wichtigste», sagt Joe Huwiler. Und das hat er anscheinend, denn in all den Jahren musste er nicht eine Betreibung verschicken.

Die Huwiler Bedachungs AG bleibt als Firma wegen des Gebäudes an der Lägernstrasse (wo nun eine Spenglerund eine Sanitärfirma eingemietet sind) bestehen. Jedoch werden die Aktivitäten eingestellt. Joe Huwiler hat sich damit arrangiert, dass eine Dachdecker-Dynastie ihr Ende findet. «Heute trauert einer Dynastie niemand mehr nach.» Er habe nach einem Nachfolger gesucht, aber keinen gefunden. «Die Zeiten haben sich geändert», meint er dazu.

Meist 12 Jahre im Amt – und einmal gar 30

Wer Joe Huwiler kennt, der weiss, dass es ihm auch nach der Pensionierung keinesfalls langweilig wird. Mit seiner Frau Heidi ist er seit 1981 verheiratet und sie haben gemeinsam zwei Kinder: Sohn Simon und Tochter Sarah. Dazu hat Joe Huwiler einen immensen Wissensdurst und dadurch vielerlei Hobbys. Philatelie (Briefmarkenkunde), Ornithologie (Vogelkunde) und die Astronomie (Sternkunde) sind drei seiner Leidenschaften, die er auch mit seiner Frau teilt. «Ich bin eher häuslich, ich muss nicht umherreisen. Corona hat mich eigentlich gar nicht gross beeinflusst», sagt er cool.

Joe Huwiler war schon immer ein emsiger Typ, der sich eingebracht hat im Wohler Dorfleben. Mit seiner umgänglichen und aufgestellten Art gehört er zur Sorte Mensch, der man immer gerne begegnet. Früher war er zwölf Jahre in der Wohler Feuerwehr, zwölf Jahre im Einwohnerrat (als CVP-Mitglied), zwölf Jahre im Musikverein und spielte Es-Bass. Im Vorstand des Handwerker- und Gewerbevereins Wohlen (Hagewo) blieb er sogar ganze 30 Jahre.

«Danke, Heidi»

52 Jahre lang war er Dachdecker. Seine letzte grössere Arbeit war ein Doppel-Einfamilienhaus in Wohlen, das er mit 8000 Biberschwanzziegeln bedachte. Allein. Zwei Wochen benötigte er dafür. Was er an seinem Beruf sehr geschätzt hat: «Ich war immer an der frischen Luft, hatte einen abwechslungsreichen Job, durfte mit angenehmer Bauherrschaft zusammenarbeiten. Ich hatte in all den Jahren viele treue und zufriedene Kunden. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken.»

Ebenfalls ein riesiges Merci möchte er seiner Frau aussprechen, die in all den Jahren die Büroarbeiten der Firma erledigt hat. Und dass sie stets Rücksicht genommen hat auf ihn, seine Arbeit, seine Hobbys und seine Ämter. «Ohne sie wäre alles nicht möglich gewesen. Danke vielmals, Heidi.»

Joe Huwiler sammelte von alten Dächern auch handgemachte Biberschwanzziegel. Jeweils der letzte am Tag hergestellte Ziegel wurde vom Ziegler mit der Jahreszahl versehen oder sogar verziert, weshalb er «Feierabendziegel» genannt wurde. Den Grossteil davon hat er nun dem Ziegelei-Museum Hagendorn bei Cham geschenkt. «Damit diese für die Nachwelt erhalten bleiben.»

Kürzlich hat er seinen allerletzten Auftrag machen dürfen. Nun versorgt er den Hammer endgültig im Schrank. Und kümmert sich fortan um seine anderen Leidenschaften. «Ich habe nun neue Aufgaben und kann es ein wenig ruhiger angehen und mich anderen Tätigkeiten widmen», so Joe Huwiler, der in seiner ganzen Dachdecker-Karriere nicht einmal vom Dach gefallen ist.


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