Quer durchs Alpenland

  19.08.2022 Muri

Der Murianer Heinz Loher am Ultratrail

390 Kilometer von Vaduz bis Montreux war der 1. Ultratrail Crossing Switzerland lang. Heinz Loher ist ihn gelaufen.

Nach fünfeinhalb Tagen hatte er sein Ziel erreicht. Es war sein dritter Ultra lauf in dieser Länge und ging quer durch die Schweiz. Angefangen hatte Heinz Loher als 15-Jähriger mit Thriathlon. «Schwimmen, Radfahren und Laufen, das war damals eine Kombination, die es so noch nicht gab. Das hat mich gereizt.» Als die Sportart dann immer bekannter wurde, verlor er das Interesse daran. Danach machte er 20 Jahre überhaupt keinen Sport. Bis er das Pilgern entdeckte. «Ich pilgerte nach Einsiedeln. Das Laufen hat mich fasziniert.» In Einsiedeln traf er dann einen, der ihm vom Rigilauf erzählte. Auch an diesem nahm er teil. Es folgte der Bieler Lauf. Sieben Mal machte er dort mit. Mittlerweile liegen hinter dem 56-Jährigen 46 Ultratrails. --sus


Alles reine Kopfsache

Heinz Loher nahm am 1. Ultratrail Crossing Switzerland teil

Es war das allererste Rennen, welches ein ganzes Alpenland durchquerte. In fünfeinhalb Tagen nach 390 Kilometern war Heinz Loher als 48. am Ziel in Montreux. Insgesamt 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wagten das Abenteuer.

Susanne Schild

Warum stellt sich ein Mensch dieser Herausforderung? Das hat sich der 56-jährige Heinz Loher auch gefragt. «Ich habe noch nicht herausgefunden, weshalb ich Ultratrail-Läufer bin. Bis ich es herausfinde, werde ich es immer wieder machen», so seine Antwort.

Das Abenteuer begann in der Hauptstadt von Liechtenstein, Vaduz, und führte über 390 Kilometer und 24 000 Höhenmeter von Ost nach West durch die Schweiz. Sieben Kantone, 17 Gipfel und 33 Gemeinden mit spektakulären Aussichten. Von hohen Berggipfeln über kleine Alpendörfer bis hin zu Bergseen.

Organisiert wurde das allererste Rennen, welches ein ganzes Alpenland durchquert, vom Verein «Dénivelé Positif», bekannt für die Organisation des Montreux-Trail-Festivals und des Humanitrails. Ihre Inspiration zogen die Organisatoren von dem Läufer Diego Pazos, dem Mitbegründer von Dénivelé Positif, der im Jahr 2020 die Via Alpina von Gaflei, oberhalb von Vaduz, nach Montreux solo rannte. Seine Zeit von 79 Stunden und 36 Minuten ist bis heute die schnellste bekannte Zeit aller Zeiten. Bei seiner Ankunft in Montreux sagte Pazos, er wünsche sich, dass jeder das erleben könne, was er im Jahr 2020 erlebt habe. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf begann die Planung des offiziellen Rennens.

Perfekt organisiert

Heinz Loher erlebte dieses Abenteuer wie weitere 169 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Als 48. kam er nach fünfeinhalb Tagen ans Ziel. Gelaufen ist er den Grossteil der Strecke alleine. «Natürlich kommt es vor, dass man einen Teil mit einem Mitläufer bestreitet. Doch man hat sein eigenes Tempo und so verliert man sich wieder.» Insgesamt gibt es auf der Strecke fünf sogenannte «Posten». Dort kann man essen, duschen und schlafen. Auch das persönliche Gepäck ist dort. «Die Organisation war perfekt.» 24 Stunden rund um die Uhr waren die Helfer im Einsatz. «170 Taschen mussten immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.» Auch die Verpflegung musste immer sichergestellt sein.

