Sieger der Herzen

  20.09.2022 Sport

Fussball, Schweizer Cup, Sechzentelfinal: AC Arbedo-Castione – FC Sarmenstorf 6:0 (3:0)

Es hat nicht sollen sein. Das Cup-Märchen des FC Sarmenstorf ist zu Ende. Die Freiämter unterliegen im Tessin deutlich und scheiden im Sechzehntelfinal aus. Beim Auftritt gegen die AC Arbedo-Castione haben die Sarmenstorfer aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Josip Lasic

Was für Bilder. Nach dem Abpfiff singt und feiert der Anhang des FC Sarmenstorf, als hätten die Freiämter das Cupspiel im Tessin gewonnen. Spieler und Staff der AC Arbedo-Castione stellen sich vor dem Sarmenstorf-Block auf und ehren sie mit stehenden Ovationen. So einen Anhang hat man auch bei den Tessinern offenbar selten erlebt.

Die Einzigen, denen nicht nach Feiern zumute ist, sind die Spieler und der Staff des FC Sarmenstorf. Routinier Alain Schultz sagt dazu: «Mir tut es am meisten leid für diese grossartigen Fans.» Dem schliessen sich auch andere Akteure an. Teamcaptain Fabian Burkard: «Wir werden mit 0:6 abgeschossen und sie feiern uns so. Es tut weh.» Trainer Marc Blum: «Ich habe den Eindruck, dass wir all unsere Fans enttäuscht haben.» Präsident Tobias Furrer: «Uns ist es nicht mal gelungen, ein Tor zu erzielen. Diese Fans hätten aber locker zehn Tore verdient.»

Empfang wie bei einem Länderspiel

Aber der Reihe nach. Eineinhalb Stunden vor dem Spiel trifft der Car mit der Mannschaft des FC Sarmenstorf beim Stadio Comunale di Giubiasco ein. Zu diesem Zeitpunkt ist das Stadion schon fest in Sarmenstorfer Hand. Als die Spieler den Car verlassen, werden sie frenetisch bejubelt. Die Bilder erinnern an diejenigen von Europa- und Weltmeisterschaften, wenn Nationalteams im jeweiligen Stadion ankommen. «Ich bin stolz darauf, was wir als Verein erreicht haben», sagt Sarmenstorf-Präsident Tobias Furrer nach dem Spiel. «Wir haben vier Fancars gefüllt. Und mit dem Teamcar haben wir noch Leute am Bahnhof abgeholt, damit sie nicht zu spät kommen.»

Bei Arbedo-Castione hat man, obwohl die Sarmenstorfer mitgeteilt haben, dass sie mit rund 250 Zuschauern anreisen, offenbar nicht mit diesem Ansturm gerechnet. Der Heimverein wirkt überfordert. Eine Stunde vor dem Spiel werden zwar fleissig Getränke ausgeschenkt, doch die Festwirtschaft hat noch keine Esswaren bereit. Neben der Toilette im Vereinsgebäude steht den zahlreichen Zuschauern gerade mal ein Dixieklo zur Verfügung. Die Sarmenstorfer Fans fachsimpeln, wen sie sich bei einem Weiterkommen im Achtelfinal wünschen würden. In der Zwischenzeit finden auch zahlreiche Anhänger der AC Arbedo-Castione ihren Weg in das Stadion, das in einer malerischen Kulisse zwischen den Alpen eingebettet ist. Kurz bevor der Schiedsrichter das Duell anpfeift, zünden rund 300 Freiämter Rauchpetarden im Sarmenstorf-Blau. Ähnlich viele Tessiner erwidern mit Rauchpetarden im Rot des Heimvereins. Ein Sarmenstorf-Anhänger kommentiert: «Das ist auf Super-League-Level.»

Sarmenstorf chancenlos

Das Spiel ist schnell erzählt. Die Freiämter wirken von Anfang an nicht ganz auf der Höhe, scheinen nervös zu sein. «In der Kabine vorher hatte ich nicht diesen Eindruck», sagt Trainer Blum. «Aber auf dem Feld ging gar nichts. Das war leider eines unserer schlechtesten Spiele.» Captain Burkard ergänzt: «Wir haben uns so viel vorgenommen. Auf dem Platz war aber alles weg.»

Ein Doppelschlag in der 17. und 25. Minute bringt den Gastgeber auf die Siegerstrasse. Das 3:0 kurz vor der Pause ist der Genickbruch. «Wären wir mit 0:2 in die Pause gegangen und hätten danach den Anschlusstreffer erzielen können, hätten wir noch eine Chance gehabt», sagt Präsident Furrer. «Vielleicht haben sich die Jungs zu viel Druck auferlegt.» Drei weitere Gegentore folgen in der zweiten Halbzeit. Die AC Arbedo-Castione feiert den erstmaligen Einzug in den Achtelfinal im Schweizer Cup. Etwas, was den Sarmenstorfern verwehrt blieb. Die Fans wurden dennoch nicht müde, ihr Team anzufeuern. Unter ihnen ist Marco Stutz, früher selbst Spieler des Fanionteams und Bruder von Michael und Fabian Stutz, die gegen die Tessiner auf dem Feld standen. «So etwas findet man sonst nicht im Regionalfussball. Man darf nicht vergessen, dass wir immer noch ein kleiner Dorfclub sind.» Einer, der es geschafft hat, mit rund 300 Leuten ins Tessin zu reisen. Und da schon vorher klar war, dass einer der beiden Regionalcupsieger um die Erfahrung gebracht wird, gegen einen Grossen zu spielen, brachten die Freiämter diese Erfahrung für beide Vereine gleich ins Tessin mit. Wenn sich die Anhänger der AC Arbedo-Castione in einigen Jahren daran erinnern, wie sie den Achtelfinal im Schweizer Cup erreicht haben, werden sie auch daran denken, wie ein kleiner Verein aus dem Freiamt für Bombenstimmung gesorgt hat. Der FC Sarmenstorf ist zumindest der Sieger der Herzen. Das konnte man spätestens sehen, als die Fans versucht haben, die Spieler aufzustellen. Spieler wie Silvan Sigg oder Denis Dubler, die Tränen in den Augen hatten und denen der mitgereiste Anhang ganz klar signalisierte, dass man in Sarmenstorf trotzdem stolz auf sie ist. Oder wie es Oldie Alain Schultz ausdrückt: «Wir gehen hier mit 0:6 sang- und klanglos unter und werden von unseren Anhängern so gefeiert. Diese Fans, das ist die Champions League.»


Spreitenbach wartet

Viel Zeit bleibt dem FC Sarmenstorf nicht, die Wunden zu lecken. Heute Dienstag, 20 Uhr, greift der Titelverteidiger im Aargauer Cup ein. Die Sarmenstorfer treffen dort im Sechzehntelfinal auswärts auf Drittligist Spreitenbach. Am Freitag geht es dann weiter in der Meisterschaft. Um 20.15 Uhr empfangen die Sarmenstorfer dann den FC Klingnau, den Absteiger aus der 2. Liga interregional. Eine intensive Woche für die Mannschaft. --jl


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