«Das Projekt meines Lebens»

  29.07.2022 Bremgarten

Stadthof: Nach Bewältigung der letzten Hürden nimmt die Umsetzung des neuen Restaurants im Herzen der Altstadt Fahrt auf

Renato Rocchinotti hat in der Region schon viele grosse Bauprojekte umgesetzt. Der Umbau des geschichtsträchtigen Bremgarter Stadthofs ist aber auch für einen wie ihn etwas ganz Besonderes. Nun ist die Baubewilligung rechtskräftig. Und Rocchinotti hat weitere Gründe, voller Optimismus und Vorfreude in die Zukunft zu blicken.

Marco Huwyler

Rein visuell gibt das historische Gebäude beim Bremgarter Ortseingang derzeit ein eher tristes Bild ab. Wer nach dem Spittelturm in die Antonigasse einbiegt, wird von ein paar schrägen Buchstaben an der grau melierten Fassade an ein einstiges «Hotel ...of» erinnert. Und trotz den aufgestellten Baugerüsten deutet wenig darauf hin, dass hier ein ehemaliges Bijou in Bälde wieder in seiner alten Pracht erblühen soll. Arbeitende sind nämlich keine auszumachen. Die Türen geschlossen. Ist das Umbauprojekt des Stadthofs, das zur Freude der Stadtbevölkerung wieder ein Restaurant im Erdgeschoss vorsieht, etwa ins Stocken geraten?

Glücklicherweise trügt der Schein. Die Bauarbeiter befinden sich lediglich in der wohlverdienten Sommerpause. Hinter den Kulissen hat sich in den vergangenen Wochen gar so einiges getan – in die richtige Richtung. Und selbst der ausladende, vermeintlich halb heruntergerissene Schriftzug ist kein Zeichen der Verlotterung, sondern vielmehr eines der Revitalisierung. «Die Buchstaben wurden als Vorsichtsmassnahme entfernt», lacht Renato Rocchinotti darauf angesprochen. «Den Schriftzug hängen wir nämlich nach Abschluss der Renovationen wieder in den Originalbuchstaben auf.»

Die sechs fehlenden Lettern werden derweil im Büro des Poliers zwischengelagert. Sie waren den Schuttrohren im Weg, die für die Abbrucharbeiten in den letzten Monaten benötigt wurden. «Damit sind wir nun fast durch», berichtet Rocchinotti. «Nun können wir mit dem Wiederaufbau und der Gestaltung des ‹neuen› Stadthofs beginnen.»

Das Nonplusultra in der Baubranche

Möglich ist dies, weil die Baubewilligung für die vier Wohnungen und das Restaurant in der historischen Immobilie im Herzen der Bremgarter Altstadt seit einigen Tagen in Rechtskraft erwachsen ist. «Jetzt geht es wirklich los und wir können das, was wir uns monatelang erdacht und erträumt haben, in die Tat umsetzen.» Rocchinottis Augen leuchten förmlich, wenn er über den Stadthof spricht und seine Pläne präsentiert. «Das Gebäude ist ein ganz, ganz besonderer Ort für mich», schwärmt er. «Jedes Mal, wenn ich hierherkomme, lacht mein Herz angesichts dessen, was wir hier umsetzen dürfen. Uns bietet sich eine einmalige Gelegenheit, für ein historisches Städtchen Historisches zu schaffen. In der Baubranche gibt es nichts Schöneres.»

Auch Stararchitekt Feuer und Flamme

Offensichtlich sieht dies auch Andrin Schweizer ähnlich. Als die Projektverantwortlichen im Januar voller Stolz verkündeten, den Stararchitekten für das Restaurantkonzept gewonnen haben zu können, war noch nicht klar, wie stark involviert dieser letzten Endes tatsächlich sein würde. «Wir waren glücklich alleine mit dem Konzept – zumal wenn man bedenkt, was Schweizer sonst noch alles zu tun hat und wie vielen Projekten in aller Welt er jeden Monat absagt», erzählt Rocchinotti. Doch der Stadthof habe es auch Schweizer angetan. «Er hat uns gefragt, ob er zusätzlich auch die Umsetzung übernehmen dürfe. Natürlich haben wir dies mit Handkuss angenommen.» Schweizer wird damit den Umbau und die Verwirklichung seiner Pläne eng begleiten und so oft es geht in Bremgarten vor Ort sein.

Auch Roger Rüeggsegger, der für die Gesamtarchitektur des Projektes zuständig ist (inklusive der oberen Stöcke), war gerne dazu bereit, seinem berühmten Kollegen die Umsetzung des Restaurantprojekts zu überlassen. «Das zeigt für mich Grösse», findet Rocchinotti. «Rüegsegger lässt damit beim prestigeträchtigsten Teil des Umbaus Schweizer den Vortritt – zum Wohle des Gesamtprojektes.» Wie Rocchinotti findet, zeige dies exemplarisch den Spirit, der unter den Projektverantwortlichen herrsche. «Alle stellen ihre Egos zurück, ziehen an einem Strang und wollen schlicht das Bestmögliche für Bremgarten und seinen Stadthof.»

Einsprachen entkräftet

Dafür dass ebendiesen Idealismus nicht nur die Involvierten, sondern auch die Tangierten an den Tag zu legen bereit sind, musste Rocchinotti in den vergangenen Monaten Überzeugungsarbeit leisten. Nach der Einreichung des Baugesuches Anfang Jahr waren während der öffentlichen Auflage bei der Stadt nämlich insgesamt vier Einsprachen eingegangen. Einige Anwohner störten sich an Punkten des Projektes und fürchteten um ihre Altstadtidylle.

Zwischen Bauherrschaft und Einsprechenden kam es daher zu einer Einigungsverhandlung. «Wir sassen an einem runden Tisch und ich appellierte an das Gewissen und den Sinn für das Gemeinwohl von allen Beteiligten», erzählt Rocchinotti. «Weshalb sollten nur ein paar wenige Privilegierte die schönste Reussaussicht von Bremgarten aus geniessen können? Es ist meiner Ansicht nach fast schon eine Pflicht, dass man dies auch einer breiten Öffentlichkeit ermöglicht.»

Rocchinottis leidenschaftlicher Appell hatte offenbar die gewünschte Wirkung – in Kombination mit einem Kompromiss. Die Gartennutzung für das Restaurant wurde nämlich einstweilen wieder aus der Baubewilligung herausgenommen. Ein Weiterzug der Einsprachen ging danach innert der gültigen Frist nicht mehr ein. «Darüber bin ich sehr froh. Es ist schön, können wir dieses Herzensprojekt ohne negative Vibes und zähe Gerichtsstreitigkeiten durchführen», sagt Rocchinotti. «So herrscht über dem neuen Stadthof von Anfang an ein gutes Karma.»

Eröffnung am Leuefäscht?

Was die vier entstehenden Eigentumswohnungen in den Stockwerken oberhalb des Restaurants betrifft, brauchte sich der Bauherr über mangelndes Interesse wie erwartet nicht zu beklagen. Obwohl nie ausgeschrieben, sind bereits jetzt drei von ihnen verkauft. Einzig die Dachwohnung direkt unter dem historischen Giebel ist momentan noch zu haben. Was allerdings nicht an mangelndem Interesse liegt, sondern vielmehr daran, dass sie noch gar nie zur Besichtigung zur Verfügung stand. «Ich möchte, dass der potenzielle Käufer sich dabei vorstellen kann, wie die Wohnung dereinst aussehen wird. Das ist hier oben derzeit noch nicht wirklich möglich», sagt Rocchinotti an Ort und Stelle, wo die geplante grosszügige Galerie direkt unter dem Dach und das einladende Atrium zur Flussseite hin heute bestenfalls zu erahnen sind.

Dennoch fällt es einem angesichts des ansteckenden Enthusiasmus des Bauherrn und vor allem beim Blick aus den Fenstern nicht wirklich schwer, sich vorzustellen, welch Privileg der künftige Bewohner auch hier dereinst geniessen wird. Auf Flussseite bietet sich einem ein überwältigendes 180-Grad-Panorama der sich an Bremgarten vorbeischlängelnden Reuss – auf der anderen hoch über Markt- und Antonigasse fast auf Augenhöhe mit dem Spittelturm-Ziffernblatt ein erhabener Blick auf die vorbeischlendernden Altstadtpassanten.

Rocchinotti gibt zu, dass er sich selbst eingehend überlegte, ob er nicht eine der vier Wohnungen zur Eigennutzung behalten wollte. «Die Verlockung war schon sehr gross», bestätigt er lachend. «Doch letztlich habe ich mich dazu entschieden, dass mir die Rolle als Restaurantmitinhaber, Umbau-Initiator und Bauherr zu genügen hat. Denn der Stolz darüber ist ja bereits riesig.» Rocchinotti freut sich schon darauf, dereinst mit seinen Enkelkindern auf der Restaurant-Terrasse zu sitzen und ihnen von der Geschichte des Gebäudes und seiner alsbald prominenten Rolle darin zu erzählen. «Ich bin wirklich sehr dankbar für diese Chance. Es ist das Projekt meines Lebens.»

Den Stadthof «der Bremgarter Bevölkerung übergeben» zu dürfen, wie Rocchinotti die Restaurantneueröffnung nennt, wird für die Investoren ein besonderer Moment. Wenn es nach dem Bauherren geht, ist der ideale Zeitpunkt dafür das «Leuefäscht» im Sommer des nächsten Jahres. «Das wäre ein würdiger Anlass für den Stadthof. Ein noch nie da gewesenes Fest auch ihm zu Ehren.» Deshalb werden die Arbeiten an der Antonigasse 22 nach den Sommerferien mit Hochdruck wieder aufgenommen. Damit die historischen Lettern Ende Juni 2023 wieder komplett an der Fassade prangen und sowohl für Geschichte wie auch für Neubeginn stehen. «Dafür geben wir jetzt wirklich Vollgas», sagt Rocchinotti und strahlt über das ganze Gesicht.


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