«Wir werden alle älter»
18.06.2024 BremgartenLebendige Gemeindeversammlung bringt auch das Thema Alterswohnungen aufs Tapet
An der Sommer-«Gmeind» in Bremgarten wurden viele Themenfelder diskutiert, die gar nicht auf der Traktandenliste gestanden hatten. Eines davon: das Thema Alterswohnungen. Der Stadtrat ...
Lebendige Gemeindeversammlung bringt auch das Thema Alterswohnungen aufs Tapet
An der Sommer-«Gmeind» in Bremgarten wurden viele Themenfelder diskutiert, die gar nicht auf der Traktandenliste gestanden hatten. Eines davon: das Thema Alterswohnungen. Der Stadtrat fasste dabei einen Auftrag.
Marco Huwyler
Nein, so was lässt ein Tschösy Meier natürlich nicht auf sich sitzen. Vom Votum von Stefan Birchmeier fühlte sich das Städtli-Original geradezu herausgefordert. Rückblick: Ein paar Tage zuvor hatte Birchmeier an der Ortsbürger-«Gmeind» als dort abtretendes Fiko-Mitglied seine Mitbürger in die Pflicht genommen. Nach einer lauen Versammlung hatte er die fehlenden Bürger-Voten moniert (vgl. Berichterstattung vom 7. Juni). Und fehlenden «Pfupf» wollte sich Meier offensichtlich kein weiteres Mal mehr vorwerfen lassen müssen. «Auch wenn Birchmeier damit wohl kaum mich gemeint haben dürfte», wie er unter Lachern ergänzte – ein Verweis auf seine schier unzähligen «Gmeind»-Voten in den vergangenen Jahren.
Nur zum Spass und des Prinzips wegen war Tschösy Meier an dieser Einwohnergemeindeversammlung (EGV) aber auch nicht aufgestanden. Den 71-Jährigen treibt das Thema Alterswohnungen um. Ein Thema, das vom Stadtrat nach Meinung Meiers stiefmütterlich behandelt wird. «Bereits 2010, also vor 14 Jahren, habe ich den Stadtrat an selber Stelle gebeten, sich des Themas anzunehmen.» Passiert sei in dieser Zeit trotz Nachhaken in folgenden Jahren wenig. Bremgarten fehle es nach wie vor an einer Altersstrategie und verfügbarem Wohnraum für Betreuungsbedürftige. «Deshalb frage ich mich langsam – habt ihr auch daran gedacht, dass wir alle älter werden?»
Bärenmatt-Strategiewechsel ändert Lage
Meiers Votum führt unter den 142 gekommenen Stimmberechtigten und dem Stadtrat zu einer lebhaften Diskussion. Stadtammann Raymond Tellenbach bekräftigt, dass man sich sehr wohl mit dem Thema auseinandergesetzt habe. «Doch Betreuungseinrichtungen brauchen verfügbare, grosse Flächen im Zentrum – und die gibts nun mal quasi gar nicht in Bremgarten.» Die Diskussion werde auch gemeindeübergreifend geführt – beispielsweise beim Repla-Verband. Hinzu komme, dass sich die Situation jüngst verändert habe. «Bis im Herbst waren im Bärenmatt-Neubauprojekt bekanntlich Alterswohnungen vorgesehen. Die Planänderung zugunsten von mehr Pflegebetten hat auch uns überrascht.» Ressortleiter Dani Sommerhalder ergänzte anschliessend, dass man als Reaktion im März eine Taskforce gebildet habe. «Mit einer Analyse basierend auf einer Umfrage bilden wir eine Arbeitsgruppe, die auch von der Pro Senectute begleitet wird.» In Zukunft werde man also vom Thema noch viel hören.
Meiers Votum zeigte bereits jetzt, dass in der Tat Gesprächsbedarf herrscht – und dass sich viele gerne diesbezüglich einbringen. Die Diskussion brachte auch abenteuerliche Ideen aufs Tapet – wie etwa jene, dass man sich bei einem Casino-Neubau überlegen könnte, ob man dieses Projekt mit Alterswohnungen verbindet.
Vorbildliche Diskussionskultur
Auch abgesehen vom Thema Alter war in der zweiten Hälfte der EGV viel Partizipation in der Versammlung. So wurden etwa auch die Themen Waldheim-Veloweg und Stromleitungen (vgl. Artikel unten) lebhaft diskutiert. Dies, nachdem es zuvor lange so ausgesehen hatte, als würde die EGV nahtlos an diejenige der Ortsbürger anknüpfen. Denn die eigentlich traktandierten Geschäfte wurden überaus zügig abgehandelt. Gleich fünf Kreditabrechnungen hat der Souverän ohne viel Federlesen durchgewinkt. Obschon dazu auch die Abrechnung des defizitären Leuefäschts gehörte, das die Menschen gemeinhin emotional zu bewegen pflegte (klares Mehr zu fünf Gegenstimmen). Auch die Rechnung 2023 mit ihrem nach wie vor rätselhaften Steuerloch auf Einnahmenseite wurde ohne grössere neue Erkenntnisse und Nachfragen abgehakt (zwei Gegenstimmen).
Unter «Verschiedenes» aber zeigte sich das politische Bremgarten von seiner besten Seite. Nicht nur brachten sich viele ein – die Voten waren auch stets konstruktiv und respektvoll. Fragen und Auskünfte gleichermassen kompetent. Und die aufgeflammten Themen wurden letztlich so abgehandelt, dass ein Konsens entstand, mit dem alle leben konnten.
Altersstrategie Teil vom Budget 2025
Tschösy Meiers Alterswohnungs-Antrag gipfelte schlussendlich nach einigem Hin und Her in einer Abstimmung. Mit 75 Ja- zu 25 Nein-Stimmen fasste der Stadtrat dabei den Auftrag, eine Strategie im Bereich «Wohnen im Alter» auszuarbeiten und an einer der nächsten EGV zu präsentieren. Die dafür erforderlichen Kosten sollen zudem im Budget 2025 ausgewiesen werden. Diskussionsbereit zeigte sich der Stadtrat auch darüber hinaus. So unterbreitete Dani Sommerhalder Antragsteller Meier hochoffiziell vor der ganzen Versammlung das Angebot, das Thema zu Hause bei einem Bier weiterzudiskutieren. Kein Zweifel: Das politische Bremgarten lebt und litt an diesem Abend ganz gewiss nicht unter zu wenig «Pfupf».