Weder links noch rechts
03.03.2023 MuriSP und SVP im Bezirk ohne Nationalratskandidaten
Im Herbst stehen die Nationalratswahlen an. Auf den Listen der Polparteien fehlt dabei ein Name aus dem Bezirk Muri.
Vor allem bei der SVP sorgt die Nationalratsliste für Erstaunen. Jene Partei, die im ...
SP und SVP im Bezirk ohne Nationalratskandidaten
Im Herbst stehen die Nationalratswahlen an. Auf den Listen der Polparteien fehlt dabei ein Name aus dem Bezirk Muri.
Vor allem bei der SVP sorgt die Nationalratsliste für Erstaunen. Jene Partei, die im Bezirk Muri deutlich über 35 Prozent Wähleranteile hat, stellt keine Kandidatin oder keinen Kandidaten. «Im Nachhinein würde ich wohl anders entscheiden», sagt Nicole Müller-Boder, Präsidentin der SVP Bezirk Muri. Sie stand anfangs auf der Liste, machte aber Platz für einen Kandidaten aus einem anderen Bezirk. Weniger Wellen schlägt das Thema bei der SP, die schon vor vier Jahren keine Kandidatur stellte. --ake
Für den Bezirk bereut sie es
Die SP und die SVP des Bezirks stellen keine Nationalratskandidaten für die Wahlen im Herbst
Fast 38 Prozent betrug der Wähleranteil der SVP bei den Nationalratswahlen vor vier Jahren. Die Partei ist damit mit sattem Abstand die wählerstärkste im Bezirk. Und trotzdem stellt sie für die kommenden Wahlen niemanden auf der kantonalen Liste. Partei-Präsidentin Nicole Müller erklärt sich.
Annemarie Keusch
Verschaukelt will es Nicole Müller-Boder nicht nennen. Und trotzdem, es sind nicht nur gute Gefühle, die die Konstituierung der Kandidatenliste der SVP Aargau bei der Präsidentin der Bezirkspartei hinterlässt. «Vielleicht hätte ich mehr kämpfen und härter sein müssen», sagt sie. Es sind solche Rückmeldungen, die sie erhält, seit bekannt ist, dass auf der Liste der SVP-Kandidatinnen und -Kandidaten für die Nationalratswahlen im Herbst keine Vertretung des Bezirks Muri steht. «Im Nachhinein hätte ich wohl anders entschieden. Aber rückgängig machen lässt es sich nun nicht mehr.»
Was der Bezirkspräsidentin sauer aufstösst, ist die Tatsache, dass nicht alle Nationalratskandidatinnen und -kandidaten aktuell im Grossen Rat sitzen. «Die Findungskommission hat uns deutlich gesagt, dass dies eine Grundvoraussetzung sei, um auf die Liste zu kommen», erzählt sie. Für den Bezirk Muri kamen entsprechend nur sie und Daniel Urech infrage. Und weil Letzterer von Anfang an abwinkte, blieb nur die Bezirkspräsidentin selbst übrig. «Ich hätte es getan», sagt Boder. Aber mit weniger Überzeugung als noch vor vier Jahren. Damals, als sie mit einer Wahl liebäugelte und eine bittere Klatsche verarbeiten musste. «Das ist immer noch im Hinterkopf. Es war ein deutliches Zeichen, dass mich die Bevölkerung nicht im Nationalrat will. Nochmals so viel Zeit und auch Geld investieren, um möglicherweise eine nächste Niederlage zu kassieren, das hätte ich nicht unbedingt gebraucht. Aber für die Partei und für den Bezirk kandidierte ich trotzdem.» Und das, obwohl Müller im Herbst heiratet und entsprechend auch dafür zeitliche Ressourcen einsetzen will.
Es hätte einen motivierten Kandidaten gegeben
Auf der offiziellen Liste, die Ende Januar von der Kantonalpartei verabschiedet wurde, fehlt ihr Name dennoch. Müller erklärt: «Weil ich gegenüber der Findungskommission offen und ehrlich sagte, dass meine Motivation für eine Kandidatur auch schon grösser war, wurde ich gegen Ende des Jahres angefragt, ob ich meinen Platz einem anderen Kandidaten, der mutmasslich mehr Stimmen holen würde, zur Verfügung stelle.» Wer diese andere Person ist, habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst. Die Buttwilerin betont, dass diese Entscheidung keinesfalls eine leichte war. «Für mich persönlich kam dieses Angebot gerade richtig. Dass es für die Bezirkspartei suboptimal war, dessen war ich mir aber bewusst. Und trotzdem entschied ich mich, das Angebot anzunehmen und gleichzeitig die Zusicherung einzuholen, dass in vier Jahren der Bezirk Muri sicher wieder vertreten sein wird.»
