Vom Patron zur realistischen Vision
12.06.2020 WohlenDie Notter-Gruppe feiert ihr 90-Jahr-Jubiläum und soll ein Familienunternehmen bleiben
Es ist eine erfolgreiche Familiengeschichte, die sich nun über neun Jahrzehnte hinzieht. Die Notter-Gruppe ist in der Region verankert, auch das ist ein Erfolgsrezept. Und so soll es auch bleiben, wünscht sich CEO Ralph Notter.
Daniel Marti
Wenn Ralph und Kurt Notter über ihren Grossvater sprechen, dann tun sie das sehr respektvoll. Mit Würde und auch mit Stolz. Denn Otto Notter senior legte vor 90 Jahren den Grundstein zur heutigen Notter-Gruppe. Und damit zu einer äusserst erfolgreichen Familiengeschichte. Was 1930 als Nebenbeschäftigung gestartete wurde, ist heute ein weitherum anerkanntes Unternehmen mit solidem Fundament. Notter steht für Vertrauen, für Kompetenz, für Qualität. Genau gemäss dem Motto: Bauen ist Vertrauen.
Die Notter-Gruppe steht aber auch für Wachstum und Expansion, für Fortschritt und Tradition. Das Wachstum darf auch mal moderat sein, jede Expansion ist stets gut überlegt. Und die Balance zwischen Fortschritt und Tradition war jeder Führungsgeneration wichtig.
Heute ist mit Ralph Notter die dritte Generation an der Spitze, dies seit sieben Jahren. Sein Cousin Kurt Notter ist offiziell in Pension, steht ihm aber als Verwaltungsrat immer noch mit Rat und Tat zur Seite.
Der «Bosmeler», Pöstler, Baumeister und Casino-Bauer
Zurück zu den Anfängen. Otto Notter senior baute 1930 am Bollmoosweg sein erstes Haus. «Er war ein typischer Händeler», erzählt Ralph Notter. Danach folgten in Wohlen ganze Quartiere mit seiner Handschrift. Aber eigentlich war der Notter-Firmengründer Pöstler. Und in Wohlen ein Fremder. Ein «Bosmeler». Er baute in seiner Freizeit und verteilte die Post beruflich. Bis ihm 1938 nahegelegt wurde: Baumeister oder Pöstler. Er entschied sich fürs Bauen – er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits rund 50 Angestellte.
Dann kam der Zweite Weltkrieg. Aktivdienst von 1939 bis 1945. Notter senior musste praktisch all seinen Besitz verkaufen, damit die Familie mit den fünf Söhnen und zwei Töchtern die Kriegszeit einigermassen überstand. 1945 lancierte er sein Baugeschäft von Neuem und stellte rund 20 Personen des Mitarbeiterstamms wieder ein. Und 1949 gelang ihm das erste markante Werk: Der Bau des Hotels und Restaurants Bären samt Casino. «Er war Operetten-Liebhaber und wollte unbedingt mit dem Casino Operetten nach Wohlen holen», so Kurt Notter.
In den 50ern folgte ein Sohn nach dem anderen in die Firma. Und 1972 erfolgte die Übernahme durch die fünf Söhne, die zweite Generation stand von da an in der Verantwortung. «Unser Grossvater nahm lange Einfluss auf das Firmengeschehen», sagt Kurt Notter, «er war eben ein echter Patron.»
Die fünf Brüder der zweiten Generation trieben das Unternehmen voran. Es wurden in der gesamten Firmengeschichte Betriebe in Stetten, Waltenschwil, Villmergen, Aarau, Rohr bei Aarau, Bremgarten und Zürich übernommen. «Diese fünf, unsere Väter und Onkel, haben die Firma Notter zu einem starken Unternehmen gemacht», sagen Kurt und Ralph Notter.
