«Jeder und jede kann jodeln»

  13.09.2022 Bremgarten

90Jahre Berner Trachtenchor Bremgarten

Der Berner Trachtenchor und Jodlerclub Bremgarten meldet sich nach zwei schwierigen Jahren mit einem Jubiläumskonzert zurück. Der Verein kämpft gegen Überalterung und Mitgliederschwund – genauso wie gegen weit verbreitete falsche Vorstellungen.

Marco Huwyler

Es ist tatsächlich schon öfter vorgekommen, dass sich Besucher und Gäste des Trachtenchors Bremgarten nach Bern verirrten. Verwunderlich ist das nicht. Schliesslich heisst die hiesige Jodelgruppe Berner Trachtenchor Bremgarten. Und neben der Hauptstadt existiert ja bekanntermassen auch ein Namensvetter unseres Reussstädtli.

Mit Bremgarten bei Bern hat der Name des Berner Trachtenchors Bremgarten in Tat und Wahrheit aber nichts zu tun. Vielmehr geht er auf die Gründungsmitglieder zurück. «Unser Verein wurde 1932 von Heimwehbernern gegründet», erklärt Robert Füglistaller. «Dass es deswegen zu Verwechslungen kommt, ist in der Tat etwas unglücklich», lacht der Präsident des Trachtenchors. Am Namenszusatz zu rütteln, kommt für ihn dennoch nicht infrage. «Schliesslich ist dieser Teil unserer Tradition. Und diese ist uns eminent wichtig. Sie macht ein Stück weit auch unsere Identität aus.»

Verein im Wandel

Diese Identität, den Namen und den Vereinszweck als Aussenstehender auf den ersten Blick zu verstehen, ist generell ein bisschen schwierig. Der Berner Trachtenchor Bremgarten bezeichnet sich nämlich zuweilen auch als Jodelclub Bremgartens. Ursprünglich hiess man «Trachtengruppe». Und bis vor Kurzem fungierte der Verein nicht nur als jodelnder Chor, sondern auch als engagierte Theatertruppe.

Die Aufführung des dort einstudierten Stücks war viele Jahre lang fixer Bestandteil des «Berner Abends». Dieser wurde 1938 zum ersten Mal durchgeführt und hat eine grosse Tradition in Bremgarten. Mit einem klangvollen Liedervortrag und einer vereinseigenen Theatervorstellung wurde die Bevölkerung des Reussstädtli während vieler Jahre an einem Wochenende jährlich im Casino bestens unterhalten. Zum bislang letzten Mal fand der Berner Abend 2020 statt. Dann kam die Pandemie. Und es ist durchaus möglich, dass diese das Ende der Berner Abende, wie Bremgarten sie bislang kannte, einläutete. Denn mittlerweile hat der Trachtenchor aufgehört mit dem Theaterspielen. Bereits 2019 und 2020 wurde eine externe Theatergruppe engagiert. Und nach dem pandemiebedingten Ausfall im vergangenen Jahr setzt man heuer auf ein Konzert in der Stadtkirche anstelle des Berner Abends.

Altersdurchschnitt über 70

Der Grund dafür ist einfach. «Schlussendlich war die Überalterung unseres Vereins schlicht zu gross, um drei Abende im Casino bewältigen zu können», berichtet Füglistaller. Der Auf- und Abbau, das Einrichten, das Singen, Spielen und Bewirten über ein ganzes Wochenende – all dies wollte und konnte man sich heuer nicht mehr zumuten. «Der Altersdurchschnitt unserer Mitglieder ist schliesslich mittlerweile über 70», erzählt der Präsident, der selbst 77Lenzen zählt. «Deshalb haben wir beschlossen, uns ganz auf unsere Gesangstätigkeiten zu konzentrieren.» Das erleichtere vielen auch die Wochenplanung. Statt dreimal wöchentlich – zwei Theaterproben und einmal Singen – trifft man sich mittlerweile noch einmal – jeweils dienstags im Singsaal des Isenlaufschulhauses.

