Wohlen statt Maradona

  01.12.2020 Fussball

«Regionalfussball-Stars von früher»: Bruno Hüsser, vom FC Bremgarten in die NLA und zurück

Manchmal reicht Talent allein im Fussball nicht aus. Oft können Kleinigkeiten darüber entscheiden, wie eine Karriere verläuft. Glück, Pech, zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Bruno Hüsser musste das am eigenen Leib erfahren. Von der positiven und der negativen Seite. Seine Karriere war von zahlreichen Begegnungen geprägt.

Josip Lasic

Am 13. Juli 1990 berichtet der «Wohler Anzeiger» von einer Transferbombe. Zweitligist FC Wohlen verstärkt sich mit einem Mann aus der Nationalliga A. Bruno Hüsser wechselt vom FC Wettingen ins Freiamt. Mitten im Text die Zeilen, bei denen jeder Fussballer mit Hüsser mitleidet: «Übrigens die Spiele, die zum Karrierehöhepunkt des Jungverheirateten hätten werden können, die UEFA-Cup-Spiele gegen die italienische Spitzenmannschaft SSC Neapel mit Superstar Maradona, durfte Hüsser nur von der Tribüne aus beobachten.»

Der Deutsche Udo Klug ist damals Trainer des FC Wettingen. Er bringt den Rudolfstetter Hüsser um die Chance, gegen den grossen Diego Maradona zu spielen. Die Ausbootung von Hüsser in den Duellen gegen Neapel ist der Höhepunkt einer Saison, die nicht für den Freiämter läuft. Der Trainer lässt ihn selten bis nie spielen. «Ich bin ehrlich. Wenn Klug auf mich gesetzt hätte, würde ich ihn vermutlich als tollen Trainer in Erinnerung haben», sagt Hüsser. «Nachdem ich in der Saison 1988/89 unter Udo Klug erfolgreich mitgewirkt hatte, was zur Quali für den UEFA-Cup führte, wurde von Beginn der Vorbereitung zur neuen Spielzeit nicht mehr auf mich gesetzt.» Knapp zwei Wochen vor dem ersten Duell gegen Neapel kam es zum berüchtigten «Fall Klötzli». Am 7. Oktober 1989 spielt der FC Wettingen in Sion. Beim Stand von 1:0 für die Walliser pfeift Schiedsrichter Bruno Klötzli in der Nachspielzeit ab – während ein Schuss des FC Wettingen ins leere Sion-Tor fliegt. Klötzli gibt den Treffer nicht. Vier Wettinger Spieler gehen auf den Referee los. Martin Frei, Roger Kundert, Reto Baumgartner und Alex Germann sind die Übeltäter, die im Anschluss für mehrere Monate gesperrt werden. «Ich dachte, dass ich auf mehr Einsätze komme, wenn die vier fehlen», sagt Hüsser. Doch Udo Klug setzt lieber auf Nachwuchsspieler als auf den Mittelfeldmann aus dem Freiamt. «Diese Entscheidung und die Geschichte rund um die Neapel-Spiele haben mir gezeigt, dass meine Zeit in Wettingen endgültig vorbei war.»

Das Talent von der Bärenmatt

Ein trauriges Ende für eine lange, erfolgreiche Zeit. Sieben Saisons verbrachte Hüsser beim FC Wettingen, bestritt alleine in der Nationalliga A über 130 Spiele für die Aargauer. Am Ende wurde er still und leise aus dem Kader gedrängt, bis er selbst die Reissleine gezogen und den Club verlassen hat. Die Saison 1989/90 ist seine letzte in der höchsten Schweizer Spielklasse. «Der Club hatte höhere Ziele und beschloss, dass ich keine Rolle mehr spielen soll. Schwach fand ich, dass mir das nie direkt kommuniziert wurde.»

Bruno Hüsser wäre allerdings nie in diese Lage gekommen, wenn es eine andere Begegnung nicht gegeben hätte. Ein anderer deutscher Trainer ist für ihn der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. Hanjo Weller wird 1980 Spielertrainer beim FC Bremgarten. Er holt Hüsser im Alter von 16 Jahren in die 1. Mannschaft der Reussstädter. Eine besondere Ehre für den Freiämter, der seine Fussballerkarriere beim FC Rudolfstetten startete und im C-Junioren-Alter nach Bremgarten wechselte. «Ich konnte plötzlich mit einem Idol an einer Seite spielen», erzählt Hüsser. Seine Augen beginnen zu glänzen, als er von Hanjo Weller spricht. «Jahre vorher habe ich ihn beim FC Zürich und Xamax noch spielen sehen und plötzlich durfte ich an seiner Seite auf dem Feld stehen.» Der junge Fussballer spielt mit seinem Vorbild zusammen und Weller fördert Bruno Hüsser.

