Der rasende Lüthi

  22.07.2022 Sport

Sporthelden von damals: Sprinter und Bobanschieber Markus Lüthi aus Wohlen ist der schnellste Freiämter aller Zeiten

Mit seiner Bestzeit wäre er auch 2022 der schnellste Schweizer geworden. Markus Lüthi wurde vor rund 20 Jahren Schweizer Meister über 100 und 200Meter. Einige Vereinsrekorde des TV Wohlen hält er auch heute noch. Der 42-Jährige blickt zurück auf seine Leichtathletik-Karriere und auf seinen viel diskutierten Wechsel in den Bobsport.

Stefan Sprenger

Der schnellste Wohler humpelt. «Ein ziemlicher Mist» – so betitelt Markus Lüthi seine aktuelle Situation. Er musste vor wenigen Monaten sein Knie operieren lassen. Das volle Programm. Meniskus flicken. Knorpelschaden beheben. O-Bein begradigen. «In meinem Sportlerleben hatte ich nie grobe Verletzungen, dafür jetzt», sagt der 42-Jährige. Der sonst so aktive Lüthi muss sich etwas zurücknehmen. Seit 12Jahren ist er bei der Stadtpolizei Zürich. Rund ums Seebecken ist sein Einsatzgebiet, Kreis 1, 2, 7 und 8. Der aufregende Job als Polizist ist aber aktuell nicht mehr möglich mit seinem lädierten Knie. Von 100 Prozent im Aussendienst musste er vorübergehend in den Innendienst wechseln und arbeitet die Hälfte seines üblichen Pensums. «Das kommt schon wieder», sagt er.

«Schon verrückt»

Gemütlich sitzt er auf der Terrasse seiner schmucken Wohnung in Bergdietikon. Hier lebt er mit seiner langjährigen Freundin, die ebenfalls bei der Stadtpolizei Zürich arbeitet. «Schon verrückt», sind die früheren Zeiten gewesen. Er erinnert sich an seine Anfänge beim TV Wohlen. Beim «Schnellscht Wohler» holte er den 3. Rang und wurde daraufhin in die Jugendriege des TV Wohlen geholt. Und dort startete er eine steile und schnelle Karriere in den Sprintdisziplinen. Markus Lüthi war eine Sprintrakete und mehrere Jahre an der nationalen Spitze. 2003 wird er erstmals Schweizer Meister im 200-Meter-Lauf. 2005 holt er sich den nationalen Titel über 60 Meter. Und 2006 wurde er Schweizer Meister über 100Meter und über 60Meter in der Halle. Lüthi war und ist bis heute der schnellste Wohler aller Zeiten. Seine Bestzeit über 100Meter: 10,36, aufgestellt 2003. Über 200 Meter ist seine Bestleistung 20,84. Lüthi stellte mehrere Aargauer Rekorde auf. Beim TV Wohlen hält er bis heute die Vereinsrekorde über 100, 200 und 400Meter. Weitere Highlights waren Teilnahmen an Europameisterschaften. 2005 landete er auf dem 16.Rang bei der Hallen-EM. 2006 verpasste er an der EM knapp die Qualifikation für den 100-Meter-Halbfinal. Mit einem stolzen Lächeln erinnert er sich an die damaligen Zeiten. «Schon geil», sei es gewesen.

Erinnerungen an den TV Wohlen

Sein Trainer beim TV Wohlen war Bruno Rohrer, der auch heute noch im Verein die Sprinter trainiert. Wegbegleiter auf der Tartanbahn in den Niedermatten waren Deborah Lavagnolo oder die Zwillinge Roger und Marcel Huber. Und natürlich das TV-Wohlen-Wurf-Urgestein Roger Strasser. «Mit ihm habe ich viele Stunden im Kraftraum verbracht. Er ist manchmal immer noch aktiv dabei, habe ich gesehen. Unglaublich, dieser Typ.» Er erinnert sich noch bestens an die eidgenössischen Turnfeste mit dem Verein, an die Trainingslager im Tessin oder in Kaltern. Lüthi trainierte oft auch in Bern oder Zürich, weil dort die Leichtathletik-Leistungszentren sind – aber Wohlen blieb immer seine Heimat. Sportlich wie auch privat.

Den Wechsel in den Bob verstanden nicht alle

Seine erfolgreiche Leichtathletikzeit endete früh. Lüthi, der immer den Traum hatte, an Olympischen Spielen teilzunehmen, kriegte mit 26 Jahren eine einmalige Chance. Er wurde angefragt, als Bobanschieber zu starten. Der Traum von Olympia flammte auf. «Als Leichtathlet die Olympia-Qualifikation zu packen, wäre sehr schwierig geworden. Es fehlten mir immer noch sieben Hundertstel, um es zu schaffen.» Und das ist in den Sprintdisziplinen eine halbe Ewigkeit. «Im Bobsport war die Hoffnung einiges grösser. Ausserdem hat es mir riesigen Spass gemacht, den Eiskanal runterzudonnern», erklärt er.

Nach der Leichtathletik-EM 2006 wechselt er die Sportart. Es war ein Wechsel, der in Leichtathletik-Kreisen viel diskutiert wurde. Nicht alle haben es verstanden. Lüthi war ja ein erfolgreicher Sprinter – und nun startete er etwas Neues. «Ich wollte das so. Ich wollte eine neue Herausforderung», so Lüthi. Im ersten Jahr war er Anschieber bei Bobpilot Ivo Rüegg, dann beim Hägglinger Piloten Daniel Schmid. Mit ihm erreicht er einige Top-Ten-Plätze im Weltcup. Mit dabei im Bob war auch der Villmerger Florian Willisegger, mit dem Lüthi auch heute noch Kontakt pflegt. «Die Zeit im Bobsport war aufregend und spannend. Eine grosse Erfahrung.»

Nie mehr die Zeit gemessen: «Es wäre wohl verheerend»

Und sein Traum flammte auf. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver schaffte das Bobteam von Daniel Schmid. Lüthi durfte aber nicht mit. «Sieben Leute durften an die Olympischen Spiele. Ich war Nummer 8.» Sein Traum von Olympia klappt wieder nicht. Wiederum ist es knapp. Lüthi beendet 2010 mit 30 Jahren seine sportliche Karriere. Weil er es nicht an die Olympischen Spiele schaffte, bewarb er sich bei der Polizeischule – und legte den Grundstein für seine berufliche Zukunft.

Fortan geht er klettern, fährt Mountainbike, geht auf Skitouren. Lüthi bleibt aktiv. Bis ihn sein Knie dazu zwingt, weniger zu machen. «Ich bin ehrgeizig. Ich will wieder fit werden und so viel Sport machen wie möglich», sagt er.

Zu seinen Glanzzeiten schaffte Markus Lüthi die 100Meter in 10,36. Mit dieser Zeit wäre er an der Schweizer Meisterschaft 2022 wiederum Schweizer Meister geworden (Sieger Pascal Mancini lief 10,38). Wie schnell ist er heute noch? «Ich habe seit meiner Aktivzeit nie mehr meine Zeit über 100 Meter gemessen. Es wäre wohl verheerend», sagt er lachend und fügt an: «Ich will es gar nicht wissen.»

Nach Wohlen zu den Eltern – oder zum Zahnarzt

Er will aber nach wie vor wissen, wie es seinem Herzensverein geht: dem TV Wohlen. «Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen», erklärt er. Lüthi ist zwar Passivmitglied beim TV Wohlen, aber war schon viel zu lange nicht mehr zu Besuch an einem Anlass. «Es wird Zeit, wieder einmal vorbeizuschauen.» Er wird wohl noch viele Gesichter kennen. Und noch mehr werden den schnellsten Freiämter aller Zeiten noch kennen.

Zurück in die Heimat nach Wohlen geht er nur noch, um seine Eltern zu besuchen – «oder zum Zahnarzt». Aber jedes Mal, wenn er das Ortsschild «Wohlen» passiert, muss er zwangsläufig an die früheren erfolgreichen Sportlerzeiten denken. Der Polizist sagt: «Sobald ich wieder fit bin, werde ich an einen Anlass des TV Wohlen in den Niedermatten gehen. Versprochen.»


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