Himmel und Hölle

  26.07.2022 Sport

Freiämter am Weissenstein-Schwinget

Lukas Döbeli holt sich am Weissenstein-Schwinget den begehrten Bergkranz. Sein Bruder Andreas Döbeli verletzt sich.

Wie nahe sich Himmel und Hölle im Sport sind, zeigte sich am Weissenstein-Schwinget. Das Positive: Lukas Döbeli holt sich den begehrten Bergkranz, nachdem er am Nachmitag aufdreht. Die schlechten Nachrichten: Joel Strebel fängt sich an seinem Auto einen Platten ein und verpasst danach den Kranz. Doch all dies geriet in den Hintergrund. Dies, weil sich Eidgenosse Andreas Döbeli schwer am Knie verletzt. «Der Schock sitzt tief», sagt sein Bruder Lukas Döbeli, der seinen Erfolg gar nicht so richtig feiern wollte. --spr


Gedämpfte Freude

Lukas Döbeli überzeugt als einziger Freiämter beim Weissenstein-Schwinget

Freud und Leid sind im Sport manchmal sehr nahe beieinander. Während sich Lukas Döbeli über den ersten Bergkranz seiner Karriere freut, ist er gleichzeitig schockiert. Sein Bruder Andreas Döbeli hat sich am Knie verletzt. Die Freiämter sind erschüttert.

«Gute Besserung an Andreas Döbeli». Spätestens als der Speaker am Weissenstein-Schwinget diese Worte sagt, wissen die 4600 Fans und die 90 Schwinger, dass etwas nicht gut ist mit dem Freiämter Eidgenossen. Im Kampf gegen Matthieu Berger knallt es in seinem linken Knie. Döbeli humpelt aus dem Sägemehlring. Er versucht zwar weiterzumachen, doch es ist sinnlos. Ein MRI am Montagmorgen bringt die Diagnose Kreuzbandriss (siehe Kasten).

«Ich habe mich zusammengerissen»

Sein Bruder ist erschüttert. «Es tut mir unendlich leid für ihn», sagt der zwei Jahre jüngere Lukas Döbeli. Dabei hätte er allen Grund dazu gehabt, um überglücklich zu sein. Lukas Döbeli zeigt am Weissenstein-Schwinget eine sackstarke Vorstellung. Der Morgen sei «etwas durchzogen gewesen», sagt Döbeli. Nach einem Gestellten gegen David Lüthi bezwingt er Marco Oettli. Gegen Severin Schwander folgt eine Niederlage. Ein umstrittener Kampfrichter-Entscheid sorgt dabei für rote Köpfe. Während der Ringrichter Schwander als Sieger kürt, sind die Zuschauer der Meinung, dass Döbeli nicht mit beiden Schulterblättern im Sägemehl lag. «Ich musste diesen Entscheid schnell verarbeiten. Und irgendwie hat mich das gepusht», erklärt Döbeli.

Am Nachmittag kommt der 130 kg schwere Sarmenstorfer in Schwung. «Ich habe mich zusammengerissen», sagt er selbst. Mit Josias Witter, dem Eidgenossen Stefan Burkhalter und Ruedi Roschi bezwingt er drei starke Schwinger – und allesamt legt er sie in der ersten Minute ins Sägemehl. So sichert er sich den ersten Bergkranz seiner Karriere. Ein verdienter Erfolg für eine eindrückliche Leistung am Nachmittag. «Der Kranzgewinn wurde nicht so gefeiert wie sonst», sagt Lukas Döbeli. «Mir wäre es lieber gewesen, ich hole keinen Kranz und Andreas wäre dafür gesund.» Lukas Döbeli hatte selbst auch mit kleinen Blessuren zu kämpfen. Eine Zerrung im Oberschenkel, eine Verstauchung im Nacken. Am Donnerstag überlegte er sich noch eine Absage des Weissenstein-Schwingets. «Es war wohl die richtige Entscheidung, anzutreten», meint er. 15 Eidgenossen waren am Start. Für Döbeli ein Vorteil. «Die Blicke waren auf die Eidgenossen gerichtet. Ich fühle mich wohl in der Rolle als Underdog.» Das war am Aargauer Kantonalschwingfest in Beinwil/Freiamt vor drei Wochen anders. «Jeder hat auf uns Freiämter geschaut, wir konnten nicht so befreit schwingen.» Am Weissenstein-Schwinget hat das für ihn bestens geklappt.

