Federer-Maler aus Bremgarten

  23.09.2022 Bremgarten

Edgar Gächter ist ein grosser Sportfan. Und ein ebenso begeisterter wie talentierter Künstler. Diese Kombination führte dazu, dass der ehemalige Pöstler Bremgartens irgendwann damit begann, die graziösen Auftritte Roger Federers malerisch festzuhalten. Daraus entstand über die Jahre – abgesegnet vom Management des Tennisspielers und gebilligt und geschätzt von dessen Mutter Lynette – ein eindrückliches Sammelsurium an Kunstwerken. --huy


«Vielleicht kommt Roger ja vorbei»

Die Geschichte eines Bremgarters, der den Schweizer Jahrhundertsportler in seinen Gemälden verewigte

Edgar Gächter porträtiert seit Jahrzehnten die Stars und Sternchen dieser Welt. Einer hat es ihm dabei stets besonders angetan: Roger Federer. Über 70 Bilder des Maestros hat er im Verlaufe von dessen Karriere gemalt. Federers Rücktritt beschliesst auch für ihn einen Lebensabschnitt.

Marco Huwyler

Es ist mittlerweile über 22 Jahre her, dass Edgar Gächter zum ersten Mal so richtig von Roger Federer Notiz nahm. «Ich war sofort von ihm fasziniert», berichtet der heute 70-Jährige. Damals, das neue Jahrtausend hatte noch kaum begonnen, sah Gächter im Schweizer Fernsehen ein Interview. Federer war noch keine 20. «Ein Teenager mit ‹Bibeli› und langen Haaren.» Doch dieser Jüngling hatte schon damals ein Auftreten, das Gächter imponierte.

«Er sprach davon, dereinst die Nummer 1 zu werden. Mit einer Selbstverständlichkeit, die mich verblüffte. Ohne arrogant und unsympathisch zu wirken. Einfach voll schlichter Überzeugung, dies zu schaffen. Obwohl er damals in der Weltrangliste noch ein Nobody war.» Von da an verfolgte der sportbegeisterte Gächter den Weg des talentierten Tennis-Novizen mit faszinierten Argusaugen. Er sah, wie Federer sich anschickte, seine Prophezeiung wahr zu machen. Wie er Sampras schlug, wie er Wimbledon gewann und wie er schliesslich nach dem Sieg über Marat Safin im Australian-Open-Final 2004 tatsächlich den ATP-Thron erklomm.

Die Begegnung mit der Nummer 1

Als Federer kurz danach im Rahmen eines Sponsoring-Termins seine erste Pressekonferenz als frischgebackene Nummer 1 gab, da mischte sich Gächter unter die Journalisten. Mit im Gepäck hatte er ein Porträt, das er zuvor in wochenlanger Arbeit von Federer und dessen Freundin (und jetziger Frau) Mirka Vavrinec gemalt hatte. Keck reckte der Bremgarter das Bild empor. Und erzielte damit prompt den gewünschten Effekt. «Federer war überrascht, angetan und belustigt zugleich», erzählt Gächter. «Und wie das seine Art ist, machte er ein paar witzige Sprüche dazu.» Anschliessend kam der Champion der Bitte, das Werk zu signieren freimütig nach, bevor er sich dem eigentlichen Zweck des Anlasses widmete und die Fragen der versammelten Journalisten zu beantworten begann. «Für mich war diese erste Begegnung ein grossartiger Moment, den ich in meinem Leben nicht vergessen werde», erzählt Gächter.

Geschätzt von den Stars

Freilich war es jedoch nicht das erste Mal gewesen, dass der Bremgarter dieses Vorgehen angewandt hatte. Den «Trick» mit gemalten Porträts die Aufmerksamkeit von Prominenten zu erlangen, nutzt Gächter seit Jahrzehnten. Er, der seit früher Kindheit eine Leidenschaft fürs Malen besitzt («Jeweils mein einziger 6er in der Schule»), kam mehr oder weniger zufällig darauf. Als der Grasshopper Club Zürich 1990 das Double holte, hatte der grosse GC-Fan das Bedürfnis, diesen Erfolg künstlerisch zu verewigen. «Ich malte ein Bild mit allen Spielern und dem Trainer Ottmar Hitzfeld und schenkte es dem Club», erzählt Gächter. Und diese Geste fand grossen Anklang. Gächter lernte Trainer und Spieler persönlich kennen, sein Bild wurde von allen signiert und der Bremgarter unterhielt im Anschluss noch mit zahlreichen Exponenten den Kontakt über Jahre. «Ich habe gemerkt, dass einem Kunst Türen öffnet, die jemandem wie mir sonst verschlossen bleiben», erzählt Gächter.

