Hans Melliger, Sarmenstorf.
Verblüffend einfach
Schon in der Deutschstunde bei Jimmy Hartmann an der Bezirksschule hatte er mich zum ersten Mal so richtig verblüfft. Während Frau Blum ...
Hans Melliger, Sarmenstorf.
Verblüffend einfach
Schon in der Deutschstunde bei Jimmy Hartmann an der Bezirksschule hatte er mich zum ersten Mal so richtig verblüfft. Während Frau Blum damals eigentlich nur den Milchmann kennenlernen wollte, lernten wir durch Frau Blum den jungen Schriftsteller Peter Bichsel und seine faszinierende Schreibkunst kennen.
Die Kurzgeschichten à la Bichsel liessen mich seither nicht mehr los. Eine mit wenigen Worten erzählte, einfache Geschichte, bei der alles sprachlich so radikal entrümpelt ist, dass wirklich nur noch der inhaltlich verdichtete Kaffeesatz bleibt, ja, da wird man beim Lesen sozusagen sprachlos.
Und Peter Bichsel hat mich viele Jahre später wieder von Neuem verblüfft. Es war, als er an einer Lesung im Sternensaal auftrat und einige seiner Kolumnen vortrug. Näselnd und ganz leise las er diese inhaltlich frechen und explosiven Texte. Diese einfachen, fast banalen Alltagsgeschichten liessen ein staunendes und berührtes Publikum zurück, das nicht mehr gehen wollte und an der Bar dem neu entdeckten Dichter noch lange mit Rotwein zuprostete.
Ein letztes Mal regelrecht verblüfft war ich, als ich von der Todesanzeige des am 15. März 2025 verstorbenen Schriftstellers Peter Bichsel las. Es wurde darin in seinem Sinne auf die üblichen Zitate und Abschiedsworte verzichtet. In einer schlichten Klarheit und überwältigenden Kraft wurde lediglich ein Satz verwendet: «Es ist jedem und jeder selbst überlassen, im Sinne von Peter, jemandem etwas Gutes zu tun.»
Jetzt sind Sie wahrscheinlich auch baff und ich weiss nicht recht, wie ich Ihnen im Sinne von Peter an dieser Stelle etwas Gutes tun kann.
Ich probiere es am besten mit einer einfachen Bichsel-Aussage, die mir bei entsprechender Tätigkeit fast täglich wieder in den Sinn kommt. In einem Interview sagte er nämlich so ganz nebenbei: «Ich warte gern. Warten macht die Zeit lang und wenn die Zeit lang wird, lebt man länger.»
Vielleicht können Sie dieses Bichsel-Vermächtnis fortan auch gut gebrauchen.