Der grosse Druck war in den Krisen spürbar
In den 60ern bis 80ern des letzten Jahrhunderts wurde der Expansionskurs vorangetrieben. Zu Spitzenzeiten zählte die Baufirma bis zu 550 Angestellte, viele waren italienische Gastarbeiter. Dann folgte die Ölkrise (1973), dann die Mechanisierung. Und die Zahl der Angestellten wurde im Vergleich zu den Spitzenzeiten geradezu halbiert. «Die Ölkrise war ein grosser Einschnitt», erzählt Ralph Notter. «Da habe ich den Druck, der auf meinem Vater lastete, förmlich gespürt», ergänzt Kurt Notter. «Da ging es darum, die Firma am Leben zu erhalten.»
Aber das Unternehmen Notter hat alle bisherigen Krisen gemeistert. Auch die Immobilienkrise in den 90ern sei eine «schlimme Zeit» gewesen, so Kurt Notter, «zwei Brüder der zweiten Generation stiegen aus und gleichzeitig wurde der Wechsel von der zweiten zur dritten Generation eingeläutet. Das war herausfordernd.»
Man habe eben «von einem Hoch zum anderen auch immer wieder Krisen bewältigt», bilanziert Ralph Notter. Es gelang immer besser, das Unternehmen breiter abzustützen. Im Jahr 2005 folgte die Übernahme durch die dritte Familiengeneration, durch Peter, Ralph und Kurt. Wobei Peter Notter im Jahr 2013 ausstieg. Danach sind Kurt Notter und Ralph Notter die Eckpfeiler in der Führung geblieben. Ebenfalls im Jahr 2013 wurde Ralph Notter zum alleinigen Geschäftsführer.
Käppeli-Übernahme: Grosser und nachhaltiger Deal
Die jüngere Firmengeschichte ist ebenso spannend wie die Anfangszeit. 2007 folgte die eher überraschende Übernahme des örtlichen Konkurrenten. Käppeli, Notter, Holenweger, das war die Hierarchie im Dorf Wohlen. Zumindest gefühlt. Und dann griff Notter den Käppelis, die keine Nachfolge hatten, unter die Arme. «Man hat einander stets respektiert und geschätzt, aber man hat gespürt, dass wir Konkurrenten sind», blickt Kurt Notter zurück.
Beide Firmenkulturen f lossen schnell ineinander. «Beides waren und sind Familienunternehmen, die haben eine ähnliche Sprache und denken gleich.» Praktisch alle Arbeitsplätze konnten so erhalten bleiben. «Und strategisch war diese Übernahme sehr wichtig», so Ralph Notter, «wir waren bis dahin in den Bereichen Hochbau und Baustoffe sehr dominant.» Nun kam viel Kompetenz beim Tief- und Strassenbau dazu. Die Übernahme der Firma Käppeli sei in der Nachbetrachtung gemeinsam mit dem Aufbau des Bereichs Baustoffe der strategisch wichtigste Entscheid in der Firmenchronik gewesen, sagt Ralph Notter.
Heute ist die Konkurrenzsituation eine ganz andere. Überregionale Bauunternehmungen sind ähnlich strukturiert wie die Notter-Gruppe. Die Konkurrenz ist omnipräsent, und man steckt mitten im täglichen Wettbewerb. «Man begegnet sich distanziert und mit viel Respekt.» Wobei sich eben die Ausgangslage verändert hat. In Hochkonjunkturphasen dauerte die hundertprozentige Auslastung ein halbes Jahr. Nun sind es maximal drei Monate.
Lokale Verankerung und hohe Glaubwürdigkeit
Die Käppeli-Übernahme ist für die Notters eines der Highlights der 90-jährigen Firmengeschichte. Sie gehört in die gleiche Kategorie wie der Bau des Kies- und Betonwerkes Otto Notter AG in Stetten (1959) sowie das Belagswerk in Villmergen, das 2017 von Bundesrat Johann Schneider-Ammann eingeweiht wurde.
Highlights seien aber auch die gelungenen und frühzeitig eingeleiteten Nachfolgeregelungen, fügen beide an. «Das war stets ein Prozess und ist letztlich auch ein Erfolgsgeheimnis unserer Firma», betont Kurt Notter.