So entwickelt sich dieser zu einem starken Mittelfeldmann. In dieser Zeit spielt sich Hüsser in die Nachwuchsauswahlen der Schweizer Nationalteams. Und ins Blickfeld von grösseren Vereinen. «Ich hatte keine Berater und war überfordert mit den Anfragen der grossen Clubs.» Hüsser geht zu GC in ein Probetraining unter dem grossen Hennes Weisweiler. Er schätzt seine Aussicht auf ausreichend Spielzeit beim Grossclub aus Zürich nicht hoch ein. Bei Wettingen traut er sich zu von Anfang an zu spielen, und wechselt im Alter von 19 Jahren in die NLA. In den ersten zwei Spielen bestätigt Hüsser sein Talent. In diesen wird er «nur» eingewechselt. Danach ist er Stammspieler.

Die Leichtigkeit des Seins

Ein Vorteil von Bruno Hüsser ist, dass er es nie darauf angelegt hat, Profi zu werden. Ihm wurde immer wieder gesagt, dass es von 100 Spielern, die ganz nach oben kommen wollen, vielleicht einer schafft. Nach dieser Devise spielt er. Ohne übermässigen Druck, was ihm eine Art Leichtigkeit auf dem Feld verleiht. Der Freiämter erzählt, dass er zu Beginn seiner NLA-Karriere noch etwas naiv war, das aber schnell ablegen konnte. «Ich war durchaus in der Lage, in den meisten Situationen angemessen zu reagieren, und war auf dem Feld kein Kind von Traurigkeit.» Hüsser betont dabei: «Ich habe allerdings nie Tätlichkeiten begangen.»

Ob Sieg oder Niederlage, der Freiämter Mittelfeldmann wusste seine Lehren daraus zu ziehen. In der letzten Saison bei Wettingen, als er aufs Abstellgleis geraten war, schien das nicht mehr der Fall zu sein. Es lief nur noch in Richtung Tief. Persönliche Schicksalsschläge raubten dem Mittelfeldmann die Kraft, um sich gegen sein Los zu wehren. Er konnte sich nicht mehr zurückkämpfen in das Wettinger Team. So kam der Transfer zu Wohlen zustande.

Frieden mit Wettingen gemacht

Die Rückkehr ins Freiamt blieb ein kurzes Intermezzo. Hüsser wurde in Wohlen nicht richtig heimisch. Er fand dafür in der Berufswelt ein neues Zuhause.

Heute führt der mittlerweile 56-Jährige ein Unternehmen. Die «Hüsser Gmür + Partner AG», eine Treuhandgesellschaft in Baden. Ein eigenes Unternehmen hätte er im Alleingang vermutlich nicht gegründet. Da war aber das Treffen mit Ruedi Gmür, mit dem er beim FC Bremgarten zusammen gekickt hat. Bei einem gemeinsamen Abendessen kommen sie auf die Idee, zusammen ein Unternehmen zu gründen. Wieder eine der schicksalhaften Begegnungen.

1993 geht der FC Wettingen Konkurs und startet als Wettingen 93 in der 5. Liga. «Nach dem für mich unschönen Ende beim FC Wettingen hätte ich Schadenfreude empfinden können. Das war aber nicht so, im Gegenteil. Mir tat es leid, dass der Club so am Boden lag.» Hüsser, der heute in Boniswil lebt, entscheidet sich damals, zurückzugehen. Er wird Vorstandsmitglied bei Wettingen 93. Und bald schnürt er wieder die Fussballschuhe für den Club. So lange, bis der Verein in die 2. Liga aufsteigt. Dann beendet er seine Karriere definitiv. «Es lag mir am Herzen, dem Club etwas zurückzugeben, da ich doch einige schöne Jahre dort hatte.» Er spielt weiterhin Fussball. Bis er fast 50 ist, kickt er bei den Senioren und Veteranen des FC Wettingen und später des FC Mellingen weiter. Zu wichtig ist ihm der Sport.

Sport als Lebensschule

Der Blick auf seine Karriere ist positiv. Auf die schönen wie die unschönen Begegnungen. Viele Erfahrungen aus dem Fussball konnte er in sein Lebenskonzept einfliessen lassen. «Auch wenn es mal nicht so läuft, wie es soll, kannst du immer noch viel aus der Situation lernen», sagt Bruno Hüsser. «Die aktive Karriere ist vorbei, aber viele Eigenschaften sind mir geblieben», erzählt er. «Verantwortung zu übernehmen, Führungskraft an den Tag zu legen und gleichzeitig Teamplayer zu sein, strategisch zu denken, entsprechend zu handeln und den Weg konsequent bis ins Ziel zu gehen, all das konnte ich mitnehmen.».

Seine Karriere und den Sport betrachtet er als Lebensschule. «Die Begegnungen, die ich hatte, und die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sind nützlich. Und das in allen Lebenslagen. Sei es im beruflichen Kontext, wenn es darum geht, Unternehmungen beim Finden guter Entscheidungen zu unterstützen, oder im Privatleben. Der Fussball mit all seinen Facetten hat mich dorthin gebracht, wo ich heute bin.»


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