Wie verrückt muss man sein ?
22.07.2025 Wohlen, AutoDie Brüder Peter gehen an das Pothole Rodeo vom 3. bis 9. August
«Rechne mit allem – ausser mit Urlaub»: Die schlechtesten Strassen, rund 12 Stunden täglich mit einem Witz von einem Auto unterwegs, und das während sieben ...
Die Brüder Peter gehen an das Pothole Rodeo vom 3. bis 9. August
«Rechne mit allem – ausser mit Urlaub»: Die schlechtesten Strassen, rund 12 Stunden täglich mit einem Witz von einem Auto unterwegs, und das während sieben Tagen. Das ist das Pothole Rodeo Baltic. Und mittendrin die Brüder Stefan, Beat und Thomas Peter und ihr 32-jähriger VW Polo.
Monica Rast
Wenn andere sich am Abend gemütlich vor den Fernseher fläzen, surft Stefan Bisculm-Peter gerne im Internet. Und manchmal stösst er dabei auf ziemlich verrückte Sachen wie Videos vom Pothole Rodeo. «Wir drei Brüder machen alle Jahre etwas Gemeinsames rund um Autos und Motoren», erzählt der 59-Jährige schmunzelnd. Sie waren in ihrer Jugend so richtige «Töfflibuebe» und haben viel an den Mofas «umegschrüüblet».
Obwohl alle inzwischen zu den «alten Hasen» gehören, kam es, wie es kommen musste – er fragte seine Brüder Beat und Thomas, was sie dazu meinten. «Wir drei Brudis auf engstem Raum», meint er lachend. Natürlich sind sie dabei, obwohl Thomas, mit 52 Jahren der Jüngste, ein wenig Zuspruch brauchte. «Wir sind eine Familie und ziehen das jetzt durch», meint Stefan. Und Thomas ergänzt: «Der Zusammenhalt ist etwas, was ich an unserer Familie lässig finde. Und einer muss ja auf die zwei aufpassen.»
Doch das Sagen hat Stefan. «Meine Meinung gilt, ich bin der Älteste, der Jüngste machts und der Mittlere ist der Obermotzi», erklärt er augenzwinkernd. Obwohl es die Brüder an unterschiedliche Orte verschlug – Stefan lebt in Dintikon, Beat in Eglisau und Thomas in Wohlen – sind sie füreinander da. Auch die Berufe haben nicht mit Motoren zu tun. Stefan ist Sozialarbeiter, Beat Chemiker und Thomas Heilpädagoge. «Wir sind selbstständig, haben immer eine Lösung und können auch gut ohne die anderen sein. Machen aber jeden Spass mit, wenns drauf ankommt», erklärt Thomas.
Wenn Strassen zur Herausforderung werden
Das Pothole Rodeo ist eine Herausforderung, die Mut, Teamwork und Liebe zum Abenteuer erfordert. Die Fahrzeuge sind so aussergewöhnlich wie die Tour und ihrer Teilnehmer.
Möglichst ungeeignet lautet die Ansage der Organisatoren: weil mit PSstarken 4x4-Wohnzimmern auf Rädern wäre es kein Abenteuer. Die Fahrzeuge werden in drei Kategorien aufgeteilt: 50-KW-Kisten (rund 68 PS), Autos mit über 500 000 Kilometern auf dem Tacho und Shit Boxes, die weniger als 1000 Franken gekostet haben.
Die Brüder haben sich entschieden, in der kleinsten Kategorie mitzufahren. Ihre Wahl fiel auf einen 32-jährigen VW Polo mit 195 000 Kilometern und gerade Mal 50 PS. Hinzu kommt, dass das Auto noch ein Dreitürer ist. Nicht, dass es an der Auswahl gefehlt hätte. Es gab schon welche, die grösser waren und sogar eine Klimaanlage gehabt hätten. Doch der 58-jährige Beat wollte den Polo unbedingt. So wird in der Garage in Schwamendingen, wo die Familie Peter einst eine Garage führte, ein wenig herumgeschraubt. «Hinten das Fenster öffnen: gibt es nicht. Aber wenigstens kann die Klimaanlage nicht kaputtgehen», lacht Stefan über den eigenen Witz. «Keine Ahnung, wie wir die Reise überleben, so ohne Klimaanlage und Servolenkung», sinniert Thomas, «meine Knie schreien jetzt schon.» Gewechselt wird wohl im Turnus, obwohl der Älteste der Kleinste ist. «Wenn der, der hinten sitzt, zu viel jammert, gibt es einen Fahrerwechsel», meint Stefan Bisculm diplomatisch.
