Irgendwie doch ein Freiämter Sieg

  12.07.2022 Sport

Pirmin Reichmuth gewinnt das Aargauer Kantonalschwingfest

Es ist das Schwinger-Comeback des Jahres: Pirmin Reichmuth gewinnt eindrücklich das «Kantonale» in Beinwil. Der 27-jährige Eidgenosse spricht nach seinem Triumph über seine grosse Vernetzung ins Freiamt.

Stefan Sprenger

Es wurde kein Freiämter Sieg. Und irgendwie jubelt am Ende doch ein Mann, der grossen Bezug zur Region hat. «Das Freiamt ist eher Innerschweiz als Aargau», lacht Pirmin Reichmuth. Er erklärt, dass seine Mutter in Sins aufgewachsen ist. Er selbst absolvierte zwischen 2011 und 2014 seine Lehre bei der Metzgerei Pius Balmer in Abtwil. «Und in Wohlen ging ich in die Berufsschule», sagt er weiter. Der Sieger des Aargauer Kantonalschwingfests ist zwar of‰ziell Innerschweizer, aber irgendwie eben auch ein kleiner Freiämter.

Mit Spannung wurde sein Comeback erwartet. Reichmuth gehört zur absoluten Schwingerspitze, musste aber in seiner Karriere schon viele herbe Rückschläge wegstecken. Zwischen 2014 und 2018 erlitt er drei Kreuzbandrisse am rechten Knie. Und trotzdem siegte der 1,98 Meter grosse und 130 Kilo schwere «Piri» im Jahr 2019 auf dem Brünig – in überragender Manier. Im selben Jahr belegte er beim «Eidgenössischen» in Zug den dritten Schlussrang. Das war sein letzter Wettkampf. 2020 ‰elen sämtliche Kranzfeste wegen Corona aus – und im Frühling 2021 wird er durch den vierten Kreuzbandriss zurückgeworfen. Diesmal am linken Knie.

Fünf Siege, fünf Schwünge

Und nun gab er am Aargauer Kantonalschwingfest sein Comeback. In der letzten Woche war Reichmuth noch heftig erkältet, aber auch das hinderte ihn nicht daran, im 1. Gang gegen den Freiämter Eidgenossen Andreas Döbeli zu gewinnen. «Das war sehr wichtig. Beim ersten Duell merkte ich, dass ich mich sehr wohl fühle, dass alles rund läuft.» Reichmuth siegte und legte den Grundstein für ein hocherfolgreiches Schwingfest.

Es war ein schwingerischer Gaumenschmaus, ihm zuzusehen. Er bodigte seine Gegner mit fünf verschiedenen Schwüngen. Döbeli (Kurz), Kaj Hügli (innerer Haken), Tiago Vieira (Gammen), Nick Alpiger (Sempach-Spezial) und Adrian Odermatt (Hochschwung). Im Schlussgang gegen den Aargauer Patrick Räbmatter (Uerkheim) lässt er ein Schluss-Feuerwerk los. Nach 46Sekunden erwischt Reichmuth den 150-kg-Mann mit einem inneren Haken. Sieg. Und es folgt eine eindrückliche Geste des Verlierers. Räbmatter hievt Reichmuth sogleich auf die Schultern. Ein besonderer Abschluss eines besonderen Schwingfests – und für Reichmuth der Moment, wo er sich sicher ist: Das Comeback ist nicht nur gelungen, sondern einfach perfekt gelaufen.

«Ich habe mental sehr viel gearbeitet, habe visualisiert und mir vorgestellt, wie es ist, zu gewinnen. Das hat mir sehr geholfen», erklärt Reichmuth. Mit beeindruckender Ruhe gibt er nach seinem Erfolg dieser Zeitung Schwingerzelt ein Interview. Für ihn habe es sich so angefühlt, als wäre er nie weg gewesen. «Es war so, als hätte ich letzte Woche das letzte Schwingfest bestritten.»

