Wohlens Herzschlag der Kultur
10.09.2024 WohlenFestival «Punkt & Halbi» liess nur glückliche und zufriedene Menschen zurück
Viel Musik, Lesungen, Theater, Vergangenheitsforschung, Führungen. Und das alles in historischen Bauten. Das Festival «Punkt & Halbi» war ein ...
Festival «Punkt & Halbi» liess nur glückliche und zufriedene Menschen zurück
Viel Musik, Lesungen, Theater, Vergangenheitsforschung, Führungen. Und das alles in historischen Bauten. Das Festival «Punkt & Halbi» war ein Kulturfest erster Güte.
Daniel Marti
«Ausverkauft», meldeten die Staff-Mitglieder und Eingangskontrollen regelmässig. «Diese Vorstellung ist vollends besetzt», gaben sie den Besucherinnen und Besuchern, die in der Schlange standen, bekannt – und liessen dann doch etwas mehr Menschen hinein als vorgesehen. Hinein ins Kulturerlebnis namens «Punkt & Halbi». Insgesamt an elf historischen Festivalorten gab es total 68 Vorstellungen. Kultur-Herz, was willst du mehr? «Punkt & Halbi» ist definitiv Wohlens Herzschlag der Kultur.
Die elf Festivalorte und Festivalliegenschaften wurden also förmlich gestürmt. Gewiss, eine Ausnahme gab es. Die grosse Kirche war natürlich nicht immer voll besetzt. Dafür klang dort der Applaus besonders laut, und diesen Beifall verdiente sich Stephan Kreuz. Der die Orgel mal völlig anders spielte als gewohnt. Seine Improvisationen entlockten der Orgel sogar Popmusik und rockige Klänge. Rein das beweist, wie originell und mutig das Konzept von «Punkt & Halbi» ist. Ein Konzept und Kulturfest, das unendlich viele Menschen angezogen hat. Und jede Besucherin und jeder Besucher konnte sich seine paar Lieblingskünstler aussuchen. Zu jeder halben Stunde ergab sich die Möglichkeit, eben Punkt oder Halbi, einen Platz im ausverkauften Konzert- oder Vorstellungsraum zu finden.
Eintauchen ins Jahr 1640
Dieses Szenario zog sich über vier Stunden hin. Ein Beispiel: Auch spätabends, um 21.30 Uhr, versammelten sich über drei Dutzend Menschen vor dem Pfarrhaus. «31 haben im historischen Gewölbekeller Platz», sagte die Eingangskontrolle. «Okay, es sind 37 Interessierte», ergab das Nachzählen. «Alle dürfen rein. Mehr geht aber nicht.» Und drinnen erzählte Lokalhistoriker Daniel Güntert die Geschichte des Gewölbekellers. Ein Ort, der sonst im Verborgenen schlummert und im Jahr 1640 entstanden ist. Das Pfarrhaus wurde 1759 vergrössert und der Gewölbekeller integriert. Und das Kloster Muri spielte dabei eine wesentliche Rolle. Bis ins Jahr 1518 hatte Wohlen keinen eigenen Pfarrer, das Kloster Muri sperrte sich dagegen. Und so hatte Wohlen auch lange keine eigene Kirche. Es gab laut Güntert Kapellen beim heutigen «Bären» oder vis-à-vis des ehemaligen Restaurants Salmen. Mit Überresten dieses Gotteshauses wurde übrigens die St.-Anna-Kapelle gebaut.
Vor rund 400 Jahren wurde der Gewölbekeller auf jenem Untergrund gebaut, den einst die Gletscher zurückgelassen haben. Und das Pfarrhaus trägt die Versicherungsnummer 331. «Unterhalb der 500 sind alle Häuser im 19. Jahrhundert oder noch früher gebaut worden», erklärte Güntert.
Probe, Hauptprobe und Premiere in einem
In die gleiche Alterskategorie gehören das «Rössli» und das «Rote Huus» der ibw. Genau dort spielte der nächste Höhepunkt von «Punkt & Halbi». «Aber oho», eine schöne Geschichte um grosse Gefühle. Und die Besucher konnten erfahren, was so alles im Staub rumkriecht. Und zuletzt konnte die ibw im Kurztheater eine neue Waschmaschine und einen neuen Staubsauger liefern. Gut gemacht, auch unternehmerisch.
In der Villa Bruggisser war Improvisationsgeschick gefragt. Denn Thomas Marbach fiel kurzfristig krankheitshalbe aus. Nichts wurde es aus der szenischen Intervention «Flüssiges Gold». Jörg Meier musste sich einen neuen Partner suchen und fand Musiker Lukas Stäger, der Meier bei seiner Erzählung begleitete. Zeit zum Proben blieb keine. «So wurde die erste Aufführung zur Probe, Hauptprobe und Premiere», erklärt Jörg Meier. Die Geschichte vom «Bünzmatrosen» fesselte die Gäste trotzdem. Als Geflechtmaschineneinrichter ging der junge Albert in die Lehre und entdeckte die Liebe zu Jazz.
Heimspiel für Heini Stäger
Apropos Musik. Bei «Punkt & Halbi» gab es eine ganze Menge davon: Der Jodlerklub Heimelig Villmergen im Steigassmuseum, das Familienorchester Bürger, das Pop-Duo Ela July und das Vokalensemble Cantemus im Chappelehof. Auch der «Sternen» war ins Festival integriert. Oben sang die Gruppe «StimmFolk» Mundart a cappella und unten erzählte Lokalhistoriker Heini Stäger die Geschichten seines Vaters «Liebi Lüüt…» und von seinen Radiosendungen. «Die waren damals immer live.» Bei Stägers Vorstellungen, ein Heimspiel, hiess es stets «Ausverkauft» – ähnlich wie nebenan bei der Musikschule, wo Paul Steinmann seine Mundart-Geschichten vorlas. Bleibt noch der Sternensaal. Dort liessen die Eingangskontrollen meistens doppelt so viele Besucherinnen und Besucher wie vorgesehen rein. Die beiden jungen Frauen drückten öfters ein Auge zu. Und drinnen war Moritz Praxmarer ein Genuss. Sein messerscharfes Deutsch sowie die überraschenden Wendungen in seinen Geschichten – ein Hochgenuss. Passend zum gesamten «Punkt & Halbi».
OK-Präsident Fabian Furter war überglücklich. «Es hat sich gelohnt, es war so etwas von lässig», bilanzierte er. Obwohl er nur die Hälfte der zwölf Vorstellungen persönlich besuchen konnte – nicht weil er an den Warteschlangen scheiterte, sondern weil er als «Springer» praktisch überall gefragt war. Sein oberstes Gebot, dass alle Besucherinnen und Besucher so viel wie möglich geboten wurde, setzte die Schlössli-Truppe perfekt um.






