Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Klassiker (wieder) entdecken
Ich weiss nicht, woran Sie zuerst denken, wenn Sie Klassik oder Klassiker hören. Ist es klassische Musik, ein Möbel-Klassiker oder eine ...
Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Klassiker (wieder) entdecken
Ich weiss nicht, woran Sie zuerst denken, wenn Sie Klassik oder Klassiker hören. Ist es klassische Musik, ein Möbel-Klassiker oder eine Statue aus dem klassischen Griechenland?
Was für die einen zum Gähnen ist, beschert den anderen höchsten Genuss. Ich habe gerade einen russischen Klassiker gelesen, von dem ich vorher nur den Namen gekannt hatte: Iwan Turgenjew. Im Jahr 1862 erschien sein Roman «Väter und Söhne». Eigentlich Väter und Kinder, aber die Übersetzung machte Väter und Söhne daraus. «Ich erwarte grosse Schelte, aber es ist mir ziemlich egal», schrieb Turgenjew damals. Und tatsächlich erhob sich zuerst ein Sturm der Kritik. Danach wurde das Buch ein grosser Erfolg und ein Klassiker. Heute lesen wir es mit Staunen. Turgenjew beschreibt den Generationenkonflikt einfühlsam und deutlich; Junge, die Leben und Arbeit ganz anders anschauen als ihre Eltern. Ein zeitloses Thema.
So sehr ich Neuerscheinungen mag und gerne lese, so interessant und verblüffend aktuell und klug sind oft Klassiker. Das trifft nicht nur auf Bücher und Theaterstücke zu, auch Stühle oder Sofas können Design-Klassiker sein und uns mit ihren Formen erfreuen. Wenn in Kunsthäusern Bilder der klassischen Moderne gezeigt werden, pilgern alle hin. Wenn mal eines zum Kauf steht, werden Millionen dafür geboten.
Architektur-Klassiker beeindrucken mich immer wieder. Das Haus Wittgenstein in Wien zum Beispiel. Ziemlich renovationsbedürftig, aber immer noch schön. Wie konnte sich jemand am Reissbrett vorstellen, wie das Gebäude nachher wirken wird, wie das Licht einfallen wird und wie die Akustik gelingen kann? Das muss ich auch alles gar nicht wissen, es reicht schon, wenn ich einen Sinn dafür habe.
Im Alltag kann ein Kleidungsstück einen klassischen Schnitt haben oder der Toaster eine klassisch schöne Form. Von Holzkellen, die über Jahrhunderte ihre Form nie ändern mussten, ganz zu schweigen.
In unruhigen Zeiten wie diesen tröstet mich klassische Schönheit. Diese ist auch in Blüten oder in Landschaften zu finden. Gabriele von Arnim beschreibt das wunderbar in ihrem neuen Buch «Der Trost der Schönheit». Eine Freundin hat es mir ausgeliehen, ich will es mir aber selbst auch kaufen, «zum Bhalte».