Mundgeruch, Tomaten und 5612

  18.08.2023 Villmergen, Region Unterfreiamt

Dieser Typ ist voll im Saft

Rapper «EAZ» aus dem Freiamt schreibt gerade Schweizer Musikgeschichte

Seine Songs werden millionenfach gestreamt. «EAZ» ist der erfolgreichste Rapper der Schweiz – und lebt in Villmergen.

Stefan Sprenger

Vor 53 Jahren landeten «die Minstrels» den Hit «Grüezi wohl, Frau Stirnimaa». Der Song schafft es in die Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das gelang danach keinem Mundartsong mehr – bis vor wenigen Monaten «EAZ» den Song «Juicy» veröffentlichte. «Das ging richtig ab», sagt der 29-jährige «EAZ» (der Arber Rama heisst). Alleine auf Spotify erreicht «Juicy» (zu Deutsch: Saftig) innert kürzester Zeit Millionen von Streams – und damit Platinstatus. «EAZ» schreibt Schweizer Musikgeschichte. Sein Auftritt in diesem Frühling bei der Musikshow «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» macht ihn über die Rapszene hinaus bekannt.

Seit vier Jahren im Freiamt

Der Rapper mit kosovarischen Wurzeln ist in Wetzikon aufgewachsen. Doch er lebt seit bald vier Jahren hier im Freiamt. «Im herzigen Dorf Villmergen. Wo es ruhig ist und trotzdem immer was läuft», wie er sagt. «EAZ» erzählt im Gespräch, wieso er hier lebt, weshalb er seine Tomaten nicht düngt und warum der Wohler Soulstar Seven sein «Buddy» ist. Und er spricht auch über sein neues Album, das heute Freitag erscheint.


Rapper «EAZ» aus Villmergen ist aktuell einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker

Sein letztes Album erreichte Goldstatus. Heute Freitag erscheint das neuste Werk «Liquor Store» von Rapper «EAZ» – und es ist so «vielseitig wie ein Spirituosengeschäft», wie er sagt. Der Wetziker erzählt, wieso er mittlerweile auch ein Villmerger ist.

Stefan Sprenger

Der Rapstar ist inkognito auf dem Dorfplatz. Auf der Terrasse der «Kajüte» in Villmergen sitzt Arber Rama mit Eistee, Zigarette und der PR-Managerin von Universal Music Schweiz. «Da drüben kaufe ich immer ein – im Coop oder in der Migros», sagt der Künstler, der bekannt ist als «EAZ». Und dabei wird er auch oft erkannt und – wie beispielsweise vor einigen Wochen – von der Kassiererin um ein Selfie gebeten. «Ich mache das dann gerne», sagt er. Und nicht selten sind seine Fans – meist die Generation zwischen 10 und 25 Jahren – dabei sehr nervös. «Ich sage ihnen dann, dass sie sich beruhigen können, auch ich habe morgens üblen Mundgeruch», sagt er lachend.

Was ist sein Erfolgsrezept?

Er macht das, was er schon immer machen wollte: Musik. Schon als kleiner Junge in Wetzikon schwänzte er die Schule und hatte nur Musik im Kopf. Geprägt von «50 Cent» geht er seinen Weg, tritt im Jugendhaus auf, an kleinen Konzerten. Es folgen erste eigene Songs. Er arbeitet als Maurer, Fenstermonteur oder jobbt im Detailhandel. Doch er glaubte immer an seinen Traum. Vor wenigen Wochen trat er am Hip-Hop-Festival in Frauenfeld auf. Bei seinem vierten Auftritt war er zum ersten Mal auf der Hauptbühne – und Tausende Fans wollten ihn sehen. Seit drei Jahren kann er von der Musik leben. «Ich bin immer drangeblieben, habe immer weitergemacht und nie aufgegeben. Es gibt keinen Trick für den Erfolg. Ich glaube, es benötigt ein bisschen Talent, ein bisschen Geduld und man sollte etwas draufhaben, was andere nicht können.»

