Hans Melliger, Sarmenstorf.
Vom Reservieren
Ich habe nichts gegen «Pangsionierte». Schon darum nicht, weil ich ja selbst einer geworden bin. Zugegeben, bis zum eigenen, unausweichlichen Übertritt ...
Hans Melliger, Sarmenstorf.
Vom Reservieren
Ich habe nichts gegen «Pangsionierte». Schon darum nicht, weil ich ja selbst einer geworden bin. Zugegeben, bis zum eigenen, unausweichlichen Übertritt haben sie mich manchmal schon genervt – und zwar wegen einer bestimmten Sache. An welch schönen Ort, in welch gutes Restaurant oder an welch speziellen Anlass ich auch immer gehen wollte: Sie waren immer schon da. Meist mit viel zu grossen, alten Rucksäcken und meist in Scharen. Auf jeden Fall war dort, wo es spontan am Schönsten war, alles von grauen Panthern besetzt oder was noch schlimmer war: reserviert, genau das war es, was mich grantig machte. Sie waren gar noch nicht da, aber hatten alles schon früh vorreserviert, wahrscheinlich in aller Herrgottsfrühe, aber das gehört jetzt nicht direkt hierher.
Nun bin ich pensioniert und habe mir erst mal einen neuen, kleineren Rucksack gekauft. Mit dem Reservieren war ich erst zurückhaltend, bis mich meine Art- und oder Altersgenossen links und rechts überholten. Ich wurde also fast gezwungen, meine Reserviertheit, sprich Zurückhaltung gegenüber dem Reservieren abzulegen. Gut, auch das Reservieren will gelernt sein, damit man nicht wirklich vor Ort uralt aussieht. Zum Beispiel das Restaurant Bären auf die Schnelle reservieren. Und weil es überall Bären gibt, sind plötzlich der Bären in Ostermundigen, eine Führung im Bärenland Arosa oder gar eine Bärentour in Slowenien reserviert.
Darum müssen wir auch von den Schattenseiten der Reservierung reden: dem Stornieren. Das ist die Rückversicherung der Reservierung und gehört schon zum Geschäftsmodell vieler Hotels und Restaurants. Gratis stornieren bis kurz davor, lädt ein, möglichst viele Varianten zu reservieren und kurzfristig wieder zu stornieren. Im Extremfall bleibt man wegen der Kreditkartennummer, welche die Reservierung partout nicht anerkennen will, am Bildschirm hängen, verpasst den Anfang oder der Tisch ist schon vergeben,
Auch wenn es beim Reservieren und Stornieren – unabhängig von der Altersklasse – solche und solche gibt, mich jedenfalls plagt immer noch ein schlechtes Gewissen dabei. Jemandem, oder vielleicht gerade Ihnen, die besten Plätze wegschnappen, das bestätigt meine früheren Vorurteile. Ausser, Sie seien auch pensioniert, dann macht es mir natürlich nichts aus.