Lokführer made in Bremgarten

  30.08.2022 Bremgarten

Beim Bahnhof Bremgarten West werden derzeit 32 Fahrer für die neue Limmattalbahn ausgebildet

Im Dezember nimmt die Limmattalbahn zwischen Altstetten und Killwangen-Spreitenbach ihren Betrieb auf. Bis dahin werden die neuen Tramlink-Züge in Bremgarten getestet und deren Führer in spe auf ihre Aufgabe vorbereitet.

Marco Huwyler

«Das Schlimmste für einen Stadtbahnführer im Winter ist nicht Schnee oder Eis – es ist die glitschige Nässe, die nach dem Salzen entsteht. Da muss man höllisch aufpassen und diese Bedingungen bei seinem Bremsweg miteinberechnen.» Die acht Kursteilnehmer im trotz Hochsommer angenehm kühlen Container neben der Luzernerstrasse 34 machen sich eifrig Notizen. Heute geht es um alles rund ums Thema Bremsen. Die Stimmung ist konzentriert und fokussiert.

Andreas Peer unterrichtet hier beim Bahnhof Bremgarten West gerade die dritte von fünf Klassen angehender Limmattalbahn-Fahrer. Geteilt ist ihre Ausbildung in drei Blöcke. Als Erstes erhalten sie eine umfangreiche Grundausbildung zum Lokführer. In einem zweiten Teil werden sie fahrzeugspezifisch geschult – bevor dann schlussendlich die streckenspezifische Ausbildung erfolgt.

Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich auch, dass nach der mehrmonatigen Schulung jeder Absolvent nur für einen Zugtyp und eine spezifische Strecke qualifiziert ist. In diesem Fall für diejenige der Limmattalbahn zwischen Altstetten und Killwangen-Spreitenbach, die nach dem Fahrplanwechsel Anfang Dezember in Betrieb genommen wird. Wen es nach Abwechslung dürstet, der muss sich zusätzlich weiteren Zug- und Streckenausbildungen stellen. «Das ist das Los unseres Berufes», sagt Peer lachend. «Aber selbstverständlich hat dies seine Richtigkeit. Denn nur dank akribischer Fahrzeug- und Streckenkenntnis unter allen Bedingungen können wir unsere Passagiere stets sicher und komfortabel befördern.»

Besondere Ehre

Insgesamt 32 «Limattalbahn-Spezialisten» werden in Bremgarten West derzeit ausgebildet. «Mit dieser Schulung erhält die Aargau Verkehr AG seit ihrer Gründung 2018 erstmals spürbaren Mitarbeiterzuwachs», sagt Michael Briner, Kommunikationsverantwortlicher der AVA. Die Inbetriebnahme der Limmattalbahn sei für alle Beteiligten eine grosse Sache. Und über mangelndes Interesse an den neuen Stadtbahnführer-Posten konnte man sich wahrlich nicht beklagen. «Wir haben über 300 Bewerbungen erhalten», erzählt Briner nicht ohne einen gewissen Stolz. Vom Lokführermangel und dem mangelnden Interesse am Beruf – womit man in der Branche anderorts derzeit zu kämpfen hat – spürte die AVA im Rahmen dieser Stellenausschreibung nichts. «Ich denke, das liegt daran, dass man hier Teil eines wirklich spannenden Vorzeigeprojekts sein kann. Die Eröffnung einer neuen Bahnlinie ist selten und für alle Involvierten eine besondere Ehre.»

Viele Quereinsteiger

Bei den angehenden Stadtbahnführern handelt es sich grösstenteils um Quereinsteiger, die eigentlich aus völlig anderen Berufen stammen, sich nun aber neu orientieren möchten. «Alle sind äusserst motiviert», berichtet Peer, der, wenn gerade keine Schulungen anstehen, selbst als Lokführer auf den Strecken der AVA unterwegs ist. Flexibilität, psychische Belastbarkeit, einwandfreies Deutsch und eine gewisse Affinität für Schienen und Eisenbahnen sind nur einige der Qualitäten, welche die ausgewählten Bewerber mitbringen mussten. «Wir haben alle schon im Vorfeld der Ausbildung auf Herz und Nieren geprüft und gehen davon aus, dass nach Vollendung der Schulungen alle 32 die Abschlussprüfung bestehen und Ende Jahr als Stadtbahnführer bei uns starten können», sagt Peer. «Das ist auf jeden Fall unser Ziel.»

Von Valencia nach Bremgarten

Doch nicht nur die Lokführer, sondern auch die neuen Fahrzeuge der Limmattalbahn erhalten hier in Bremgarten West ihre Feuertaufe auf den Schienen, bevor sie nach Dietikon in ihr eigentliches Einsatzgebiet zügeln. «Tramlinks» nennen sich die acht neuen Zugkompositionen, die dereinst für die Limmattalbahn im Einsatz stehen werden. Wobei «Zug» für die Fahrzeuge eigentlich genauso eine falsche Bezeichnung ist wie «Tram».

Tramlinks sind nämlich Hybride, die Eigenschaften beider Schienenfahrzeuge aufweisen. So haben sie im Gegensatz zu Trams etwa Türen auf beiden Seiten. Genauso wie Lokführerstände an beiden Enden. Im Gegensatz zu Zügen aber sind sie zum Beispiel mit Blinklichtern ausgestattet. Und die Türen sind niedrig, für den Einstieg nicht ab Perron, sondern direkt ab Trottoir. Tramlinks sind zudem mit einer flexiblen Zugsicherung je nach Streckenabschnitt ausgestattet. So verhindert das Sicherheitssystem auf zugähnlichen Strecken das Losfahren bei Rotsignalen oder falsch gestellten Weichen automatisch. Auf Strassenabschnitten hingegen wird den Lokführern mehr Autonomie und Handlungsspielraum gewährt. «Die Tramlinks sind damit ideal für die Bedürfnisse der Limmattalbahn, die sowohl in stadt- als auch landähnlichen Gebieten unterwegs sein wird», sagt Peer.

Die acht Kompositionen stammen aus den Werken von Stadler-Rail in Valencia und werden in Etappen nach Bremgarten geliefert. Hier werden sie im Depot aus drei Einzelteilen zusammengebaut und erhalten von Mechanikern den letzten Schliff, bevor sie schliesslich von Bremgarten West aus getestet werden und ihre Bedienung von den auszubildenden Lokführern erlernt wird.

«Meist sind die neuen Fahrzeuge während Fahrplanlücken zwischen Wohlen und Bremgarten unterwegs», erzählt Briner. Und wenn man sich gut achte, seien sie während dieser Testfahrten durchaus auch abseits von Bremgarten West für Passagiere anzutreffen. Beim Erdmannlistein nämlich kreuzen die Tramlinks zuweilen die Regelzüge der S17.

Gründliche Streckenbesichtigung

Am Steuerknüppel wird man allerdings nicht die Teilnehmer der 3. Klasse von Peer ausmachen können. Noch nicht.

Nach dem Kapitel Bremsen folgt für sie erst mal ein Intensivkurs in Funksystem und dessen Handhabung. Danach wird ein Streckenabschnitt bei Dietikon inspiziert. Aber nicht im angenehm klimatisierten Tramlink-Führerstand, sondern bei rund 30 Grad zu Fuss. Gründliches Kennenlernen aller Teile der Strecke unter allen Bedingungen fürwahr. So gehört sich das bei der Bremgarter Lokführer-Schule der AVA.


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