So weit, so gut. Reaktionen gab es erst, als sich herausstellte, dass nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten mindestens im Grossrat für die SVP politisieren. «Uns wurde gesagt, das sei ein Kriterium», sagt Müller. Das habe sie auch verstanden, entspreche es doch einer klassischen Politkarriere, dass zuerst im Grossrat die Sporen abverdienen muss, wer Einsitz im Nationalrat nehmen will. «Nur, dann muss man es in allen Bezirken so durchziehen.» Besonders bitter für die SVP Bezirk Muri. Sie hätten jemanden in ihren Reihen gehabt, der gerne für den Nationalrat kandidiert hätte. Da die betreffende Person aber nicht im Grossen Rat sitzt, wurde diese Kandidatur von der Findungskommission abgelehnt.
Keine Angst, dass dies Stimmen kostet
Erklären, weshalb die mit Abstand wählerstärkste Partei im Bezirk niemanden zur Wahl stellt, das musste Nicole Müller in den letzten Tagen und Wochen mehrmals. Und sie will dies auch tun. «Transparenz und Offenheit sind mir wichtig.» Ob sie den Entscheid, ihre Kandidatur zurückzuziehen, bereue? «Für mich persönlich nicht, für die Bezirkspartei hätte ich wohl im Nachhinein anders entschieden.» Stünde sie nochmals vor der Entscheidung, würde sie beispielsweise die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten sehen wollen.
Dass die Bezirkspartei als Folge davon nun Stimmen verliert, mit dieser Befürchtung wurde Nicole Müller schon mehrmals konfrontiert. «Ich glaube nicht. Aber es ist klar, dass die Grossratswahlen nächstes Jahr für uns noch wichtiger werden. Entsprechend legen wir den Fokus bereits darauf», sagt die Bezirkspräsidentin.
Der junge Vorstand sei voller Tatendrang. Im Herbst findet beispielsweise der kantonale Parteitag in Muri statt. Und eines verspricht Nicole Müller schon jetzt: «In vier Jahren wird ein Name aus dem Bezirk Muri auf der SVP-Nationalratsliste stehen. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.» Ob sie dies sein werde oder ob die Kriterien bis dahin geändert werden, das alles ist noch offen.
Nichts erzwingen
Die SVP ist nicht die einzige der grossen Parteien, die niemanden aus dem Bezirk Muri für die Nationalratswahlen nominiert. Auch auf der Liste der SP Aargau fehlt diese Vertretung. «Es hat sich niemand zur Verfügung gestellt. Und erzwingen wollten wir es nicht», erklärt Bezirksparteipräsident Christoph Fricker. Natürlich habe man gesucht, aber eben niemanden gefunden. «Das müssen wir akzeptieren.» Neu ist das nicht, bereits vor vier Jahren fehlte die Vertretung des Bezirks Muri auf der SP-Liste. «Das heisst nicht, dass uns die Charakterköpfe fehlen. Aber der Fokus liegt mehr im Regionalen», sagt Fricker.
Das gelte auch für ihn. Eine Kandidatur kam für Fricker, der die Bezirkspartei seit sechs Jahren präsidiert, nicht infrage. «Nur Listenfüller sein, damit jemand aus dem Bezirk Muri kandidiert, das wollte ich nicht», sagt er. Seine politische Tätigkeit sieht er eher im regionaleren Bereich. Und dennoch, dass die SP in Zukunft auch mit einer Vertretung des Bezirks Muri wieder bei nationalen Wahlen präsent ist, das sei wünschenswert. «Sorgen mache ich mir deswegen aber nicht mehr, auch nicht im Hinblick auf die Grossratswahlen im Herbst 2024. Da werden wir eine starke Liste aus dem Bezirk Muri präsentieren können.»
Leuthard war die letzte Nationalrätin aus dem Bezirk
Keine SP- und keine SVP-Kandidatur aus dem Bezirk Muri für die Nationalratswahlen. Fricker und Müller sind sich einig, dass der Zeitaufwand für eine solche Kandidatur gross sei und im Gegenzug die Wahlchancen sehr gering. Das haben die Resultate der letzten Wahlen gezeigt. Kandidatinnen und Kandidaten aus bevölkerungsreicheren Bezirken sind im Vorteil. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht dies. Doris Leuthard aus Merenschwand war die letzte Vertreterin des Bezirks Muri im Nationalrat. 24 Jahre sind seit ihrer ersten Wahl in den Nationalrat vergangen.