So begann er nach Vorlage von Fotografien zahlreiche Bilder von bekannten Menschen zu malen, die ihn interessierten und faszinierten. Anschliessend kontaktierte er diese auf verschiedenen Wegen und Kanälen. Die Liste der Porträtierten, die Gächter so kennenlernen durfte und die seine Bilder anschliessend signierten, ist eindrücklich. Neben Grössen aus der Sportwelt, wie Michael Schumacher, Andi Hug, Arno Del Curto, Roy Hodgson, Peter Sauber, der brasilianischen Fussballnationalmannschaft und vielen mehr, hat Gächter auch zahlreiche Prominente aus Musik, Gesellschaft und Politik kennenlernen dürfen. Ob DJ Bobo, Arnold Schwarzenegger, Michael Jackson oder Dalai Lama – sie alle hat er gemalt, sie alle hat er getroffen, sie alle haben seine Bilder unterschrieben.

Über die Jahre hat sich angesichts dieser Erfolge ein Mix aus Faszination, Sucht und Leidenschaft zum Malen und Begegnen entwickelt. In seiner Freizeit widmete sich Gächter stundenlang seinem Hobby, er bezog dafür Ferien – und nicht selten hat er stunden-, ja nächtelang gewartet, bis sich eine Gelegenheit ergab, die Porträtierten zu treffen. Auch für seine beiden Töchter waren die Leidenschaft des Vaters und deren Resultate etwas Besonderes. «Sie habe ich oft mitgenommen», erzählt Gächter. Die Begegnungen waren für die Kinder prägend. «Ich denke, dass es unter anderem auch förderlich für ihr Selbstvertrauen war, dass sie solche einmaligen Erlebnisse hatten», meint der Bremgarter. Oftmals ging er bei der Wahl seines nächsten «Sujets» auf die Wünsche seiner Familie ein. So hat Gächter etwa den Töchtern zuliebe die «Backstreet Boys» gemalt und kennengelernt. Und für seine Frau Patricia Kaas, wie er lächelnd berichtet.

Berühmt und erfolgreich bleiben allerdings über all die Jahre stets bloss die Porträtierten. Gemalt hat Gächter nämlich nie für Ruhm oder Geld. «Wenn ich ab und zu Bilder verkaufte, dann habe ich damit höchstens meine Unkosten gedeckt. Oder mal einen weiterbildenden Kunstkurs besucht», erzählt der 70-Jährige. Hauptberuf lich war und blieb der Bremgarter jahrzehntelang Pöstler und machte nie einen Hehl daraus, auch wenn es um seine Bilder ging. «Hier war ich vielleicht manchmal zu ehrlich», sagt Gächter. «Viele Leute hatten kein Interesse, das Bild eines Briefträgers zu kaufen. Und wenn, dann nicht für viel Geld. Vielleicht sage ich künftig, ich sei Künstler im Ruhestand», lacht er.

Dies soll allerdings nicht heissen, dass Gächters liebevolle, detailgetreue, dynamische und ausdrucksstarke Abbilder der Stars gar nie auf ein öffentliches Interesse stiessen. Zahlreiche Ausstellungen hat Gächter über die Jahre organisieren dürfen und dabei so manches seiner Kunstwerke verkauft. Und zwei dieser Ausstellungen waren alleine Roger Federer gewidmet.

Kontakt über Lynette Federer

Nach seiner Begegnung mit dem Tennis-Superstar wurde der Baselbieter nämlich schnell zum Lieblingssujet Gächters. «Sein Spiel und auch sein Auftreten in der Öffentlichkeit war so anmutig und so voller Grazie, dass es mich inspirierte. Oftmals musste ich gewisse Dinge einfach bildlich festhalten.» Ganze fünf Jahre lang hat der Bremgarter ausschliesslich Federer-Bilder gemalt. Den Menschen und Sportler in allen möglichen Facetten. Mit der Zeit entwickelte sich ein Kontakt zu Rogers Mutter Lynette Federer, der die Bilder des Bremgarters gefielen. In Absprache mit ihr organisierte er Ausstellungen und erhielt das Recht, Bilder mit Rogers Konterfei offiziell zu verkaufen. «Zeitweise korrespondierte ich dabei mit der Agentur von Federers langjährigem Manager Tony Godsick in den USA und musste Verträge mit Klauseln und allerlei unterschreiben», erzählt Gächter lachend. Seit einigen Jahren verläuft der Kontakt jedoch ausschliesslich über Mutter Lynette. «Bedingung heute ist, dass mit jedem verkauften Bild ein gewisser Betrag an die Federer Foundation überwiesen wird», erzählt Gächter. Insgesamt kam so schon ein schöner Betrag zugunsten der Kinder in Südafrika zusammen. Gegen 40 Bilder vom Tennisstar hat Gächter nämlich bereits verkauft. Zahlreiche weitere lagern bei ihm zu Hause in Bremgarten und in einem kleinen Lagerraum in Zufikon.

