Felix Bingesser, ehemaliger Sportchef beim «Blick», wohnt in Waltenschwil.
Mit 91 in den Gemeinderat
Es gibt viele Herausforderungen im Leben. Die Schulzeit beenden, ohne mehr als zweimal die Klasse zu ...
Felix Bingesser, ehemaliger Sportchef beim «Blick», wohnt in Waltenschwil.
Mit 91 in den Gemeinderat
Es gibt viele Herausforderungen im Leben. Die Schulzeit beenden, ohne mehr als zweimal die Klasse zu wiederholen oder von der Schule zu fliegen. In der wilden Jugendzeit eine vernünftige Ausbildung machen. Dann beruflich Fuss fassen, vielleicht eine Familie gründen, ein Häuschen bauen, einen Baum pflanzen und die Steuern pünktlich zahlen. Einfach, was man im Leben so macht. Aber die grösste Herausforderung ist es wohl, mit einem gewissen Stil, ohne Verbitterung und mit dem Erhalt einer gewissen Lebensfreude alt zu werden. Nicht ständig romantisierend zu erzählen, wie früher alles besser war. Nicht permanent über diese verrückte Welt zu wettern und über die Jugend zu fluchen. Und predigen, dass die Zeiten ohne Handy, ohne Social Media und ohne Netflix doch so viel besser waren. Ganz vieles war früher viel schlechter.
Alt werden ist nichts für Feiglinge. Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein. Der fortschreitende Zerfall wird einem selber glücklicherweise gar nicht bewusst. Wenn man in den Spiegel schaut, fällt einem heute keine Veränderung zu gestern auf. Die körperlichen Beschwerden sind morgen dieselben wie heute. Heisst: Der Prozess geht derart schleichend vor sich, dass wir ihn kaum wahrnehmen. Diese Selbstlüge ist eine Überlebensstrategie der Natur. Man merkt es nur bei Klassenzusammenkünften und erschrickt, wenn man die anderen sieht. Und die anderen erschrecken, wenn sie uns sehen. Vor 25 Jahren ist die legendäre Zeitung «Sport» zum letzten Mal erschienen. Das entsprechende «Jubiläum» hat die Belegschaft von damals jüngst gebührend gefeiert. Das Thema: Wo sind die Jahre geblieben?
Es sind die Fremdeinwirkungen, die uns immer wieder mit dem Thema Alter konfrontieren. Die Merkblätter, die uns aufzeigen, wie man sich richtig auf die Pensionierung vorbereitet. Die Kommentare der Freunde bei Facebook, die verzweifelt nach tröstlichen Zitaten suchen. «Die Jugend ist ein Geschenk der Natur, aber das Alter ist ein Kunstwerk», heisst es. Oder: «Falten entstehen nur dort, wo gelächelt wurde.» Herzig.
Tröstlich bei alledem: Man ist beim Älterwerden nicht allein. Die Überalterung der Gesellschaft schreitet voran. Die Alten sind am Drücker und haben sich jüngst eine 13. AHV genehmigt. In einer Tessiner Gemeinde ist kürzlich ein 91-Jähriger neu in den Gemeinderat gewählt worden. Er will die Probleme endlich anpacken.