Kleiner Papa, grosser Götti

  03.08.2022 Sport

Fussball, 1. Liga classic: Ronny Minkwitz (FC Wohlen) und Yanick Hofer (FC Muri) vor dem Saisonstart am Samstag

Zwei Vereine. Zwei Funktionäre. Zwei Freunde. Ronny Minkwitz und Yanick Hofer kennen den FC Wohlen und den FC Muri bestens. Sie freuen sich auf den Saisonstart in der 1. Liga classic und auf die gemeinsame Zukunft als Kumpels. Die Geburt eines Kindes wird sie bald für immer zusammenschweissen.

Stefan Sprenger

Sie kennen sich. Sie mögen sich. Und das schon seit Jahren. Ronny Minkwitz, 1,73 m gross, der feine Techniker mit dem lichten Haar aus Duisburg (heute Villmergen) und Yanick Hofer, 1,93 m gross, der besonnene Goalie aus Büttikon (heute Fahrwangen), sind gute Kumpels. Wie haben sie sich eigentlich kennengelernt? Wir blättern fünf Jahre zurück. Minkwitz war 2017 Profifussballer beim FC Wohlen in der Challenge League. Im Sommer 2014 gekommen, ringt er nach wie vor mit dem Durchbruch. Doch er wird vom damaligen Trainer Francesco Gabriele aussortiert und muss meist mit der U23 ran. Yanick Hofer wird als dritter Goalie in der Winterpause der Saison 2016/17 geholt – und kommt ebenfalls in der zweiten Mannschaft zum Einsatz.

«Alter, der Typ war echt lustig»

Dort lernen sie sich besser kennen. «Alter, der Typ war echt lustig», erinnert sich Minkwitz. Hofer kann nur lachen. Seit damals schätzen sie sich enorm. Minkwitz schwingt gleich deftig mit den Lobeshymnen: «Ich kann mich auf ihn verlassen, ich schätze ihn als ganzen Menschen. Er ist witzig, nett und wir haben ähnliche Ansichten über das Leben und den Fussball.» Hofer läuft ein wenig rot an. «Ich kenne niemanden, der zu allen Menschen so schnell einen Zugang findet wie Ronny Minkwitz. Seine offene und lustige Art ist einfach sympathisch. Vielleicht liegt es ja an seiner Glatze, dass ihn alle mögen», lacht der 25-jährige Hofer, der auf der Gemeinde Freienwil als stellvertretender Gemeindeschreiber arbeitet.

Von der Super League zum FC Muri

Hofer, der heute mit seiner Freundin Martina Jenny in Fahrwangen wohnt, wechselte in der Rückrunde der Saison 2017/18 für eine halbe Saison zu Sion in die Super League. «Die Luft der höchsten Liga zu schnuppern, Mitspieler wie Paijtim Kasami zu haben und die Arbeit von Cristian Constantin hautnah zu erleben, ja, das war definitiv eine grosse Erfahrung.» Für die Super League fehlte aber dann doch ein Stück, wie Hofer sagt. Seit Sommer 2018 ist er Torhüter beim FC Muri. Und wurde 2020 (dank den Überredungskünsten von Präsident Michael Stadelmann) zum Sportchef. «Ich muss ehrlich sagen, ich habe den Aufwand unterschätzt. In der Sommerpause konnte ich kaum abschalten, sondern war nonstop mit Spielerverhandlungen beschäftigt.» Reklamieren will er nicht. Er macht den Job gerne, weil er dem FC Muri gerne etwas zurückgibt. «Vorbild sein. Junge Menschen sollen sich auch im Verein engagieren, das ist wichtig», meint Hofer, der als Lohn (immerhin) eine Kiste Bier pro Saison kriegt.

Vaterrolle und «Mädchen für alles» beim FC Wohlen

Sein Kumpel Ronny Minkwitz war zwischen 2017 und 2019 beim FC Muri und kehrte dann zum FC Wohlen zurück. Aktuell ist der Offensivspieler aber auf Pause – und er wird vorerst auch nicht mehr kicken. Der Grund: Minkwitz wird bald Papa. Seine Freundin Jasmin Burkart wird in diesen Tagen ihren gemeinsamen Sohn auf die Welt bringen. «Ich freue mich auf alles, was kommt. Auf meine Rolle als Papa will ich mich zu 100 Prozent einlassen. Es wird eine aufregende und schöne Zeit.» Götti seines erstgeborenen Kindes wird Yanick Hofer. «Das finde ich sehr schön», meint dieser. Minkwitz klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. «Schon gut. Mein Junge.»

Ein Grund, wieso sich Hofer und Minkwitz so blendend verstehen, ist auch ihr Engagement im Verein. Hofer ist in seiner dritten Saison als Sportchef beim FC Muri. Minkwitz, der in Villmergen wohnt, engagiert sich seit Jahren auf der Geschäftsstelle des FC Wohlen. Seit einigen Wochen hat er dort ein 80-Prozent-Pensum und ist Geschäftsstellenleiter. Der Deutsche, der «nebenbei» via Fernstudium Sportökonomie studiert, erledigt dort alles, was an administrativer Arbeit anfällt. Beispielsweise Teile der Buchhaltung, des Sponsorings oder der Mitgliederverwaltung. Er sei aber eigentlich «Mädchen für alles».

«Die Themen, die wir beide besprechen, sind oftmals ähnlich. Die Probleme ebenso. Und wir haben beide einen Ansprechpartner, der das Gegenüber nur zu gut versteht», sagt FCW-Geschäftsstellenleiter Minkwitz. FCM-Sportchef Hofer nickt wiederum zustimmend.

