Wieder Knatsch um Giampà

  01.07.2022 Fussball

FC Wohlen: Der Wechsel von Davide Giampà zum FC Baden sorgt für Frust und Enttäuschung

«Er hat uns hängen lassen», sagt FC-Wohlen-Vereinspräsident Mike von Wyl. Und VR-Präsident André Richner spricht von einer «menschlichen Enttäuschung». Der Wechsel von Davide Giampà zum FC Baden sorgt für Unmut beim FC Wohlen. Und es ist der nächste Nackenschlag an der Transferfront.

Stefan Sprenger

Am Montag zum Trainingsauftakt kommt Davide Giampà ins Training auf die Niedermatten. Er trainiert ganz normal mit, zu seinen Mitspielern sagt er kein Wort, dass er sich bereits einen Tag zuvor für einen Wechsel zum FC Baden entschieden hat. «Diese Art, da fehlen mir die Worte», sagt Vereinspräsident Mike von Wyl. Giampà erhielt Tage zuvor den Vertrag, «doch er hat sich nicht mehr gemeldet. Er wollte wohl Zeit schinden», vermutet von Wyl.

Giampà enttäuscht – und auch der FC Wohlen

FC-Wohlen-Verwaltungsratspräsident André Richner spricht von einer «herben Enttäuschung». Einerseits auf menschlicher Ebene. «Er hätte ein Zeichen setzen können. Wir haben viel für ihn getan. Er hat viel für uns getan. Und jetzt das. Es ist frustrierend», so Richner. Er sieht aber auch eine Mitschuld an diesem neuerlichen Nackenschlag in dieser Transferzeit. Nach dem Abgang von Topskorer Luiyi Lugo, der nach eigenen Angaben viel zu lange auf einen Vertrag warten musste, und der Vertragsauflösung von Abwehrtalent Nicolas Künzli ist dies der dritte Abgang mit Nachgeschmack. Zudem verliert der FC Wohlen jetzt den gesamten Sturm. Luigi Milicaj (12 Saisontore) geht zu Kosova, Luiyi Lugo (21) geht zu Cham und Giampà (7) zu Baden. Das sind 40 Saisontore (von total 58). Heftig.

«Enttäuschend ist auch unser Vorgehen», sagt Richner. Man habe viel zu lange gewartet, den Spielern neue Verträge zu unterbreiten. Vor den Aufstiegsspielen wurde im Vorstand demokratisch entschieden, dass man abwartet, bis man weiss, in welcher Liga man spielt. «Diese Taktik ging total in die Hose. Jetzt wird uns das nicht mehr passieren.»

Zurück zu Giampà: Die Beziehung zwischen Davide Giampà und dem FC Wohlen ist irgendetwas zwischen Liebe und Enttäuschung. 2013 kommt er erstmals zum FC Wohlen in die Challenge League. 2017 geht Giampà zu Cham – und kehrt 2019 zurück.

Schon 2020 gab es einen Abgang  mit Nebengeräuschen

Nach nur einem Jahr kommt es – ebenfalls in der Transferzeit – zu schrägen Vorfällen und zum Abgang mit Nebengeräuschen. Giampà wechselt vom FC Wohlen zu YF Juventus. Der Offensivspieler meinte damals: «Es fehlte die klare Kommunikation von beiden Seiten. Ich wollte eigentlich gar nicht weg.» Hintergrund seien finanzielle Forderungen gewesen, die für den Verein zu hoch waren. Adrian Meyer, damals Sportchef beim FC Wohlen, sagte: «Giampà hat sich verzockt.» Als Davide Giampà im Sommer 2021 auf die Niedermatten zurückkehrt, hat man diese Geschichte begraben. Man hatte sich wieder lieb. Wohlen brauchte Giampà, «und ich brauche den FC Wohlen», sagt der Stürmer damals. Denn bei YF Juventus wurde er nicht happy. Er habe den Verein sehr vermisst. «Das Stadion, die Menschen, die Ambitionen, die Mitspieler, den Spass, die familiäre Atmosphäre, die Wertschätzung, die Junioren, die zu einem hochblicken. Das alles hat mir enorm gefehlt», erklärte er damals – und war superhappy, wieder bei «seinem» FC Wohlen in der Niedermatten zu spielen.

Jetzt scheint die Beziehung zwischen dem Offensivspieler und dem FC Wohlen erneut zerrüttet zu sein. «Dass er eine Liga höher zum FC Baden wechselt, ist aus sportlicher Sicht nachvollziehbar. Wie der Wechsel zustande kam und wie sich Giampà in den letzten Wochen verhalten hat, das ist einfach nur eine Enttäuschung», so von Wyl.

«Er hätte Charakter beweisen können»

Der Fussball scheint auch in der Amateurliga ein Business zu sein, wo Loyalität und Vereinstreue nicht gerade grossgeschrieben werden. Giampà, der über 100 Spiele für Wohlen machte, «hätte Charakter beweisen können. Er hätte beweisen können, dass der FC Wohlen ihm wichtig ist», so Richner. Doch das hat er nicht und sich für einen Wechsel entschieden.

Wie es anders geht, zeigt das Beispiel von Captain Alban Pnishi. Er kriegte einige Anfragen von Mannschaften aus höheren Ligen. Doch für den Bremgarter kommt ein Wechsel nicht infrage. «Ich habe mich klar zum FC Wohlen positioniert. Und ich ziehe das durch und stehe zu meinem Wort.» Giampà sagt in den vergangenen Wochen immer wieder, dass er «grundsätzlich bleiben möchte», aber noch Gespräche abwarten möchte. Oder wartete er nur, bis ein besseres Angebot aus einer höheren Liga kommt?


Aktuelles Kader

13 Spieler sind weg. Die Torhüter Luca Thaler (?) und Loïc Jacot (?) verlassen den FC Wohlen genauso wie Luiyi Lugo, Nicolas Künzli, Esat Balaj (alle zum SC Cham), Gianluca Calbucci, Thomas Schiavano, Stiljan Gegaj und Luigi Milicaj (alle zu Kosova), Dario Stadler (Höngg), Nikola Bozic (Rücktritt), Vilson Doda (?) und neu auch Davide Giampà (FC Baden). Ebenfalls weg sind Co-Trainer Rade Petkovic (Ägeri) und Goalie-Trainer Dragan Dunjic (?). Neuzugänge sind erst zwei bekannt: Lulzim Aliu (Kosova Zürich) und Leotrim Nitaj (Zug) stossen zum FC Wohlen. In dieser Woche waren einige Testspieler dabei, ebenso beim Blitzturnier des FC Baden morgen Samstag. Der FC Wohlen spielt im Stadion Esp gegen Baden um 13.45 Uhr, gegen Aarau (14.30 Uhr) und gegen Wettingen (16 Uhr). «Bei einigen Spielern sieht es gut aus mit einer Verpflichtung», sagt Sportchef Marko Muslin. Daneben gibt es mehrere Spieler der zweiten Mannschaft, die aktuell mit der ersten Mannschaft mittrainieren. --spr


NACHGEFRAGT

«So ist Fussball»

108 Spiele machte er für den FC Wohlen. Für keinen Verein spielte Davide Giampà häufiger. Als er letzte Saison zurückkehrte, betonte er immer wieder, wie sehr es ihm gefällt in den Niedermatten. Nun verlässt der 29-jährige Stürmer den FC Wohlen in einer schwierigen Situation. Er nimmt Stellung.

Sie wechseln zu Baden. Wieso?

Davide Giampà: Ausschlaggebend sind meine sportlichen Ambitionen. Ich habe gemerkt, dass der FC Baden Grosses vorhat und nicht nur in der Promotion League mitspielen will. Beim FC Baden bleibt praktisch das ganze Team seit längerer Zeit zusammen, das zeugt von guter Arbeit, einer eingespielten Mannschaft und Wertschätzung, so etwas suche ich.

Sie sagten immer wieder, dass der FC Wohlen Ihnen am Herzen liegt. Und nun wechseln Sie, anstatt sich zum Verein zu bekennen. Wieso?

Der FC Wohlen passt mir sehr. Wir waren letzte Saison eine Einheit. Deshalb wollte ich auch bleiben. Das habe ich im Winter und im Frühling so mitgeteilt. Aber der FCW wurde nie konkret. Vonseiten der Spieler und des Staffs gab es viele Fragezeichen – auch heute noch. Und so ist es auch legitim, wenn man sich als Spieler umschaut und Gespräche mit anderen Vereinen führt. Ich persönlich bin dann erschrocken, dass nach so einer starken Saison so viele Spieler den FCW verlassen. Man hat es verpasst, die wichtigsten Spieler an den Verein zu binden.

Sie sind am Montag ins Training, obwohl Sie schon wussten, dass Sie zu Baden wechseln. Sie haben es Ihren Mitspielern auch nicht mitgeteilt.

Im Nachhinein wäre es cleverer gewesen, klarer zu kommunizieren. Aber: Ich habe einen Vertrag bis zum 30. Juni und diesen wollte ich auch erfüllen.

Die Verantwortlichen sind enttäuscht über Ihren Wechsel. Können Sie das nachvollziehen?

Hauptgrund für den Wechsel nach Baden sind die sportlichen Ambitionen. Aber ich hatte Respekt davor, es mitzuteilen, weil es dann heisst, «Giampà verlässt das sinkende Schiff». Aber es sind einige Leistungsträger gegangen. So ist Fussball. Für Wohlen ist mein Abgang ein Verlust. Deshalb kann ich die Reaktionen verstehen. Ich hoffe, dass auch der FCW Farbe bekennt und wir gehen im Guten auseinander. --spr


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