Zwei Leidenschaften verbinden

  20.07.2021 Wohlen

Serie «Hinter den Kulissen des Monti»: Florian Tinner, Buchhalter

Er hat als Kind immer voller Begeisterung den Zirkus besucht. Heute arbeitet er für einen. Für den gebürtigen Bündner Florian Tinner geht mit der Stelle beim Circus Monti ein Traum in Erfüllung.

Chregi Hansen

Er erinnert sich noch gut. 1998 war es, als der Circus Monti auf seiner Tour nach Davos kam. Florian Tinner war 13 Jahre alt. «Ich war vom Programm mit Dimitri so begeistert, dass ich Guido Muntwyler danach einen Brief geschrieben habe, und er hat sogar geantwortet», erzählt der gebürtige Bündner.

23 Jahre später, Gründer Guido Muntwyler ist inzwischen verstorben, gehört Tinner selber zum Team des Monti. Er ist einer von vielen, die für das Funktionieren des Unternehmens sorgen, ohne dass sie je einmal in der Manege stehen und den Applaus des Publikums entgegennehmen können. Ihn stört das nicht. «Mir reicht es, draussen zu stehen und die Leute zu hören. Denn jeder im Zirkus weiss: Der Applaus ist für das gesamte Team», sagt er, der vor seinem Engagement in Wohlen bereits für andere Schweizer Zirkusse tätig war. Aber der Circus Monti, das war seine Wunschstelle. «Das ist sozusagen das i-Tüpfelchen meiner beruflichen Karriere», sagt er.

Zum Auftakt gleich mit Corona konfrontiert

Dabei war der Anfang in Wohlen alles andere als erfreulich. Tinner trat seine Stelle im März letzten Jahres an, also quasi mit dem Start der Pandemie und dem folgenden Lockdown. «Zu Beginn füllte ich vor allem Formulare und Anträge für Kurzarbeit aus», lacht er. So hatte er sich seinen Einstieg nicht vorgestellt. Tinner wurde denn auch gefragt, ob er trotz Corona bleiben wolle. Für ihn aber ist klar: In schweren Zeiten unterstützt man sich. «Mit der Anstellung beim Monti geht für mich ein Traum in Erfüllung. Das schmeisse ich nicht so schnell wieder hin.»

Schon als Kind war der Davoser fasziniert vom Zirkus. «Sobald die ersten Wagen bei uns im Dorf eintrafen, war ich auf dem Platz. Das Leben der Artisten, die spezielle Stimmung auf dem Platz, das hat mich immer fasziniert», erinnert er sich zurück. Für ihn bedeutet das Zirkusleben Freiheit und Abenteuer. Sozusagen das Gegenteil seines erlernten Berufs als Kaufmann. «Hier beim Monti kann ich meine Leidenschaft für Zahlen mit der Leidenschaft für die Unterhaltungsbranche verbinden», freut er sich. Und er ist gewillt, seinen Teil beizutragen, damit der Monti gestärkt aus der Krise kommt. «Ich habe in verschiedenen Unternehmen aus dem Unterhaltungssektor gearbeitet, diese Erfahrungen kann ich jetzt einbringen.»

Gut aufgestelltes KMU

Tinner ist der erste fest angestellte Buchhalter im Monti. Bisher hatte sich die Familie Muntwyler selber um die Finanzen gekümmert und dabei die Hilfe eines Treuhänders in Anspruch genommen. Doch der Betrieb hat sich immer mehr vergrössert. Der 36-Jährige ist denn auch nicht nur für den Zirkus, sondern auch für das Varieté, die Zeltvermietung und die Kulturtage verantwortlich. «Der Monti ist ein wachsendes KMU. Er ist gut aufgestellt und hat gute Strukturen, aber sicher kann man einiges noch optimieren», ist er überzeugt. Er kümmert sich um die Finanzbuchhaltung und um die Lohnbuchhaltung. Aufgrund der Tatsache, dass viele Mitarbeiter aus dem Ausland kommen, wird es ihm bei Letzterer nie langweilig.

Das Büro im Wohnwagen

Obwohl er einen Bürojob ausübt, lebt und arbeitet Tinner in einem Wohnwagen auf dem Zirkusplatz. «Für mich war von Anfang an klar, dass ich mitfahren will. Ich will nicht in Wohlen im Büro sitzen, sondern mittendrin sein und die Atmosphäre erleben», schwärmt er. «Ganz ehrlich, ich habe den schönsten Arbeitsplatz der Welt», fügt er strahlend an. Und natürlich wird er mitanpacken, wenn Hilfe nötig ist, sei es beim Auf- oder Abbau oder auch mal am Buffet. «Das gehört beim Zirkus einfach dazu. Alle übernehmen Verantwortung und tragen ihren Teil zum Gelingen bei.»

Er freut sich schon jetzt, von Stadt zu Stadt zu ziehen und an neuen Orten haltzumachen. Und er ist froh, dass der Monti den Mut hat, auf Tournee zu gehen. «Wir wissen nicht, was alles auf uns zukommt. Wie sich Corona und die Massnahmen entwickeln. Aber man muss offen sein. Der Monti hält die Zirkustradition am Leben, ist nah bei den Menschen und weiss, was sie mögen», ist Tinner überzeugt.

Programm noch nicht gesehen

Während der Kulturtage hat er erstmals erlebt, wie es ist, wenn die Leute in den Monti kommen. «Ich habe mir jede Vorstellung angeschaut», lacht er. Er freut sich, wenn es bald mit dem Zirkus losgeht. Und hofft, möglichst bald einmal das neue Programm zu sehen. Bisher hat er darauf verzichtet, bei den Proben zuzuschauen. «Wegen Covid halten wir die Kontakte noch so begrenzt wie möglich», erklärt er. Auf der Tour werde er sich aber sicher öfters ins Zelt schleichen. Den Wunsch, selber in der Manege aufzutreten, verspürt er allerdings nicht. «Ich kann zwar jonglieren. Aber leider nur mit Zahlen», schmunzelt er.

In der Serie «Hinter den Kulissen des Monti» stellen wir bis zur Premiere am 6. August in jeder Ausgabe einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des Teams vor. Der Fokus liegt auf Personen, die sonst nicht im Scheinwerferlicht stehen.


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