Wasserzufluss zu gering

  08.12.2020 Fischbach-Göslikon

Das «Mösli» verliert Wasser und liegt über zwei Grundwasserseen

«Das Fischbacher Mösli läuft aus» hiess die Schlagzeile, doch sie greift zu kurz. Auch das «Mösli»-Wasser, das in den darunter liegenden Grundwassersee ausfliesst, ist faktisch nicht zu halten. Die letzten drei Trockenjahre setzen dem Gewässer einfach stark zu.

Hans Rechsteiner

Das Fischbacher Mösli ist ein seltenes Hochmoor von nationaler Bedeutung in der Moränenlandschaft am westlichen Rand des Reusstals. Es stellt den Rest einer ursprünglich grösseren Moorlandschaft dar und geniesst deshalb grössten Schutz. Es gibt im Aargau neben diesem zirka 0,3 Hektar grossen Schutzgebiet nur noch das ebenso geschützte «Taumoos» in der Rüti auf dem Gemeindegebiet von Niederrohrdorf. Das Naturschutzgebiet Fischbacher Moos umfasst insgesamt 7,8 Hektaren. Der See und das umliegende Feuchtgebiet sind ein wertvolles Biotop für Amphibien, Kleingetier und Vögel.

Es ist ein Toteissee aus der letzten Eiszeit. Eis vom Gletscher wurde überdeckt von Geschiebe. Jahrhunderte später erst ist es geschmolzen. Eine Mulde mit Wasser entstand, erste Pflanzen sind gewachsen. Weil kein Abfluss stattfand, wie in Mooren üblich, sind Hochmoore gewachsen, Blätter und Laub verdichteten sich – man geht von einem Millimeter pro Jahr aus, davon kann man heute Jahresringe abmessen. Torf ist gewachsen über Jahrhunderte und ein feuchtes Wunder der Natur.

Und dann wurde Torf abgebaut

Während des Zweiten Weltkrieges war es eine Notwendigkeit, Heizmaterial zu gewinnen, in der ganzen Schweiz. Im Gebiet Fischbacher Mösli war es ein Vorfahr des heutigen Schredders Wiederkehr von Waltenschwil, ein beeindruckend wackerer Mann, dem die Fischbacher Ortsbürger, denen das «Mösli» auch heute noch gehört, die Abbaurechte verkauften. Es wurden mit langen Torfstechgabeln Ziegel gestochen, die Schulkinder und die Frauen haben die 10 mal 10 Zentimeter messenden Ziegel zu Kreuzbeigen gestapelt. An der Sonne und im Wind getrocknet, im Winter verfeuert.

Erst da entstand das «Mösli». Auf alten Flugaufnahmen aus der Zeit ist es eine einfache Rietfläche. Damals wurde auf der Ostseite, um Torf abzustechen, eine Ablaufröhre eingebaut. Man musste eine trockene Abbautiefe erreichen.

Wassertiefstand seit zwanzig Jahren

Schon vor gut zwanzig Jahren habe man Wassertiefstände am «Mösli» festgestellt, sagt der frühere Gemeindeammann Walter Stierli. «Im südlichen Teil des «Mösli», wo noch Moor ist, gibt es Faulbäume, die nur wachsen, wenn der Wasserstand im See tief ist», sagt er. Das habe man damals erkannt. Man wollte, in Zusammenarbeit mit der Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau, den Auslauf anheben. Im Auftrag des Kantons wurden Röhren eingeschlagen und Sondierschlitze abgeteuft. Und man fragte sich: «Wo geht das Wasser hin?» Vermutet wurden durchlässige kieshaltige Böden im Untergrund der Ostseite des «Mösli»-Gewässers. Man überlegte sich, Lehmriegel einzubauen.

Doch dann kamen regenreiche Jahre. Der Wasserstand sank nur leicht unter den Ablauf. Man legte die Massnahmen auf Eis.

Trockene Jahre

Gräbt man heute im Wald – irgendwo – mit einer Schaufel, ist das Erdreich überall «furztrocken». Das macht jedem Förster grösste Sorgen. Im Fall des Fischbacher Mösli bleibt das Hangwasser aus dem oben liegenden Bremgarter Wald gänzlich aus. Die Bäume brauchen das Wasser selber – und leiden. Bergdruckwasser – unterirdisch – bleibt auch aus. Die Jahre 2018/19/20 waren sehr trocken. Allein in Fischbach-Göslikon fehlt Niederschlag von bis 900 Millimeter pro Jahr. Das langjährige Mittel wären 1,20 Meter, höchst waren es 1,70 Meter. Dieses Wasser fehlt der Natur und dem Wald gewaltig – und noch über viele Jahre. Dass der heutige Gemeindeammann, Hans Peter Flückiger, einwirft, in Locarno seien gemäss «Meteo Schweiz» im ganzen November 2020 nur zwei Millimeter Regen gefallen, tröstet ja nicht.

Dass «Mösli»-Wasser ins Grundwasser absickere, glauben die Gemeindeammänner nicht. Walter Stierli kann das belegen. «Bei den Trinkwasserproben würde das sofort bemerkt, wenn problematisches Wasser aus dem ‹Mösli›-See ins Grundwasser käme. Das ‹Mösli› war nun über 10 000 Jahre dicht, wieso sollte es jetzt plötzlich rinnen?»

Tatsächlich steht der Moos-Wasserstand auf 400,1 Meter über Meer, der Grundwasserstand ist 393 bis 388 Meter über Meer. Das Pumpwerk Karrenwald steht auf 415 Meter über Meer. Vor Jahren teufte man Bohrungen ab und stellte fest, dass da tiefer unten zwei Grundwasserseen übereinander sind – eine einzigartige Konstellation. Die Bohrungen gingen auf über 60 Meter bis auf den Grund tiefer der Reuss hinab. Zuoberst war eine Überdeckung mit Erde, dann kamen wasserführende Schichten von 7 bis 8 Meter hervor, darunter eine fünf Meter mächtige dichte Lehmschicht, nochmals darunter aber ein mindestens 40 Meter tiefer zweiter Grundwassersee – eine geologische Sensation. Daraus schöpfen die Gemeinden Niederwil-Fischbach (Karrenwald), Bremgar ten-Waltenschwil-Kallern (in der Hintere Mulde) ihr Wasser.

Zwei Entscheidungen

Und es erschliessen und erklären sich für Fischbach-Göslikon zwei Entscheidungen der Behörden: Man kann keine Erdverkabelung einer Hochspannungsleitung durch dieses lebenswichtige, unbedingt schützenswerte Grundwasserschutzvorkommen führen – schon von Gesetzes wegen nicht – und muss zur Versorgungssicherheit an der Ringleitung von 23 Gemeinden «Wasser 2035» unbedingt teilnehmen. Die Gemeinden Niederwil und Fischbach-Göslikon haben bisher keinerlei Notwasserversorgung. Dazu sind sich der alte und der aktuelle Gemeindeammann von Fischbach-Göslikon absolut einig.


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