Die persönliche Konstitution ist wichtig

46 Ultraläufe liegen mittlerweile hinter ihm, davon drei von ähnlicher Länge wie der Crossing Switzerland. «Schon als kleiner Junge wollte ich einmal 100 Kilometer am Stück laufen. Die Vorstellung hat mich schon damals fasziniert.» Trainiert hat er für den Lauf nicht viel. «Der Kopf muss fit sein, sonst funktioniert so etwas nicht. Ich wusste, auf was ich mich einlasse.»

Gestartet ist er in der Nacht um zehn Uhr in Vaduz. Es war heiss. 25 Kilometer ging es geradeaus. Dann kam die erste Steigung. «Da merkst du das erste Mal, dass du keine Kraft mehr in den Beinen hast. Aber vor dir liegen noch 370 Kilometer. Da läuft man weiter. Es ist eine reine Kopfsache.»

Auch seine Ernährung hat er wegen dem Rennen nicht umgestellt. «Ich esse, was mir schmeckt. Ich will mein Leben nicht nach einem Lauf ausrichten.» Man müsse einfach den passenden Körper dafür haben. «Gute Gelenke und eine gute Konstitution sind das Wichtigste.»

Der ersehnte Blick auf den Genfersee

Während des gesamten Rennens hatte Heinz Loher immer ein Bild im Kopf. «Ich stellte mir den Blick vor, wenn ich das erste Mal auf den Genfersee hinabschaue.» Als er nach fünfeinhalb Tagen dann tatsächlich auf den See hinabblickte, liefen ihm die Tränen über das Gesicht. «Da haben mich die Emotionen einfach überwältigt. Da wusste ich, dass ich es fast geschafft habe.»

Diesen unvergesslichen Moment erlebte er zusammen mit einem polnischen Läufer aus Deutschland. Jaschek schloss sich ihm am letzten Posten an. «Er lief schon einige Zeit mit mir, sagte jedoch nichts. Deshalb dachte ich zuerst, er sei Franzose. Die sagen nie etwas.» Als er ihn fragte: «Heinz, kann ich mit dir laufen?», sei das schon etwas Besonderes gewesen, so Loher. «Zumal ich ihm antwortete, dass er das schon machen könnte, jedoch noch eine Stunde auf mich warten müsste, da ich noch etwas essen und packen müsste.»

Jaschek wartete und so liefen sie die letzten anderthalb Tage gemeinsam. «Wir motivierten uns gegenseitig.» Beide waren erschöpft und sehr müde. Als Jaschek in der letzten Nacht Nasenbluten bekam, meinte Loher: «Jaschek, wir müssen weiter, wir können nicht hier auf der Alm bleiben.»

Tiefpunkte gab es nicht nur in der letzten Nacht. «Als ich in einer Nacht allein die Strecke nach Lenk lief, war ich so fertig, dass ich fast im Laufen eingeschlafen wäre.» Das Bedürfnis, sich einfach hinzulegen, sei immens gewesen. «Aber du musst weiter und du läufst weiter.»

Alle haben die gleiche Sprache gesprochen

Die Stimmung sei während der ganzen Zeit einfach einmalig gewesen, sagt Loher. Man sei eine Familie gewesen. Läuferinnen, Läufer, Helferinnen und Helfer. An jedem Posten habe man sich abgeklopft. «Obwohl wir uns grösstenteils nicht verstanden, haben wir doch irgendwie die gleiche Sprache gesprochen. Ob Japaner, Rumäne, Franzose, Spanier oder Belgier, wir alle hatten ein gemeinsames Ziel. Es war unser wundervolles Abenteuer.»

Konkurrenz habe es keine gegeben. «Wir haben gegenseitig auf uns geachtet. Haben uns in den Krisen motiviert.» Das sei ein ganz besonderes Erlebnis gewesen. Besonders war auch der Augenblick, als Heinz Loher das Ziel erreichte. Arm in Arm mit Jaschek, sagte dieser: «Heinz, es war so schön, mit dir zu laufen.»


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