Zusammenwachsen

  13.04.2021 Boswil

Projekt «Fusion Boswil-Bünzen» geht weiter

Die Teilnahme an der Befragung zu Jahresbeginn, ob sich die beiden Gemeinden Boswil und Bünzen zusammenschliessen sollen, fiel sehr hoch aus. Deshalb gelten die daraus gewonnenen Erkenntnisse als repräsentativ für den politisch aktiven Teil der Bevölkerung. «Der Informationsstand der Teilnehmenden ist hoch. Die Meinungen sind bei rund 95 Prozent ‹gemacht›», erklärt der Boswiler Gemeindeammann Michael Weber. Eine grosse Mehrheit der Bevölkerung von Boswil und Bünzen will einen Zusammenschluss ihrer beiden Gemeinden prüfen, ist das Fazit der Befragung. Eine mögliche Fusion wird frühestens 2024 vollzogen. --sus


Hoffnungen und Ängste

Ein Schritt in Richtung Zusammenschluss der beiden Gemeinden Boswil und Bünzen

Die Bünzer Frau Gemeindeammann Marlise Müller-Dietrich und der Boswiler Gemeindeammann Michael Weber informierten gemeinsam mit dem Experten Hans Vogel über Details der Befragung, die am Jahresanfang durchgeführt wurde. Damals sprachen sich 59 Prozent der Boswiler und 62 Prozent der Bünzer für einen gemeinsamen Weg aus.

Susanne Schild

Alleingang oder Zusammenschluss? Schon seit mehr als einem Jahr beschäftigt diese Frage die Gemeinderäte der bisher unabhängigen Gemeinden Boswil und Bünzen. Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Zusammenschlusses gebildet und eine Befragung im Januar und Februar in den beiden Gemeinden über eine mögliche Fusion durchgeführt. «Die Umfrage stiess auf grosses Interesse. 731 Boswiler und 392 Bünzer gaben ihr Votum ab. Die Rückläufe gingen rasch ein», fasst der Boswiler Gemeindeammann Michael Weber zu Beginn des Livestreams kurz zusammen. Heute wolle man vertieft über die eingegangenen Resultate und über das weitere Vorgehen im Zusammenschlussprojekt informieren. «Was bewegt die Bevölkerung, wo können Synergien genutzt werden, wo liegen die Ängste, etwas Vertrautes und Eigenständiges zu verlieren?»

Repräsentatives Resultat erhalten

Die grosse Mehrheit der Bevölkerung favorisiere einen Zusammenschluss. «Das ist ein erfreulich eindeutiges Resultat und die wichtigste Botschaft», fasst Hans Vogel, der die mögliche Fusion von Boswil und Bünzen als externer Projektleiter begleitet, zusammen. In den Gemeinden Scherz und Lupfig sei die Zustimmung vor der Fusion deutlich tiefer ausgefallen. Als ehemaliger Gemeindeammann von Scherz war Vogel massgeblich an der Fusion mit der Gemeinde Lupfig 2018 beteiligt gewesen.

Zudem sei die Teilnahme an der Befragung in Boswil und Bünzen für eine konsultative Befragung relativ hoch gewesen, sodass man deren Resultat als repräsentativ für den politisch aktiven Teil der Bevölkerung werten könne, bestätigt der Experte. Die Beteiligung an der Befragung lag in Bünzen bei 51 Prozent, in Boswil bei 39 Prozent und somit eher höher als bei einer eidgenössischen Abstimmung.

Die Alteingesessenen waren die grosse Überraschung

Entgegen den Erwartungen sprach sich der ältere Teil der Bevölkerung beider Gemeinden mehrheitlich für den Zusammenschluss aus. «Wir gingen davon aus, dass, je älter die Befragten sind, desto höher die Skepsis ist. Das hat sich nicht als richtig erwiesen», informiert Vogel.

Sowohl in Boswil wie auch in Bünzen waren die über 60-Jährigen am deutlichsten für einen Zusammenschluss. In Boswil waren es 60,6 Prozent, in Bünzen sogar 66 Prozent. Am skeptischsten stehen laut Befragung die bis 35-Jährigen dem Zusammenschluss gegenüber. Nur 54,5 Prozent der jungen Boswiler und 55,9 Prozent der jungen Bünzer befürworten eine weitere Prüfung der Fusion.

