Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Wahlfreiheit
Nun stehen sie wieder am Wegesund Strassenrand, die Wahlplakate. In Reih und Glied wie brusthohe Soldaten sollen sie den Blick auf sich lenken, ...
Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Wahlfreiheit
Nun stehen sie wieder am Wegesund Strassenrand, die Wahlplakate. In Reih und Glied wie brusthohe Soldaten sollen sie den Blick auf sich lenken, sodass die Hand zur richtigen Liste greife und den Kanton in die gewollte Richtung steuere. Anders als es der plakatgewordene Wildwuchs vermuten lässt, ist das Aufstellen von Wahlplakaten im Aargau präzise geregelt, genauer gesagt streng empfohlen. Im sehr übersichtlich, ja gar plakativ gestalteten Merkblatt wird anhand von einfachen Bildern erklärt, was der kantonale Gesetzgeber sich gedacht hatte, als er diese Art der Reklame in die Bauverordnung aufnahm. So weit, so klar, ist man versucht zu denken. Aber was von Aarau kommt, ist einigen Gemeinden dann doch etwas zu suspekt. Es müssen eigene Regeln her. Wo kämen wir da hin, wenn uns auch noch das eigene Plakatieren vorgeschrieben würde!
Das im Internet verdankenswerterweise als übersichtliche Liste zusammengestellte Panoptikum der Freiheitlichkeit und Selbstbestimmtheit liest sich wie eine Sammlung der Auflehnung gegen die Obrigkeit.
Noch nachvollziehbar sind detaillierte Ortspläne, wo Plakatieren erlaubt ist und wo nicht. Eher gewagt ist die Regel einer Gemeinde, welche die Aufstellfrist vor der Wahl von 8 auf 4 Wochen verkürzt. In die Kategorie «Skurriles» gehört eine Regelung, die vorschreibt, dass pro Partei im Dorf nicht mehr als sieben Plakate an Kandelabern angebracht werden dürfen. Eine andere Kommune appelliert, dass der vorhandene Platz fair unter allen Wahl- und Abstimmungsbeteiligten aufzuteilen sei. Überhaupt scheinen Kandelaber der Stein des Anstosses zu sein: Eine Gemeinde duldet deren Plakatieren stillschweigend, in anderen Gemeinden sind Kandelaberplakate grundsätzlich verboten. Das Strafmass bei Verstoss ist dann wieder von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.
Einige Gemeinden hingegen fügen sich in ihr Schicksal und wenden das Merkblatt an, wie es ist – ob aus Resignation oder Effizienz, ist nicht ganz klar.
Eigentlich ein Wunder, dass sich überhaupt noch jemand die Mühe macht, Plakate aufzustellen. Mir stellt sich die Frage, welche Liste ich einwerfen muss, damit dieser Wildwuchs unterbunden wird. Aber das ist wahrscheinlich von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.