Gegenwärtig zählt das Unternehmen rund 220 Angestellte in den fünf Bereichen Hochbau, Tiefbau, Umbau, Immobilien und Baustoffe. Die Notter-Gruppe kann praktisch bei jedem Bauwerk sämtliche Dienstleistungen selber anbieten und realisieren. CEO Ralph Notter ist überzeugt davon, dass die jahrzehntelange lokale Verankerung zu einer hohen Glaubwürdigkeit beiträgt, diese aber mit jeder Arbeit immer wieder neu verdient werden muss. Und weiter: «Wir arbeiten an langfristigen Zielen und streben kein ständiges Wachstum an.» Es müsse nicht immer alles wachstumsorientiert sein, auch Konsolidierungsphasen seien wichtig.
Aussichten und Aussiedlung
Aus der Position der Stärke kann heute die Notter-Gruppe in die Zukunft schauen. Wobei Prognosen nicht ganz so einfach sind. Der Ausblick beim Tiefbau fällt laut Ralph Notter sehr gut aus. «Die Infrastruktur wird extrem gebraucht.» Darum sei er beim Tiefbau optimistisch. Beim Hochbau zeichnet sich dagegen sowohl bei den Gewerberäumen wie auch bei den Wohnliegenschaften ein Überangebot ab, «das macht Sorgen. Und im Bereich Umbau fehlen aktuell die grösseren Projekte, dies ist jedoch aus unserer Sicht Corona-bedingt.»
Für das Unternehmen sei die Aussiedlung des Werkhofes vom Aesch ins Quartier Seewadel sehr wichtig für die Zukunft und den Fortbestand des Unternehmens. Die ursprünglich eingezonte Fläche reicht bei der heutigen Firmengrösse bei Weitem nicht mehr aus. «Ohne zusätzliche Flächen im Seewadel sind wir nicht in der Lage, den Werkhof komplett aus dem Aesch-Areal auszusiedeln.»
Selbstverständlich hat der jetzige Firmenboss auch andere Ziele und Philosophien, die er verfolgt. Als er im Jahr 2013 als CEO eingestiegen ist, war für ihn klar: «Ich will etwas bewegen.» Was die Väter ihren Söhnen übergeben haben, müsse weitergehen. «Wir wollen jeden Tag beweisen, dass wir im hart umkämpften Wettbewerb bestehen können», so Ralph Notter.
Und sein Vater (Otto Notter junior) habe ihn nie gezwungen, in die Firma einzusteigen, «aber eine Erwartungshaltung war da», erklärt Kurt Notter, der seinem Sohn sämtliche Entfaltungsfreiheiten überlässt.
Eine Vision fürs 100-Jährige
Ralph Notter hat eine konkrete Vision. Er will das Unternehmen in fünf eigenständige und dynamische Geschäftseinheiten sowie in eine vierte Notter-Generation führen. Er bindet seinen Sohn in gewisse Entscheidungen bereits heute mit ein – obwohl dieser gar noch nicht in der Firma arbeitet, aber grosses Interesse am Unternehmen zeigt. Er hat es von seinem Vater Bruno gelernt, frühzeitig an den Generationenwechsel zu denken. Aus Erfahrung weiss er jedoch, dass Nachfolgeregelungen nicht einseitig bestimmt werden können – sie können nicht erzwungen werden. «Es braucht immer jemanden, der nebst dem Willen, das Unternehmen weiterzuführen, auch die entsprechenden Fähigkeiten mitbringt.»
Ralph Notter, 55-jährig, hat deshalb keinen klaren Plan, sondern eine Vision: Im Jahr 2030 will er das 100-Jahr-Jubiläum der Notter-Gruppe feiern und gleichzeitig das Zepter an die vierte Generation übergeben. «Ich werde dann 65-jährig – das ist doch eine schöne und auch realistische Vision.»