Zur Inspiration – aber vor allem auch aus Sportinteresse – hat Gächter jahrelang jedes Spiel Federers geschaut und mitgefiebert. «Für die Turniere in den USA und Asien bin ich oft mitten in der Nacht aufgestanden.» Wenn die Spiele dann lange dauerten, kam es zuweilen vor, dass die Leute bei der Post auf ihn gewartet haben. «Der Gächter schaut wohl wieder Federer», hiess es dann jeweils wissend bei den Mitarbeitern. «Zum Glück haben sie das akzeptiert, aber ich habe es auch nie übertrieben», erzählt der langjährige Pöstler. Mit dem Malen hat Gächter die Ups and Downs aus der Karriere des Tennisspielers verarbeitet, die ihm nahegingen, als wären es seine eigenen. Je nach Ausgang der Spiele sind sie so auch Ausdruck von überschwänglicher Freude oder tiefem Schmerz, die Gächter seinem Sujet nachempfand.

Nahen Rücktritt gespürt

In den vergangenen Jahren hat die Leidenschaft fürs Malen und die Frequenz von Gächter-Bildern in gleichem Masse abgenommen, wie auch Federer seltener spielte. Dessen Verletzungen und Knieoperationen führten dazu, dass der Künstler seiner Lieblingsmuse nur noch selten bei deren Berufung folgen konnte. Auch Federers öffentliche Auftritte wurden weniger und damit auch die potenziellen Sujets. «Ich hatte es schon einige Zeit im Gefühl, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde bis zu Federers endgültigem Rücktritt», erzählt Gächter.

Deshalb hat der Maler auch schon vor Wochen eine Ausstellung vom 30. September bis zum 2. Oktober in der Altstadthalle von Zug aufgegleist, wo er seine Bilder der Karriere des Tennis-Maestros ein letztes Mal einer Öffentlichkeit präsentieren möchte. «Ich wählte den Zeitraum zwischen Laver Cup und dem Turnier in Basel, wo Federer ja eigentlich auch nochmals antreten wollte.»

Lachendes und weinendes Auge

Dass es dazu nicht kam und der Rücktritt nach dem Laver Cup vor Wochenfrist publik wurde, hat dann auch Gächter überrascht. «Ich musste mich erst einmal setzen», sagt er. Im Moment, als er es erfuhr, machten sich im Maler unvermittelt zwei gegensätzliche Gefühlswelten breit. «Ein Teil von mir hat jubiliert», gibt er zu. «Denn für meine Ausstellung ist dieses Timing natürlich absolut perfekt. Eine Ausstellung, die gleich eine Woche nach dem Laver Cup nochmals auf Rogers Karriere zurückblickt.»

Eine andere Seite von Gächter war traurig. «Als Sportfan und Maler geht damit für mich eine Ära unwiderruflich zu Ende. Eine höchst emotionale, die mir wahnsinnig viel gegeben hat.» Dennoch findet er die Entscheidung richtig. «Ich denke, dass Roger gespürt hat, dass sein Körper auf diesem Niveau nicht mehr bestehen kann. Dass es nicht mehr reicht.» Ein Federer als Schatten seiner selbst wäre auch für seinen Karriere-Maler unerträglich gewesen. «Wenn er zurückgekommen wäre und danach reihenweise Erstrundenniederlagen hätte einstecken müssen, dann hätte mir dies im Herzen wehgetan.» Gut möglich, dass einige düstere Gächter-Bilder die Folge davon gewesen wären. So aber dominieren bei der finalen Ausstellung des Bremgarter Künstlers über den Schweizer Weltsportler die unzähligen glücklichen und eleganten Momente aus einer beispiellosen Tenniskarriere. Und wer weiss, vielleicht erweist sich der Maestro ja höchstpersönlich die Ehre. «Lynette auf jeden Fall weiss Bescheid», sagt Gächter lächelnd. «Und Roger hätte ja jetzt Zeit ...»

«Tempo-Farben-Impressionen» – Roger-Federer-Ausstellung von Edgar Gächter begleitet von 5 Künstlerinnen der Künstlervereinigung Bremgarten in der Altstadthalle Zug. 30. 9. bis 2. 10. 2022.


Warum nicht in Bremgarten?

Die Ausstellung von Edgar Gächter findet in Zug statt. Doch der 70-Jährige hätte eigentlich gerne in Bremgarten ausgestellt. «Leider gibts im Städtli nicht so viele geeignete Galerien», sagt der Künstler. Pius Fischbach wurde von Gächter angefragt, hatte jedoch keine Kapazitäten. Und so musste Gächter nach Zug ausweichen. «Letztlich ist es gut so, denn dort haben wir ausreichend Platz.»


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