Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Flicken?
In der Arbeitsschule war ich keine grosse Heldin. Je nach Lehrerin gingen wir aber sogar freiwillig in die «Schnurpfi» (mit Latein wären wir beurlaubt ...
Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Flicken?
In der Arbeitsschule war ich keine grosse Heldin. Je nach Lehrerin gingen wir aber sogar freiwillig in die «Schnurpfi» (mit Latein wären wir beurlaubt gewesen), weil die fröhliche Handarbeitslehrerin uns begeistern konnte.
In Bremgarten begegnete ich am Geburtshaus von Elisabeth Weissenbach der Erinnerungstafel an die Pionierin des Handarbeitsunterrichts. Ich hatte keine Ahnung und rümpfte nur das Näschen. Unterdessen weiss ich mehr über ihre Leistung. Dank ihrem systematischen Auf bau der Arbeitsschule lernten wir zum Beispiel den Maschenstich. An einem «Lehrblätz». Das war ein Socken, an dem man Verschiedenes ausprobieren und lernen konnte. Und wie froh bin ich, dass ich das kann. Damit ist eine Jacke oder ein T-Shirt wieder für viele Jahre tragbar – Nachhaltigkeit im Alltag.
Einem syrischen Schneider in Bremgarten brachten wir eine Wanderhose, die am Saum beschädigt war. Er guckte sich das an und meinte: «Ah, wifle!» Da staunten wir nicht schlecht. Dieses Mundart-Fachwort aus seinem Mund! Und wirklich, als wir die Hose abholten, war die schadhafte Stelle ausgebessert (das ist auch die Definition laut Idiotikon), so schön, dass man es kaum bemerkte.
Als kürzlich unsere Kaffeemaschine ausstieg, fragten wir uns, ob sich wohl eine Reparatur lohne. Die Offerte kam, und wir entschieden uns fürs Flickenlassen. Die Freude am guten Kaffee ist nun wieder gross! Oder mein Bürostuhl, bei dem ein Teilchen gebrochen war – die Freiämter Firma schickte mir das Ersatzteil und eine sehr moderate Rechnung – mein Stuhl ist wieder wie neu.
In Muri und in Wohlen gibt es Repair-Cafés. Ich finde das wunderbare Einrichtungen, die sich schon viele Jahre in der Schweiz bewähren. Diese Institutionen braucht es, denn nicht jede Haushaltung hat heute noch eine Werkbank, an der man selbst etwas einspannen, kleben oder «zwägmachen» kann. Als Kind war ich überzeugt, dass mein Vater an der Hobelbank alles, aber auch wirklich alles flicken konnte.
Im übertragenen Sinne ist das mit dem Lehrblätz ja auch eine gute Sache: Wenn ich nach einem Fehler nicht einfach vor Scham vergehe, sondern sagen kann: Aha, das ist ein Lehrblätz, jetzt habe ich etwas gelernt, dann ist viel gewonnen.