Vom Geben und Nehmen

  31.07.2020 Wohlen

«Was ich schon immer schreiben wollte»: Gastbeitrag von Fabio Caduff

In dieser Sommerserie erhalten Persönlichkeiten aus der Region eine Carte blanche und schreiben über ein selbst gewähltes Thema. Heute Fabio Caduff, ehemaliger Olympiateilnehmer im Snowboarden.

Jacob-Isler-Areal in Wohlen, irgendwann im Herbst 2017: Wir sind eine bunte Truppe. Einige kennen sich besser, andere nur vom Sehen oder Hörensagen. Die Ideen und die Motivationsgründe sind so verschieden wie wir, das Ziel aber das gleiche: eine Zwischennutzung im Zentrum von Wohlen, im kleinen und schönen Rahmen. Den einen geht es um den Erhalt eines schönen Platzes im Grünen, andere möchten einfach mit Kolleginnen und Kollegen etwas auf die Beine stellen. Das Projekt «Sommerbar» war somit lanciert.

Die Umsetzung solcher Ideen sieht dann meist ähnlich aus, sei es im kleinen Rahmen wie bei uns oder auch bei grösseren Events wie Open Airs und Ausstellungen. Wünsche sprudeln, Entscheide werden getroffen, wieder verworfen, die Euphorie ist schier unbegrenzt. Wenn es dann um die Ausführung geht, gibt es auch verschiedene Schritte. Dies können bestimmt alle Personen bestätigen, welche schon mal etwas mitorganisiert haben. Schliesslich bedeutet es viele Stunden Arbeit auf freiwilliger Basis. Woher kommt dieser Antrieb? Und weshalb haben gewisse Leute das Bedürfnis, etwas «im Dienste der Allgemeinheit» zu tun? Der Lohn besteht ja bei solcher Arbeit nicht aus Geld, sondern im besten Fall aus Dank. Das sonst sehr zentrale Thema einer fairen Entlöhnung ist plötzlich egal, und dies macht diese Arbeit so spannend. Jede und jeder arbeitet in seinem Tempo, und niemand kann, darf und wird sich beschweren. Ein Schreiner hätte eine kleine Bar in einer Stunde aufgestellt. Wenn dies jedoch für einmal ein «Staubsaugerverkäufer» wie ich machen darf, kann er sich dafür auch einen Tag Zeit nehmen.

Es gibt eine wirkliche Befriedigung – mir persönlich geht es zumindest so. Die Arbeit wird nicht entlöhnt, nicht kritisch bewertet, oft nicht hinterfragt und das Resultat passt zum Projekt. Es ist ein Zusammenspiel von Geben und Nehmen, von Rücksicht, Einsicht, Nachsicht, Respekt und Toleranz. Dieses Verständnis ist auch während dem Betrieb gefragt. Zum einen bei allen Helfern, die es braucht, um es dann «durchzuziehen». Zum anderen gibt es immer auch Leute, für welche eine solche Bar nicht unbedingt nötig wäre. Auf deren Toleranz sind dann alle Gäste angewiesen, welche sich an vielen Abenden vergnügen dürfen. Gleichzeitig erwarte ich als Mitorganisator den Respekt unserer Gäste allen Anwohnern gegenüber, die sich vielleicht auch ein wenig gestört fühlen.

Ich versuche im Beruf wie auch im Privaten diese Toleranz zu leben: Einmal muss ich offen sein und mich allenfalls einschränken, beim nächsten Mal bin ich dann auf die Nachsicht von jemand anderem angewiesen. Gerade bei uns in der schönen Schweiz, wo wir uns oft mit Luxusproblemen konfrontiert sehen und manchmal das Schlechte sogar fast «suchen müssen», wäre mit ein wenig Rücksicht und Eingeständnissen für alle Beteiligten ein viel harmonischeres Miteinander möglich.

Fabio Caduff


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