Joho jubelt, «als hätte er den Kranz geholt»

Die anderen Freiämter zeigen durchzogene Leistungen. Joel Strebel verpasst den Kranz (siehe «Nachgefragt»). Der Merenschwander Reto Leuthard gewinnt zwei Kämpfe, stellt einen Gang und verliert drei Mal – Rang 15d. Die gleiche Bilanz hat Philip Joho. Der Sarmenstorfer landet auf Rang 16c. Sein Bruder Pascal (Jahrgang 2004) schafft drei Gestellte, einen Sieg und muss zwei Mal als Verlierer aus dem Sägemehl steigen. Er ist am Ende auf Rang 19a, landet aber einen beachtlichen Achtungserfolg. Pascal Joho zeigt sich im Duell mit Adrian Walther, der vor einer Woche das Berner Kantonalschwingfest in Thun gewonnen hat, von seiner besten Seite und erreicht einen Gestellten. Darüber freut er sich ausgelassen, «als hätte er gerade den Kranz geholt», wie es im Schweizer Fernsehen heisst.

Zwei Trainingslager

Den Sieg holt der Berner Matthias Aeschbacher. Er bezwingt im Schlussgang Domenic Schneider mit innerem Haken nach 40 Sekunden. Besonders erwähnenswert: Schwingerkönig Kilian Wenger holt auf dem Weissenstein seinen 100. Kranz.

Für die Freiämter Schwinger geht es am kommenden Wochenende ins Trainingsweekend (in Glarus) des Nordwestschweizerischen Schwingerverbands, eine Woche später folgen Trainingstage (im Wallis) unter der Leitung von Tommy Herzog, dem Trainer, der die Schwinger zu Höchstleistungen pusht. Am 7. August folgt das «Nordwestschweizerische» in Brugg. Danach wird selektioniert, wer ans Eidgenössische Schwingund Älplerfest Ende August nach Pratteln darf. «Nach dem Kranzgewinn am Weissenstein ist zwar wieder mehr Druck da, aber es gilt für mich, möglichst befreit an die Sache ranzugehen. Am ‹Nordwestschweizerischen› will ich alles reinwerfen und sechs gute Gänge zeigen», so Lukas Döbeli. Sein Ziel ist klar: Am «Eidgenössischen» teilnehmen und dort endlich ein «Böser» werden. --spr


Kreuzbandriss bei Andreas Döbeli

Es geschieht im vierten Gang gegen Matthieu Burger. Ein Knall im Knie. Andreas Döbeli greift sich ans linke Knie. Der 24-Jährige sagt: «Ich hatte eine Vorahnung». Und diese sollte sich bestätigen. Nach einem MRI ist die Diagnose klar und niedersch met ter nd: K reuzba nd r iss. Nächste Woche wird Döbeli operiert. Die logische Konsequenz: «Ich breche die Saison ab». Der Sarmenstorfer ist am Boden zerstört. Wenige Wochen vor dem Saisonhöhepunkt, dem «Eidgenössischen» in Pratteln, endet für ihn die Schwing-Saison abruppt und bitter. «Ich habe mich schon besser gefühlt» sagt Döbeli. Doch er ist mental stark. «Solche Verletzungen gehören zum Sport», meint er. Sein Fokus ist jetzt schon nach vorne gerichtet. Am nächsten «Eidgenössischen» 2025 sei er auch noch in einem guten Alter. «Es ist jetzt gerade nicht einfach. Aber ich werde versuchen, das Beste aus der Situation zu machen». --spr