Passiven etwas zurückgeben

Ganz auf den grossen öffentlichen Auftritt im Städtli zu verzichten, ist für den Verein aber auch post Corona keine Option. Zumal heuer das 90-Jahr-Jubiläum ansteht. «Wir haben uns deshalb entschieden, ein Konzert durchzuführen», berichtet Theo Hungerbühler, der Füglistaller als Vizepräsident in seinen organisatorischen Aufgaben unterstützt. «Wir möchten damit der Bevölkerung und insbesondere unseren 80 Passivmitgliedern, die uns auch während der Coronazeit mit ihren Mitgliederbeiträgen die Stange gehalten haben, etwas zurückgeben.» Am 30. Oktober wird deshalb nun in der Stadtkirche gejodelt. «Es ist auch ein Zeichen gegen aussen», sagt Hungerbühler. «Wir zeigen damit: ‹Ja, uns gibt es noch.› Die Tradition der Trachten und Volksmusik wird in Bremgarten weiterhin aktiv gelebt.»

«Wir sind zäh»

Mit diesem Zeichen möchte der Berner Trachtenchor Bremgarten auch ein Stück weit dem grassierenden Mitgliederschwund entgegenwirken. Zu Hochzeiten zählte der Verein gut 40Aktivmitglieder. Heute sind es noch 25. Tendenz sinkend. Im Gegensatz zu anderen Jodelclubs und Trachtengruppen aus der Region, die in den letzten Jahren im Freiamt reihenweise verschwanden, denkt man in Bremgarten aber nicht daran aufzugeben. «Wir sind zäh», sagt Hungerbühler lachend. «Solange wir können und ein singfreudiges Grüppchen zusammenbringen, machen wir auch weiter.»

Hungerbühler und Füglistaller zerbrechen sich seit Jahren den Kopf darüber, wie man mehr Junge begeistern könnte. «Wir haben alles Mögliche probiert», sagt der Präsident. «Inserate, Schnupperabende, die Möglichkeit, als Gastsänger bei uns mitzumachen – nachhaltig funktioniert hat leider kaum etwas.» Wie Füglistaller vermutet, liegt dies vor allem daran, dass man sich heutzutage nicht mehr dauerhaft für einen Verein engagieren möchte. Und an falschen Vorstellungen, die in den Köpfen der Menschen verhaftet sind.

Ein normaler Chor

«Wenn wir die Leute darauf ansprechen, ob sie bei uns mitmachen, dann winken die meisten gleich ab», sagt Füglistaller. «Jodeln? Nein, das kann ich nicht», sei eine gängige erste Reaktion. «Dabei stimmt das gleich zweifach nicht», insistiert der Präsident. «Erstens kann jeder und jede jodeln – mit ein bisschen Übung. Und zweitens muss man bei uns auch gar nicht jodeln können. An einem Konzert tun dies vielleicht maximal fünf von uns. Der Rest singt, wie in einem ganz normalen Chor.»

Gegen derlei hemmenden Irrglauben anzukommen, sei aber schwierig. Und doch will man es beim Berner Trachtenchor Bremgarten weiterhin versuchen. Weil man überzeugt ist, dass das gemeinsame Singen von Volksliedern auch heutzutage noch einen grossen Mehrwert für manchen beinhalte. «Die Harmonien unserer Musik tun einfach gut», sagt Hungerbühler. «Seelisch, aber auch körperlich, wegen der intensiven und bewussten Atmung beim Singen.» Nach einem Gesangsabend fühle er sich jeweils pudelwohl. «Bei mir ersetzt das den Physiotherapeuten und den Psychologen zugleich», meint der Vizepräsident lachend. Zudem sei es eine verbindende, friedliche und kameradschaftliche Tätigkeit, die einem das Leben in allen Belangen bereichere. Dies möglichst vielen zu vermitteln, wird das Ziel des Jubiläumskonzertes des Trachtenchors sein. In der Hoffnung, dass sich der eine oder andere vielleicht zum Mitmachen verleiten lässt. «Man wird sein Kommen auf jeden Fall nicht zu bereuen brauchen», sagt Füglistaller – sofern man sich bei der Anreise nicht nach Bern verirrt.

Jodlerkonzert des Berner Trachtenchors Bremgarten. Sonntag, 30. Oktober, 17 Uhr, in der Stadtkirche. Eintritt frei, Kollekte.


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