Vom Topskorer zum Weltmeister

  21.08.2020 Fussball

Der Wohler Kickbox-Weltmeister Rocco Cipriano war einst ein begnadeter Fussballer

Mit 16 Jahren kam Rocco Cipriano gemeinsam mit Ciriaco Sforza in die erste Mannschaft des FC Wohlen. Später spielte er noch für Bremgarten und Hägglingen. Ein Autounfall beendete aber seine Fussballkarriere.

Wenn Rocco Cipriano heute an einem Fussballplatz vorbeigeht, dann hat er ein besonderes Gefühl. «Der Fussball lässt mich nie mehr los. Ich durfte so viele prägende Momente erleben», so der heute 52-Jährige.

Cipriano lebt die ersten Jahre seines Lebens in Italien. Ab der 3. Klasse ist er in Wohlen zu Hause und besucht die Mittelund Oberstufe im Junkholzschulhaus. «Wir haben jede freie Minute mit Fussballspielen verbracht», erzählt er. Durch Freunde fand er dann zum FC Wohlen. Von den D- bis zu den A-Junioren kickte er in der Paul-Walser-Stiftung. «Eine wunderbare Zeit. Und sehr erfolgreich.» Bei den B-Junioren hiess der Trainer Reto Salm. Und die Mannschaft spielt die Gegner an die Wand. Stürmer Rocco Cipriano wird Torschützenkönig. Wohlen steigt in die B-Interklasse auf. «Auch dort spielten wir vorne mit.» Die Kehrseite der erfolgreichen Medaille: Viele Spieler wurden zu anderen Vereinen abgeworben. Cipriano blieb und wurde mit 16 Jahren – gemeinsam mit dem späteren Starspieler Ciriaco Sforza – in die erste Mannschaft geholt. Trainer war Zvezdan Cebinac, ein früherer Profifussballer. «Ich war ängstlich, konnte mich nicht mehr entfalten», erinnert sich Cipriano. Damals hätte ihm mentales Training gutgetan. Etwas, was er heute mit seinen Kickboxjunioren intensiv ausübt. «Ich fühlte mich nicht mehr wohl und musste gehen.» Cipriano wechselt zum FC Bremgarten, dort empfängt ihn erneut Reto Salm bei den A-Inter-Junioren. «Und ich war wieder selbsicherer.»

Er schafft den Sprung in die erste Mannschaft des FC Bremgarten. Ausgerechnet in seinem ersten Spiel geht es gegen den FC Wohlen. Wir schreiben das Jahr 1987. Eine Viertelstunde vor Spielende liegt der FC Wohlen mit 2:0 in Führung. Cipriano wird eingewechselt. FCW-Trainer Cebinac ruft rein: «Unterschätzt ihn nicht.» Cipriano sieht, dass FCW-Goalie Georges Mack zu weit vor seinem Kasten steht und überlupft ihn. Tor. 2:1. Dabei bleibt es.

Ein Unfall verändert alles

Das Leben von Rocco Cipriano erfährt dann einen Schicksalsschlag. Auf dem Nachhauseweg vom Training in Bremgarten hat er einen Frontalcrash. Unverschuldet. «Die Feuerwehr musste mich und meine zwei Kumpels im Auto rausschneiden. Meine Knie und mein Brustkorb waren stark verletzt. Und die Ärzte sagten, mit Sport ist es nun vorbei für mich.» Es folgte eine lange Leidenszeit. Monatelang ging Cipriano an Krücken. An Fussball war nicht mehr zu denken. Ein Kollege nahm ihn mal ins Boxtraining mit. «Und das gefiel mir.» Die Verletzungen verheilten, Cipriano konnte immer besser und schmerzfreier trainieren. «Ein Leben ohne Sport wäre unvorstellbar gewesen.» Sein innerer Antrieb ist riesig. Als Quereinsteiger wird er zu einem Kickbox-Talent. Und als er immer fitter wird, steigt Cipriano wieder ein ins Fussballtraining. Erst beim FC Hägglingen, später bei Juventina Wettingen. Er spielt Fussball und macht gleichzeitig Kickboxen. Irgendwann war dies zu viel. 2001 beendet er seine Fussballkarriere. «Es war nicht mehr das Gleiche wie vor dem Unfall», so der frühere Offensivspieler Cipriano.

Unbezahlbare Erinnerungen

Wie wir heute wissen, war es die richtige Entscheidung. Cipriano wird eine Kickbox-Legende, holt sich mehrmals den Weltmeistertitel. Er führt schon seit vielen Jahren erfolgreich ein Dojo in Wohlen und unterrichtet Kinder und Jugendliche in Sport und lässt dabei auch den Anstandsregeln viel Platz. «Der Fussball hat mir unbezahlbare Erinnerungen und Freundschaften geschenkt. Das Kickboxen hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Beide Sportarten waren auf ihre Art und Weise prägend», so Cipriano. Rückblickend kann er sagen: «Alles im Leben hat seinen Grund». Ohne den Autounfall wäre er vielleicht im Fussball weit gekommen. «Wer weiss.»

Heute spielt er noch ab und zu Fussball mit seinen Arbeitskollegen. Er ist engagiert als Kickbox-Trainer und bejubelt die Erfolge seiner Schützlinge. Beispielsweise seines Sohnes Roy, der 2018 den Junioren-Weltmeistertitel holte. Selten ist er noch in den Niedermatten anzutreffen und schaut sich ein Spiel an. «Der Fussball wird mich nie mehr loslassen, auch wenn das Leben andere Pläne mit mir hatte.» --spr


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