Bekannter geworden durch «Sing meinen Song»

«EAZ» ist heute einer der erfolgreichsten Schweizer Musiker – und ganz bestimmt der erfolgreichste Rapper des Landes. Doch sein Bekanntheitsgrad ist – vor allem bei den älteren Generationen – noch eher gering. Seine Teilnahme bei «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert» hat das ein wenig geändert. Dort schaffte er es mit seiner erfrischenden Art und seinem unverkennbaren Mix aus Rap und Gesang, sich auch einem breiteren Publikum zu präsentieren. Gastgeber der Sendung war der Wohler Soulstar Seven. Zu ihm sagt «EAZ»: «Er ist mein Bro, mein Buddy. Seven ist ein herzensguter Mensch, ein genialer Musiker. Sein Stil flasht mich weg, immer wieder. Ich kann mir von Seven noch ein paar Scheiben abschneiden.»

Auf dem Sofa von «Sing meinen Song» war auch die Herkunft ein Thema. Als «EAZ» erzählt, dass er seit bald vier Jahren in Villmergen wohnt, zuckt der Wohler Seven zusammen. «Zufälle gibts», meint «EAZ».

8620. Wetzikon. Dort ist er aufgewachsen. Gemeinsam mit drei Schwestern. Dieser Ort hat ihn geprägt. Doch jetzt ist die Postleitzahl 5612 angesagt. «Villmergen ist ein herziges Dorf. Ruhig. Trotzdem läuft immer was. Ich fühle mich superwohl hier.» Arber Rama ist ein Familienmensch, hat gerne ein gemütliches Zuhause. In einer 4,5-Zimmer-Maisonette-Wohnung in der Nähe des Villmerger Dorfplatzes hat er dies gefunden. Dort lebt er gemeinsam mit seiner Freundin. Davor wohnte das Paar in Suhr. Weil jenes Haus verkauft wurde, suchten sie ein neues Daheim. «Und fanden unser neues, wundervolles Zuhause hier in Villmergen.» Mittlerweile ist er so heimisch geworden, dass er sogar hier zum Friseur geht. «Ich bin irgendwie ein bisschen zum Villmerger geworden», sagt er.

Neues Album macht ihn nervös

Aktuell sei er «mega nervös». Denn heute Freitag erscheint sein neues Album «Liquor Store». Daran hat er zwei Jahre gearbeitet. «Es ist so vielseitig wie ein Spirituosengeschäft», meint er. Hip-Hop, Reggaeton, RnB oder Pop: «Es geht in viele Richtungen. Ich habe mich sicherlich auch ein wenig neu erfunden auf diesem Album», sagt er. Er hofft, dass sein neues Werk so einschlägt wie sein Debütalbum «Apartment 32». Die Singles «Hit em Up», «Bonnie & Clyde 2» und «Can’t Let You Go» wurden allesamt mit Platin ausgezeichnet.

Von Snoop Dogg und Peter Reber

Es ist einer von vielen Erfolgen in der aufkommenden Karriere von «EAZ». Mit Loredana stand er schon auf der Bühne, in einem Song des US-Rapstars «Snoop Dogg» war er schon zu hören, der Liedermacher Peter Reber will vielleicht mit «EAZ» ein Duett singen am «Eurovision Song Contest» – und er war mehrfach für den «Swiss Music Award» nominiert. Auf Tiktok bricht er Rekorde. Sein grösster Wurf heisst «Juicy». Mit diesem Mundartsong landete er in den Single-Charts der Schweiz, Deutschlands und Österreichs. In Zeiten des Streamings ist dies eine kleine Sensation und für einen Schweizer Künstler eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Zuletzt gelang das mit einem Mundartsong von den «Minstrels» vor über 50 Jahren. Und jetzt hat es «EAZ» wieder geschafft.