Kleines Auto, grosse Zulast
Laut Führerschein ist der Polo 780 Kilogramm schwer und darf offiziell 450 Kilogramm zuladen. Was natürlich ein Vorteil ist. «Das ist so gestört», meint Stefan kopfschüttelnd. «Wir sind definitiv nicht überladen, aber ‹bumsvoll›.» So wurde ein zu grosser Dachträger an den Polo angepasst und das Teil, welches zu lang war, als stabile Ablage im Kofferraum montiert. Das Reserverad kommt mit dem Klappstuhl von Stefan (der um jeden Preis mitmuss, genauso wie die Massagepistole), einem Tisch, Zelt, Benzinkanister und eventuell noch einem Grill aufs Dach. Die entstandene Mulde im Kofferraum wird mit Werkzeugen gefüllt. Inklusive Kupplung. «Die ist jetzt schon ziemlich abgenutzt», meint Stefan. «Und vielen Spannsets», fügt Thomas trocken hinzu. Auf seine Frage nach der Grösse der Tasche für Kleider meint Stefan nur: «Die Handtasche vom Schatz reicht völlig.» Einziger Luxus: eine Kompressorkühlbox. «Fleisch und Bier müssen kühl sein», sind sich alle einig.
Dann wird probegeladen und wenns passt, bleibt der Polo bis zur Abfahrt am 1. August so stehen. «Dann zünden wir unser Raketli Richtung Polen», freut sich Stefan jetzt schon wie ein kleiner Junge. «Das wird geil. Wir werden uns ab und zu anbellen und am Abend zusammen ein Bier trinken.»
Reise ins Ungewisse mit herausfordernden Challenges
Der Treffpunkt ist am 2. August in Polen. Da wird auch der eigentliche Startort bekannt gegeben. Mit Roadbook ausgerüstet geht es am nächsten Morgen auf die kleinste noch erlaubte Strecke ohne Teer Richtung Litauen, Lettland, Estland und zurück. 2500 Kilometer endlose Schotterpisten.
Die Fahrer können zwischen unterschiedlichen Routen wählen. Bei diesem Rodeo geht es nicht um die schnellste Zeit, sondern um das Abenteuer. Bei den Checkpoints kommen alle immer wieder zusammen, um Geschichten oder Ersatzteile auszutauschen. «Es kann sein, dass sich mitten in der Pampa einen Stau bildet, weil ein Fahrzeug auf der schmalen Strasse eine Panne hat und man nicht umkehren kann», erzählt Stefan, «Einheimische warten schon mit Traktoren, um gegen Bezahlung behilflich zu sein, wenn man von der Strasse abkommt.»
«Mich nimmt es wunder, wie es ist, wenn alle Teilnehmer gleichzeitig einen Einkaufsladen stürmen», fragt sich Thomas lachend. Auf jeden Fall wird es das reinste Abenteuer werden und einiges von den Brüdern abverlangen.
Um das Spannungslevel hochzuhalten, kommen verschiedene Challenges hinzu. Diese geben Wertungspunkte und verschaffen unvergessliche Abenteuer. So mussten schon Teilnehmer einen Einheimischen mit Esel finden und diesen vor das Fahrzeug einspannen. «Zum Glück habe ich ja in der Not noch zwei Brüder», lacht Stefan Bisculm. Er nennt das Lachen ein Lebenselixier und kann es kaum erwarten, dass es losgeht. Obwohl, auf die leichte Schulter nehmen die drei Brüder das Abenteuer nicht. «Wir haben schon Respekt vor dem Ganzen.»