Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Muul zue!
Frank und ich sitzen im Restaurant. Er bestellt Maultaschen und lacht. «Gestern war ich ...
Caroline Doka, freischaffende Journalistin, in Wohlen aufgewachsen, lebt heute in der Nähe von Basel.
Muul zue!
Frank und ich sitzen im Restaurant. Er bestellt Maultaschen und lacht. «Gestern war ich für Passbilder bei einer Fotografin», erzählt er. «Wir haben uns nett unterhalten, während sie die Kamera einstellte und ich ein freundliches Lächeln aufsetzte. ‹Muul zue!›, sagte sie plötzlich. Ich war schockiert.» Frank ist Deutscher. «Maul zu» bedeutet für ihn «Halt die Klappe». Dabei sollte er lediglich fürs Foto den Mund schliessen.
Es muss ihn im Innersten getroffen haben wie mich kürzlich ein Artikel in der «Badischen Zeitung» über das Schweizer Postauto. Brillant geschrieben, ich nickte zustimmend bei jeder Zeile. Doch mein Unmut wuchs, und am Schluss war ich richtig sauer. Sprach der Autor doch durchgehend vom Postbus und nicht ein einziges Mal vom Postauto. So gut der Artikel recherchiert war, der Autor hat unsere Schweizer Seele und jene unseres Postautos nicht verstanden. Postbus! Frank lacht, auch für ihn ist das Postauto ein Postbus. Mir tut es im Herzen weh.
Wie ist es nun bei Maul oder Mund? Sagte ich doch zu meinen Kindern immer: «Putz dir s Müüli», und meinte mitnichten ein freches Maul, sondern ihr herziges Mündchen. Anders meine Grossmutter. Die feine Dame mit Bündner Dialekt sprach konsequent vom Mund. «Putz dir din Mund.» Auch liebevoll gemeint.
Frank und ich recherchieren: Mund kommt von münden. Maul von germanisch mula, was das Maul von Tieren meint – und im derb-negativen Sinn den Mund des Menschen. Kann man die beiden Worte so einfach austauschen? Wir überbieten uns mit Kreationen und amüsieren uns köstlich. Zieht man also mit einem Mundtier auf den Berg? Hat dem König einst der Maulschenk den Becher gereicht? Hält jemand, wenn er gafft, Mundaffen feil? Öffnet sich bei der Geburt das Muttermaul? Und sprechen wir in der Schweiz Maulart?
Es wird serviert. Die Maultaschen duften köstlich. Oder sind es Mundtaschen? Uns läuft das Wasser zusammen – im Mund oder Maul ist einerlei. Doch dann wird uns klar, die beiden Worte können auch eine völlig unterschiedliche Bedeutung haben: «Ich hoffe, es mundet», sage ich übermütig. Frank kontert schlagfertig: «Das hoffe ich auch – sonst maule ich!»
Was würde ich sagen, sollte er lauthals maulen? «Muul zue!», natürlich. Diesmal im urdeutschen Sinn.