«Weniger erstaunt hingegen hat das Resultat der Ortsbürger beider Gemeinden», so Vogel. Zwar sagten auch sie mehrheitlich Ja zum Zusammenschluss. Die Boswiler Ortsbürger waren mit 53 Prozent gegenüber 59 Prozent der Gesamtheit der Befragten für eine Fusion. In Bünzen waren es 51,3 Prozent der Ortsbürger gegenüber 62 Prozent der Gesamtheit der Befragten. «Identitätsverlust, Unterdrückung und Angst vor einer Steuererhöhung sind die am häufigsten genannten Gegenargumente in den Gemeinden», informiert Hans Vogel weiter. Das Argument, das in den beiden Gemeinden am meisten gegen eine Fusion sprach, sei die Angst vor dem Verlust der eigenen Identität gewesen. An zweiter Stelle wurde in Boswil der Verlust der Eigenständigkeit genannt. An dritter Stelle stand die Angst vor einer möglichen Steuerfusserhöhung, da der Bünzer Steuerfuss momentan höher liegt als der in Boswil. Hans Vogel gab darauf aber in der anschliessenden Fragerunde Entwarnung: «Mit Bezug auf die Rechnungsabschlüsse 2019 kann der Steuerfuss der fusionierten Gemeinde voraussichtlich auf dem heutigen Niveau von Boswil belassen werden.»

Die Bünzer haben die grösste Angst vor einer Dominanz des grösseren Boswil über das kleinere Bünzen. Ein weiterer Teil der Bünzer befürchtet, dass der Zusammenschluss der Gemeinden ähnlich missglückt wie die bereits vollzogene Fusion der beiden Feuerwehren. «Um diese Ängste so gut wie möglich ausräumen zu können, werden wir uns noch intensiver mit den Gegenargumenten auseinandersetzen. Meinungen können sich ändern, wenn man sich damit noch näher befasst», ist Hans Vogel überzeugt.

Die Zukunft gehört den grösseren Gemeinden

Die Erfahrungen in der Vergangenheit hätten gezeigt, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Boswil und Bünzen bewährt, betont Hans Vogel. «Auf beiden Seiten der Gemeindegrenze denkt man sehr ähnlich über den Zusammenschluss. Ausserdem drängt die geografische Nähe einen Zusammenschluss auf.» Synergien können genutzt werden, finanzielle Vorteile könnten geschaffen werden und Behörden zukünftig besser besetzt werden, betont auch Frau Gemeindeammann Marlise Müller-Dietrich. «Wir haben unser demokratisches Volksrecht wahrgenommen. Das Für und Gegen wird abgewogen.» Die wichtigsten Fragen, die der Souverän auf kommunaler Ebene stellen kann, seien gestellt worden. Alle Faktoren würden aufgezeigt werden. «Der Zusammenschluss ist eine Herzensangelegenheit. Kopf, Herz und in gewisser Weise auch das Portemonnaie müssen letztlich Ja sagen.» Dabei sei die Gemeindegrösse nicht allein ausschlaggebend. Die Verantwortung liege vielmehr darin, eine funktionstüchtige Gemeinde zu erhalten oder zu schaffen. «Gleichberechtigt, kollegial – ein Gesamtpaket mit allen Vor- und Nachteilen. Eine vereinte Gemeinde kann mit guter Qualität Dienstleistungen für alle Bürger anbieten.»

Fusion mit Muri kam nie infrage

In der anschliessenden Fragerunde wurde die Fusion mit der Gemeinde Muri thematisiert. «Diese Überlegung stand nie zur Debatte», betonte Michael Weber. «Als Bittsteller an den grossen Nachbarn heranzutreten und danach ein kleiner Dorfteil davon zu werden, könnte für uns nur Nachteile haben.» Auf die Gemeinden Kallern und Besenbüren hingegen sei man aktiv zugegangen. «Wir haben sie angefragt, ob sie sich einer Fusion anschliessen würden.» Eine konkrete Antwort der beiden Gemeinden steht jedoch bis heute noch aus.

Vor- und Nachteile genau abwägen

Heute habe man nicht auf alles eine Lösung parat. Man habe lediglich die Gestalt von einer zukünftigen Gemeinde skizziert. Alles Weitere brauche Zeit und Sachverständige, ist auch Michael Weber überzeugt. Beide Gemeinderäte werden dem Souverän an den Gemeindeversammlungen am 1. Juni einen Kreditantrag für die vertiefte Abklärung eines Zusammenschlusses vorlegen.

Eine mögliche Fusion würde dann frühestens am 1. Januar 2024 vollzogen werden. Davor würden aber noch vier Abstimmungen nötig sein. Erst wenn diese alle positiv ausfallen würden, käme es zum Zusammenschluss. Wegen der Pandemie sei man zwar im Zeitplan ein halbes Jahr im Rückstand, aber dennoch sportlich unterwegs, untermauerte auch Marlise Müller-Dietrich.

Die Kosten bis zur definitiven Abstimmung sind «weiterhin ein Riesen-Fragezeichen», räumt der Boswiler Gemeindeammann ein. Doch man gehe davon aus, dass sich der Kanton mit einer Summe von fünf Millionen Franken beteiligen würde.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote