«Wir sind keine Trittbrettfahrer»
08.08.2023 Geltwil, Region Oberfreiamt«Auf ein Mineral mit ...» Felix Enzler, Gemeindeammann von Geltwil
Seit 2013 ist er Teil des Gemeinderates, seit fünfeinhalb Jahren Gemeindeammann. Für Felix Enzler ist Geltwil Heimat. Das Dorf, das mit 50Prozent den tiefsten Steuerfuss des ganzen ...
«Auf ein Mineral mit ...» Felix Enzler, Gemeindeammann von Geltwil
Seit 2013 ist er Teil des Gemeinderates, seit fünfeinhalb Jahren Gemeindeammann. Für Felix Enzler ist Geltwil Heimat. Das Dorf, das mit 50Prozent den tiefsten Steuerfuss des ganzen Kantons hat und gleichzeitig das kleinste Dorf im Freiamt ist. «Früher oder später müssen alle ein Amt übernehmen», sagt der 38-Jährige.
Annemarie Keusch
Ist es einfacher, Gemeindeammann von Geltwil zu sein als von anderen Gemeinden?
Felix Enzler: Ich nehme an, Sie meinen wegen der finanziellen Lage. Ja, es macht es einfacher, wenn die Gemeinde finanziell gut dasteht. Das Geld würde ich aber nicht an erster Stelle gewichten. Viel mehr sehe ich es als Vorteil, dass in kleinen Gemeinden, wie wir es sind, die Wege kurz sind. Man kennt sich, kann so Herausforderungen besser miteinander lösen. Zudem sind in kleinen Gemeinden die Infrastrukturkosten tiefer, gerade bei uns, seit wir beispielsweise keine Schule mehr im Dorf haben. Die Grundfixkosten sind tief. Wir haben beispielsweise kein Bauamt, wenige öffentliche Bauten. Das macht einiges aus.
Infrastruktur nutzt die Geltwiler Bevölkerung in Nachbarsgemeinden. Ist die Gemeinde ein Trittbrettfahrer?
Das würde ich so nicht sagen. Die Philosophie von Bund und Kanton sieht vor, dass sich die Entwicklung auf Zentrumsgemeinden konzentriert. Das heisst, dass diese in gewissen Bereichen auch bevorzugt werden, gerade was die bauliche Entwicklung anbelangt. Bei uns ist vieles nicht möglich, etwa Industrie. So haben alle ihre Vor- und Nachteile. Kommt hinzu, dass wir auch unseren Beitrag leisten, etwa beim Finanzausgleich. Rund einen Drittel der Steuereinnahmen zahlen wir dafür.
Als Gemeindeammann von Geltwil werden Sie oft auf den tiefen Steuerfuss angesprochen werden. Nervt das?
Nein. Ich kenne schlichtweg nichts anderes. Seit ich im Amt bin, sind wir in der glücklichen Lage des tiefen Steuerfusses. Natürlich gibt es den einen oder anderen Spruch deswegen, gerade von Politikern anderer Gemeinden. Aber trotzdem, auch wir haben Herausforderungen zu meistern. Die Revision der Bau- und Nutzungsordnung läuft, wobei der Handlungsspielraum in einer kleinen Gemeinde relativ klein ist. Die Sanierung der Dorfstrasse ist im Abschluss. Zudem wird das Wasser wieder zum Thema, dort stehen Investitionen an. Also ähnliche Herausforderungen wie in anderen Gemeinden.
Sie sprechen den Handlungsspielraum an. Ist dieser in kleinen Gemeinden generell kleiner?
Wahrscheinlich schon. Auch weil wir in vielen Bereichen anderen Gemeinden angeschlossen sind und unsere Stimme schon auch Gewicht hat, aber weniger. Wir schwimmen oft mit dem Strom mit, aber für uns stimmt diese Lösung. Und natürlich bringen wir uns auch in solchen Gemeindeverbänden ein. Denn kleine Gemeinden haben manchmal andere Ansichten, beispielsweise beim Thema Polizei. Hier in Geltwil haben wir quasi keine Einsätze, zahlen aber trotzdem. Das gehört dazu und ist gut so.
Wie schwierig ist es, die Leute, die nach Geltwil ziehen, zum Mitmachen zu motivieren? Kommen viele nicht nur wegen des tiefen Steuerfusses?
Da spielt die Grösse der Gemeinde eine sekundäre Rolle. In vielen Dörfern mangelt es an Leuten, die sich engagieren, gerade auch in Bezug auf Neuzuzügerinnen und Neuzuzüger. Bei uns ist es im Gegenteil so, dass alle wissen, dass in einer solch kleinen Gemeinde alle irgendwann einen Beitrag leisten dürfen. Es braucht in kleinen Gemeinden schlicht alle. Kommt hinzu, dass der grösste Teil der baulichen Entwicklung des Dorfes passierte, bevor der Steuerfuss massiv sank. Heisst, damals konnte das noch kein Argument sein und mittlerweile sind wir in Sachen bauliche Entwicklung praktisch am Ende angelangt. Die Leute identifizieren sich nicht mit unserem Steuerfuss, sondern mit unserer Gemeinde – mit allen Vor- und Nachteilen.
Welche Nachteile?
Wir haben Anschluss an den öffentlichen Verkehr und ein Restaurant – sonst fast nichts. Für vieles muss man in andere Dörfer gehen. Viele Familien brauchen beispielsweise zwei Autos.
Sie sprechen es an: Es braucht alle. Wie wichtig ist diese Bereitschaft für die Zukunft von Geltwil?
Solange sich genug Leute engagieren, haben kleine Dörfer eine Daseinsberechtigung. Wenn niemand ein Amt übernehmen will, dann macht es keinen Sinn mehr. Aber das ist aktuell für uns überhaupt kein Thema. Und ich bin zuversichtlich, dass dies auch so bleiben wird in Zukunft. Zudem glaube ich, dass eine Fusion für uns nicht günstiger werden würde. Nur schon, was den Steuerfuss betrifft, aber natürlich nicht nur. Auf jeden Fall sind wir ganz glücklich als eigenständige Gemeinde und es macht Spass, an deren Spitze zu stehen, in Kontakt mit der Bevölkerung Lösungen zu suchen. Ich bin jetzt in der zweiten Legislatur als Gemeindeammann und kann mir eine dritte gut vorstellen.