Wenn man mit diesen beiden spannenden Typen an einem Tisch sitzt, dann gibt es viele Themen zu besprechen. Beispielsweise die Transferpolitik des FC Wohlen. Im Verein wartete man die Aufstiegsspiele ab, bevor man konkret mit den Spielern gesprochen hat. Eine Taktik, die nicht aufgeht.

FC Muri: 120 000 Franken – FC Wohlen: 400 000 Franken

Es gab 17 Abgänge, darunter verlor man den Topskorer Luiyi Lugo oder Offensivkünstler Davide Giampà. Was meint der frühere «Eis»-Spieler Ronny Minkwitz dazu? «Ach, es gibt immer mehrere Gründe für einen Abgang. Ich würde keinen Schuldigen suchen. Wir müssen nach vorne schauen und das Beste aus der Situation machen. Schlussendlich können wir jetzt nichts mehr daran ändern.» Das Team sei jetzt zwei, drei Jahre beinahe unverändert gewesen. Und der Aufstieg wurde trotzdem verpasst. «Vielleicht hat solch ein grosser Wechsel im Team auch etwas Gutes», meint Minkwitz, der die Arbeit vom neuen Sportchef Marko Muslin lobt. «Wir haben eine schlagkräftige Truppe hingekriegt. Wir sind ein wenig ein Überraschungsei. Der Umbruch ist gross. Und trotzdem wollen wir vorne mitspielen.»

Yanick Hofer, Sportchef des Aufsteigers FC Muri, hört gespannt zu. Auch er kennt den FC Wohlen bestens und hat natürlich eng verfolgt, was in der Sommerpause alles auf den Niedermatten passierte. «So, wie ich das sehe, hat der FC Wohlen auch in dieser Saison eine starke Truppe zusammen. Die letzte Saison war ja sensationell. Wohlen wurde Meister, das darf man nicht vergessen. Ob es gut oder schlecht war, mit den Vertragsverhandlungen bis nach den Aufstiegsspielen zu warten, kann man diskutieren.» Beim FC Muri hat er als Sportchef schon früh mit den Gesprächen begonnen. Auch bei Muri wusste man lange Zeit nicht, in welcher Liga man spielt. «Das war nicht immer einfach. Von da her kann ich es nachvollziehen, dass man abwartet.»

Hofer hat keinen einfachen Job als Sportchef des Aufsteigers. 120 000 Franken Budget hat er zur Verfügung. Als Vergleich: Vor rund sieben Jahren hatte der FC Muri in der 1. Liga classic ein Budget von 250 000 Franken, also mehr als das Doppelte. Und nochmals als Vergleich: Der FC Wohlen hat ein Budget von über 400 000 Franken. Wie lotst Hofer Spieler nach Muri? «Ich versuche neue Spieler mit dem Teamgeist anzulocken, denn dieser ist in Muri einfach grossartig zurzeit.» Und: Junge talentierte Fussballer wechseln eher auf die Brühl, weil sie dort eine reelle Chance auf viel Einsatzzeit haben. «Bei einem Topclub der 1. Liga classic ist das eher schwierig», so Hofer.

«FC Muri kann ohne Probleme mithalten»

Minkwitz gibt seinen Senf zum FC Muri ebenfalls ab. «Ich spielte zwei Jahre in Muri und der Verein und viele Mitspieler von damals sind mir sehr ans Herz gewachsen. Unter Sportchef Hofer und Präsident Stadelmann wurde der Verein familiärer und die Atmosphäre ist viel besser geworden. Sie haben eine gute Truppe und mit Piu einen tollen Trainer. Ich bin mir sicher, der FC Muri kann in dieser Liga ohne Probleme mithalten.» Sein Kumpel Hofer rümpft die Nase. «Ohne Probleme? Mal schauen. Wenn wir den Ligaerhalt schaffen, dann wäre das sensationell.»

Spielplatz statt Fussballplatz

Beide Teams starten am nächsten Samstag ( jeweils um 16 Uhr) mit einem Heimspiel in die neue Saison. Wohlen (gegen Münsingen) will wieder vorne mitspielen. Muri (gegen Neuchâtel Xamax U21) will den Klassenerhalt schaffen. Hofer wird als Goalie zwischen den Murianer Pfosten stehen. Minkwitz wird beim FC Wohlen zusehen.

Die beiden Freunde werden auch in Zukunft viel Zeit gemeinsam verbringen. Neu-Papa Minkwitz und Neu-Götti Hofer werden dann vielleicht vermehrt zusammen auf dem Spielplatz statt auf dem Fussballplatz sein. Doch wer weiss: «Wie soll ich sagen: Ich kann mir vorstellen, mit Yanick einmal an der Seitenlinie zu stehen.» Die Rollen sind schon klar verteilt. Minkwitz als Trainer, Hofer als Assistent. «Weil Goalies nicht viel Ahnung vom Fussball haben», sagt Minkwitz lachend. Ist Hofer beleidigt? «Nein, er hat recht.» Man merkt: Die beiden Freunde verstehen sich bestens.


Start am Samstag

Die neue Saison in der 1. Liga classic geht los. Der Aufsteiger FC Muri trägt aufgrund des Kunstrasenbaus sein Heimspiel auf dem Letten in Sins aus. Anpfiff ist am Samstag (16 Uhr) gegen den FC Neuchâtel Xamax U21. Der FC Wohlen bestreitet ebenfalls ein Heimspiel zum Auftakt. Am Samstag um 16 Uhr ist der FC Münsingen zu Gast auf den Niedermatten.


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