Hat er aber nicht. Es war ein Comeback nach fast drei Jahren Schwingfest-Abstinenz. Seinen Sieg werde er aber nicht gross feiern. «Duschen. Rangverkündigung. Etwas essen. Bisschen plaudern. Nach Hause. Morgen wieder arbeiten», sagt Reichmuth. Was darf man von ihm in diesem Jahr noch erwarten? Nach solch einem Mega-Comeback muss er die Latte doch ziemlich weit rauf hängen. Reichmuth winkt ab: «Es klingt banal, aber ich will einfach mein Bestes geben. Aber ja, an jedem Schwingfest ist es mein Ziel, zu gewinnen.» Er sei drei Jahre älter, drei Jahre gelassener, drei Jahre erfahrener.

Was ist am «Eidgenössischen» zu erwarten»

Und das nächste Eidgenössische steht im August in Pratteln an. Auch dort gilt für ihn: «Alles geben. Gang für Gang schauen.» Wenn er beim Comeback aber schon in so guter Form zu sein scheint, dann gehört er auch am Eidgenössischen zum Königsfavoritenkreis.

Für ihn war das Aargauer Kantonale in Beinwil die optimale Bühne für seine Rückkehr ins Sägemehl: «Ein wundervolles Schwingfest» sei es gewesen. «Die Menschen hier hatten Freude. Ich glaube auch, es waren viele Innerschweizer hier.» Er spürte grosse Unterstützung. Wohl auch von vielen Freiämtern. «Weil eben, das Freiamt ist ja eher Innerschweiz als Aargau», lacht er. Oder Reichmuth ist einfach nicht nur Innerschweizer, sondern auch ein kleiner, 1,98 Meter langer Freiämter.


Freiämter waren zu nervös

Vier Kränze: Durchzogene Bilanz der Freiämter

Vier Kränze war das Minimalziel. Joel Strebel, Reto Leuthard und die Döbeli-Brüder Lukas und Andreas holten diesen Kranz. «Trotzdem war es eher enttäuschend», sagt Yanick Klausner, technischer Leiter des Schwingklubs Freiamt. In den Schlussgang reichte es keinem Freiämter. «Andreas Döbeli hat sich den ganzen Tag durchgewürgt. Joel Strebel hatte manchmal auch Mühe», so Klausner. Für ihn ist klar, woran es gelegen hat: «Der Druck war gross an diesem Heimfest. Sie waren zu nervös», so Klausner. Die Freiämter Schwinger halfen beim Aufbau mit, trainierten am Donnerstag gemeinsam in der Arena. «Dazu haben sie wohl jeden zweiten Besucher gekannt. Das ist keine einfach Situation», so Klausner. Auch Trainer Tommy Herzog, der Schwinger-Schleiffer, der die Döbelis und Joel Strebel bestens kennt, weiss, wieso es nicht für mehr gereicht hat. «Es war die Nervosität eines Heimfestes, da bin ich 100 Prozent sicher.»

Joel Strebel, der mit vier Siegen, einer Niederlage und einem Gestellten auf Rang 4e landete (und damit der beste Freiämter war), untermauert diesen Fakt: «Alle reden seit Jahren von diesem Fest. Es war nicht einfach. Druck war da, auch wenn ich versuchte, diesen auszublenden.» Vor dem letzten Gang sei er «rumgehypert», dass es überhaupt noch für den Kranzgewinn reicht. Als er während dem Gang die riesige Unterstützung des Publikums hörte, «wurde ich noch nervöser». Auch wenn es teilweise ein Gewürge war von den Freiämter Schwingern, so zieht Joel Strebel ein positives Fazit: «Er war schön, es war speziell. Es war ein perfektes Schwingfest für alle Fans dieser Sportart. Die Stimmung war gewaltig. Ich glaube, besser geht es nicht. Die Freiämter sind vermutlich trotzdem froh, dass sie am Weissenstein-Schwinget in zwei Wochen nicht mehr die Hälfte der Zuschauer kennen. --spr


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