Wie eine grosse WG

  29.05.2020

Die Familie Ursprung plant in Benzenschwil ein einzigartiges Mehrgenerationenhaus

Wenn die Kinder ausgeflogen sind, bleiben viele Zimmer im Einfamilienhaus leer. So geht es in der Schweiz vielen älteren Menschen. «Das ist nicht unser Weg», finden Barbara und Markus Ursprung. Sie bauen ihr Haus in ein Mehrgenerationenhaus mit Platz für über zehn Leute um.

Annemarie Keusch

Von einem Schnellschuss zu sprechen, wäre komplett falsch. Seit zehn Jahren sind Barbara und Markus Ursprung daran, sich mit alternativen Wohnformen auseinanderzusetzen. Dass das ein Bedürfnis ist, darin bestätigen sie Immobilienexperten. «Diese sagen, dass es ein unterschätzter Wunsch sei, mit Nachbarn verschiedener Generationen, aber selbstbestimmt, zusammenzuleben», sagt Markus Ursprung. Sie haben viele Ideen gesammelt, vieles abgeklärt, sich über vieles informiert. Nun haben sie ein bewilligtes Bauprojekt, im August startet die Realisierung mit dem Spatenstich.

Die Familie Ursprung lebt seit 35 Jahren in Benzenschwil. Drei Kinder gehören zur Familie, zwei wohnen noch zu Hause und starten mit den Eltern in das Abenteuer Mehrgenerationenhaus. «Sie sind genauso begeistert wie wir», sagt Barbara Ursprung. Aus dem grosszügigen Einfamilienhaus mit Einlegerwohnung wird ein Haus mit 15 Zimmern, zwei Küchen, einer Stube. «Es soll eine grosse WG werden», sind sich die beiden einig.

Objekt schwierig zu definieren

Als Auslöser für die Idee nennen die Ursprungs die Tatsache, dass viele Nachbarn und auch ihre Eltern alleine in grossen Einfamilienhäusern leben. Und auch sie befanden sich auf diesem Weg. So vereinsamen ältere Leute und auch die körperliche Arbeit, die das Bestreiten eines Haushalts, oft noch mit Garten, schwierig macht, kommt hinzu. «Wird all das auf mehreren Schultern verteilt, wird es einfacher.»

Ältere Leute, aber auch junge Paare, junge Familien – die Ursprungs wollen, dass in ihrem Mehrgenerationenhaus möglichst Leute allen Alters leben. Gemeinsam kochen, gemeinsam spielen, gemeinsam die Zeit im Garten geniessen, aber sich auch in die eigenen vier Wände zurückziehen können – so sieht es das Konzept vor. Entsprechend können die Ursprungs ihr geplantes Projekt nur schlecht definieren. «Es können drei Fünf-Zimmer-Wohnungen sein, aber auch fünf Drei-Zimmer-Wohnungen», sagt Markus Ursprung. 15 Zimmer stehen zur Verfügung. Wer wie viele davon mieten will, entscheiden die Mieter selber.

Wer gerne kocht, der kocht

Nicht nur die alternative Wohnform suchten die Ursprungs, sie wollen mit ihrem Projekt auch etwas gegen den grossen Energieverbrauch machen. In diesem Bereich kennen sich Markus und Barbara Ursprung aus. Sie waren Mitglieder der Solargenossenschaft Muri, die heute Optima Solar Freiamt heisst. Das Dach und alle vier Seiten ihres Mehrgenerationenhauses werden mit Solarzellen ausgestattet. Hinzu kommt ein Wassertank für 100 000 Liter Wasser, der die Sonnenenergie im Sommer speichert, um sie im Winter zum Heizen zu nutzen. Der Neubau wird mit hundert Prozent Schweizer Holz realisiert. Zudem ist das Haus behindertengerecht und rollstuhlgängig

Das Ganze planen Markus und Barbara Ursprung als Verein. Wer im Mehrgenerationenhaus lebt, wird Mitglied und kann mitbestimmen. Der Verein mietet das ganze Haus, entscheidet, was dort passiert. «Natürlich ist Toleranz wichtig», sagt Barbara Ursprung. Rücksicht ist gefragt und Kompromissfähigkeit, sei es bei der Gartengestaltung, beim Einrichten des Wohnzimmers, beim Kochen. «Wir stellen es uns so vor, dass Arbeiten für die Allgemeinheit nach Fähigkeiten verteilt werden», sagt Barbara Ursprung. Wer gerne gärtnert, der gärtnert. Wer gerne kocht, der kocht. Wer gerne putzt, der putzt – und so weiter.

Erste Interessenten gibt es

Barbara und Markus Ursprung hoffen, dass ihre Wohnform auf Interesse stösst. «Wir sind noch im Alter, wo wir solche Projekte noch mutig anreissen», sagt Barbara Ursprung schmunzelnd. Aber natürlich hoffen sie, dass das Projekt für sie eine langfristige Wohnlösung ist. «So bleiben wir flexibler, umgeben von jungen und älteren Menschen, und können unsere Neugierde möglichst lange behalten», ergänzt Markus Ursprung. Erste Interessenten haben sich gemeldet; weitere, die gerne in einer Wohngemeinschaft leben, sind willkommen.

Mehr Infos: www.synergieplus.ch.


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