Auf dem Villmerger Dorfplatz sieht man ihm den Erfolg nicht an. Abgesehen von seinem Bandana (Kopftuch) fällt er nicht auf. Er ist bodenständig, demütig. «Ich vergesse nicht, wer ich bin und woher ich komme», meint er. «Ich tue mich schwer damit, zu sagen, dass ich besser bin als andere.» Er macht schon sehr lange Musik. Lange Zeit ziemlich unbekannt. In den letzten 12 Monaten machte seine Karriere einen riesigen Sprung. Wenn er erkennt, dass seine Songs millionenfach angehört werden und Tausende Menschen ihm auf der Bühne zujubeln, dann freut ihn das riesig, «aber ich gehe easy damit um. Ich bin einfach ein Mensch, der ein bisschen besser Musik macht als andere.»

Eigenes Label gegründet

Wie soll seine Zukunft aussehen? «Gesundheit. Glück im Privatleben», äussert er die typischen Floskeln auf diese Frage. «Und ich will Musik machen. Ich hoffe, es geht noch weiter aufwärts. Denn da ist noch Luft nach oben.» Er will auch weiter versuchen, im Ausland Fuss zu fassen. Und aktuell ist er einer der ganz wenigen Schweizer Musiker, denen das auch wirklich zuzutrauen ist.

«EAZ», der ausschliesslich auf Mundart rappt (und selten auf Hochdeutsch oder Kosovarisch), meint: «Den englischen Markt überlasse ich den Musikern, die akzentfrei die Sprache beherrschen.» Die Schweizer Raplandschaft hat er erobert. Den deutschen Sprachraum will er dazugewinnen. Doch grössenwahnsinnig wird er nicht. Deshalb lässt er die Finger vom Rap auf Englisch. Er begeht andere Wege zu mehr Möglichkeiten und Erfolg, gründete beispielsweise sein eigenes Label und ist CEO seines eigenen Musikvertriebs namens «Bulletproof Music».

«Hans Nötig sagt mir was»

«EAZ» wird gefragt, ob er «Sepp Schnapps» oder «Hans Nötig» kennt (beides sind Rapper aus Villmergen). Er überlegt und sagt: «Hans Nötig sagt mir was. Den kenne ich.» Er ist wohl einer der wenigen Villmerger, die der Musiker – zumindest flüchtig – kennt. Nebst Einkaufen, Coiffeur und mal einem Spaziergang ist er kaum im Dorf unterwegs. «Ich bin gerne und oft zu Hause, da bin ich sehr altmodisch.» Familie. Freundin. Kumpels. «Und mein Garten.» Das sind seine privaten Heiligtümer. Er kocht gerne, am liebsten mit Zutaten, die er selbst herangezüchtet hat. Petersilie, Basilikum – oder Tomaten. Die roten Früchte sind bald reif. Ist er ein Hobbygärtner? «Geht so», meint er. «Ich kaufe mir die Pflanzensetzlinge, haue sie in den Boden rein und gut ist.» Er düngt nicht. Er pflegt nur das Nötigste. «Und trotzdem erzähle ich allen voller Stolz, dass es meine eigenen Tomaten sind, die ich herangezogen habe», sagt er lachend.

Das Gespräch mit «EAZ» ist vorbei. Arber Rama muss weiter. «Nach Hause. Kochen», wie er sagt. Heute Freitag wird sein neues Album erscheinen. Bald tritt er am «Energy Air» vor 50 000Menschen auf. Das Zürich-Open-Air und die Tour folgen in den Wochen und Monaten danach. «Ich freue mich riesig», sagt «EAZ» und verschwindet um die Ecke. Und erst als er weg ist, wagt ein Einheimischer zu fragen: «Wer war das? Der kam mir bekannt vor.» Es war einer von vielen Menschen, die in Villmergen wohnen, morgens Mundgeruch haben und gerne mit Tomaten aus dem eigenen Garten kochen. Ganz ein normaler Kerl also. Und einer der aktuell erfolgreichsten Musiker des Landes.


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