NACHGEFRAGT

«Das hat uns alle runtergezogen»

Kein Bergkranz am Weissenstein für den Freiämter Joel Strebel. Der Aristauer verliert seine ersten beiden Gänge und dreht dann auf. Doch es reicht nicht mehr. Der Eidgenosse wirkt aber gefasst und die Enttäuschung über den verpassten Kranzgewinn hält sich für einmal in Grenzen. Die Verletzung von Teamkamerad Andreas Döbeli hat alles in den Hintergrund gerückt – und auch Strebel nachdenklich zurückgelassen. Der 25-Jährige will nun etwas den Kopf lüften, bevor das «Nordwestschweizerische» (7. August) und das «Eidgenössische» (27./28. August) in Pratteln anstehen.

Drei Siege, zwei Niederlagen, ein Gestellter. Am Weissenstein-Schwinget gibt es keinen Kranz für Sie und nur Rang 9e. Enttäuscht?

Joel Strebel: Der Tag startete schon ziemlich mühsam.

Wieso?

Als ich frühmorgens auf den Parkplatz am Weissenstein-Schwinget einbog, hat es stark geregnet. Ich habe fast nichts mehr gesehen. Ich habe dann einen Stein touchiert und mir einen Platten am Auto eingefangen. Ich habe das Auto dann noch irgendwie auf einen Parkplatz manövriert. Der Sponsor meines Autos, das Autocenter Limmattal, hat dann alles organisiert, dass abends wieder alles in Ordnung war. Dafür war ich enorm dankbar.

Nach dem Platten ging es im 1. Gang gleich gegen Matthias Aeschbacher, den späteren Festsieger. Sie haben verloren.

Eigentlich lief es nicht schlecht, und ich hatte auch die Chance, ihn zu bezwingen. Doch er hat mich kalt erwischt. Der 2. Gang gegen Stefan Gäumann ist dann superblöd gelaufen. Ich hatte ihn auf der Seite und wollte ihn rüberziehen. In 99 von 100 Fällen klappt das. Doch dieses Mal konnte sich Gäumann befreien und übersteigen. Plötzlich war ich in einer misslichen Lage, aus der ich nicht mehr rauskam, sodass ich auch das zweite Duell unglücklich verlor. So läuft es manchmal.

Nach den ersten beiden Niederlagen haben Sie aufgedreht und konnten Remo Ackermann, Thomas Kuster und Steffen Gustav bezwingen. So hatten Sie im letzten Gang sogar noch eine Chance auf den Kranz.

Im Nachhinein hätte aber auch ein Sieg im letzten Duell nicht gereicht für den Bergkranz. Gegen Adrian Walther war es ein Riesenfight. Am Ende stellen wir den Gang und gehen beide ohne Kranz nach Hause. Es ist natürlich sehr schade, aber es gibt Schlimmeres.

Sie wirken gefasst.

Die Verletzung von Andreas Döbeli ist mir eingefahren. Für uns Freiämter war das nicht einfach zu verdauen und es hat uns alle runtergezogen. Und es hat mich an meine Verletzungen in der Vergangenheit erinnert. Der Kranzgewinn spielte plötzlich eine untergeordnete Rolle. Ich bin froh, dass ich gesund bin. Und ich wünsche Andreas von Herzen gute Besserung.

In einem Monat ist das «Eidgenössische» in Pratteln der absolute Höhepunkt. Wie ist Ihr Fahrplan?

Wie gesagt, die Gesundheit ist das Wichtigste. Ich will jetzt mal meinen Kopf lüften. Es folgen dann zwei Trainingslager. Am 7. August folgt dann das «Nordwestschweizerische» in Brugg. Es kann sein, dass dies das letzte Schwingfest für mich ist vor dem «Eidgenössischen» Ende August. Ich glaube, weniger ist manchmal mehr. Und ich möchte nichts riskieren. --spr


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote