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11.06.2024 MuriMit 81 Jahren im Berufsalltag
Hugo Kölliker arbeitet in der Montageabteilung der N+K Produktions AG
Seine Pensionierung läge 16 Jahre zurück. Doch Hugo Kölliker arbeitet weiter. Aus Freude.
...Mit 81 Jahren im Berufsalltag
Hugo Kölliker arbeitet in der Montageabteilung der N+K Produktions AG
Seine Pensionierung läge 16 Jahre zurück. Doch Hugo Kölliker arbeitet weiter. Aus Freude.
Annemarie Keusch
Hugo Kölliker ist ein Urgestein im Betrieb, ein Unikat. Jeden Morgen spaziert er von seiner Wohnung im Bühlfeld zu seinem Arbeitsplatz im Gebäude der Schwestergesellschaft Profilpress AG. «Dann gibts zuerst einen Kaffee, damit ich richtig wach bin.» Mühe mit dem frühen Aufstehen habe er nie. Kölliker ist immer einer der Ersten im Betrieb. Allgemein sagt Adrian Trottmann, Inhaber und Geschäftsführer der N+K Produktions AG: «Man muss ihn jeweils fast bremsen.» Bremsen, damit er mit über 80 Jahren nicht mehr auf 200 Stunden Arbeitszeit pro Monat komme. Hugo Kölliker lächelt.
«Weil es mir gefällt»
Der Murianer ist 81 Jahre alt und arbeitet weiterhin jeden Morgen. «Wieso? Weil es mir gefällt», sagt er. Das Umfeld passe, die Wertschätzung und das Arbeitsklima ebenfalls. Und Trottmann ist froh, auf Mitarbeitende wie Hugo Kölliker zählen zu dürfen. Es ist eine der Möglichkeiten, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. «Zudem hat er unglaublich viel Wissen.» Dennoch, im Gespräch kündigt Kölliker an, dass bald Schluss sein soll.
Hugo Kölliker ist 81-jährig und arbeitet noch immer bei der N+K Produktions AG
Dass Leute über das Pensionsalter hinaus arbeiten, ist nicht mehr selten. Das Beispiel von Hugo Kölliker ist aber speziell. Seit 23 Jahren ist er Mitarbeiter der N+K Produktions AG. Inhaber Adrian Trottmann ist froh um Menschen wie Kölliker. Es ist einer der Ansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Annemarie Keusch
Natürlich, Hugo Kölliker war schon schneller auf den Füssen. Andere Mitarbeitende legen den Weg vom Büro zur Montageabteilung am anderen Ende des Gebäudes schneller zurück. Trotzdem, Hugo Kölliker geht den Weg jeden Morgen. Und das gerne. Er ist 81-jährig und immer noch arbeitstätig. «Weil ich will», sagt er und lacht. Weil es ihm gefalle, im Team, aber auch bezüglich der Aufträge, die er zu erledigen hat. Kölliker montiert primär Schaltschränke für einen sehr guten Kunden der N+K Produktions AG – seit 23 Jahren. Seit die Firma die Mitarbeitenden der einstigen Luwa übernahm, wo Kölliker vorher über drei Jahrzehnte lang tätig war. Immer Schaltschränke, ist das nicht langweilig? Wieder lacht er. «Nein, nicht jeder Schrank ist gleich.» Profile, Blechteile, Kabel, Schrauben, Nieten. «Ich muss mich konzentrieren, damit keine Fehler passieren.» Mit seinem Alter habe das nichts zu tun. «Das musste ich schon immer.»
Geborener Handwerker
Es habe finanzielle Aspekte, warum er auch mit 81 Jahren noch arbeite. Im Zentrum stehen diese aber nicht, das ist deutlich spürbar. Vielmehr gibt ihm die Arbeit einen geregelten Tagesablauf, das Gefühl des Gebrauchtwerdens. Wobei es nicht beim Gefühl bleibt. «Wir sind unglaublich froh um Mitarbeitende wie Hugo Kölliker», betont Adrian Trottmann. Er sei flexibel, belastbar, wisse, was es heisse, anzupacken. «Viele Leute seiner Generation sind geborene Handwerker. Von ihnen gibt es immer weniger, umso wertvoller sind sie. Sie bringen viel Wissen und Lebenserfahrung. Hinzu kommt Leidenschaft für den Beruf und Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber. Sie haben es erlebt, dass es nicht selbstverständlich ist, Arbeit zu haben.»
Fünf weitere eigentlich Pensionierte arbeiten aktuell im Betrieb. «Vom Chauffeur bis zum Abkanter», sagt Trottmann. Kölliker ist mit seinen 81 Jahren der Älteste. Es ist eine der Varianten, mit denen die Firma versucht, dem Fachkräftemangel zu begegnen. «Der Markt ist auch im industriellen Bereich ausgetrocknet, auch wenn aktuell mehr Blindbewerbungen eingehen als auch schon. Die Lage ist angespannt», weiss Trottmann. «Ja, wir suchen immer wieder Gespräche mit Mitarbeitenden, die vor der Pensionierung stehen», gesteht er. Dass jemand wie Kölliker über 15 Jahre länger arbeitet als vorgesehen, das sei jedoch nicht die Regel. Auch ihn haben sie damals gefragt, als seine Pension bevorstand. Warum er Ja gesagt hat? «Das entspricht meiner Einstellung.» Und wie reagieren seine Frau und seine restliche Familie darauf? «Sie sind froh», sagt er schelmisch. Damit er etwas zu tun, etwas zu erzählen habe.
Sich früher ausgetobt – daraus zieht er Energie
Als pflichtbewusst, zuverlässig, freundlich und aufgestellt beschreibt Trottmann seinen ältesten Mitarbeiter. Fehlen tue er nur selten, krank sei er kaum. Und Kölliker arbeitet auch weiter, seit seine Frau nach einem Schlaganfall im Solino lebt und er sie jeden Nachmittag besucht. Nebenbei schmeisst er den ganzen Haushalt. «Am Samstag putze ich, am Sonntag bügle ich und jeweils am Abend koche ich vor für den nächsten Tag.» Woher er die Energie nimmt? Hugo Kölliker hält einen Moment lang inne. «Das weiss Gott.» Eine Vermutung hat er aber. Ein Halbstarker sei er gewesen, gehörte zu dieser Jugendbewegung. «Dabei habe ich mich ausgetobt. Seither geniesse ich das ruhige Leben. Das gibt mir Energie.»
Energie, die er weiterhin jeden Morgen in der N+K Produktions AG, einer Schwestergesellschaft der Profilpress AG, einsetzen will. Zumindest bis Weihnachten. «Dann ist Schluss», sagt Kölliker. Später im Gespräch nochmals darauf angesprochen, sagt er: «Ich habe es mir mal vorgenommen.» So wie er sich damals, mit 65 Jahren, vornahm, sich ordentlich pensionieren zu lassen. Angst vor diesem Schritt habe er nicht. «Ich glaube, ich hätte mir dann die Pension durchaus verdient», meint er lächelnd. Aber fehlen würde ihm schon etwas. Vor allem das Team, das Miteinander. «Sie helfen mir immer, etwa, wenn ich etwas Schweres anheben muss», sagt er. Weil einige Teammitglieder gar wie er im Bühlfeld wohnen, geht die Verbindung mittlerweile auch ins Private. Und was sagt Trottmann zum angekündigten Abschied Ende Jahr. «Natürlich freut es mich für Hugo, wenn er den Ruhestand geniessen kann. Aber es ist auch ein weinendes Auge da. Nicht wegen dem Fachlichen, nicht, weil wir dann einen neuen Mitarbeiter suchen müssen. Sondern einfach, weil er als Mensch fehlen wird.» Ganz sakrosankt ist sein Abschied aber noch nicht.