Mit Alphorn vor der Haustür

  12.07.2022 Sport

Hunderte Helfer, ausverkaufte Arena – ein Schwingfest für die Geschichtsbücher

Es gibt Lob von allen Seiten. Als «bäumiges Fäscht» angepriesen, entwickelte sich das Aargauer Kantonalschwingfest zu einer riesigen Party, die alle glücklich macht. Darunter war auch einer der besten Rollstuhl-Leichtathleten aller Zeiten.

Stefan Sprenger

Ein Betrunkener pöbelte rum und musste aus der Arena verwiesen werden. Um 10.30Uhr morgens musste ein Besucher mit dem Helikopter ins Spital gebracht werden. Eine Wespe hat die Person am Hals erwischt. Und einige Leute hatten Mühe mit den hohen Temperaturen und musste sich von der Sanität des Spitals Muri versorgen lassen – genauso wie eine Handvoll Schwinger, die sich im Sägemehl verletzten. Bei einem Anlass mit über 6000Besuchern gibt es eben Zwischenfälle.

Ansonsten spricht OK-Präsident Hermann Bütler von «drei Tagen voller Höhepunkte». Das 115.Aargauer Kantonalschwingfest in Beinwil/Freiamt war ein riesiger Erfolg. Am Sonntag war die Arena ausverkauft. 6200 Zuschauer. «Alle rühmen den Anlass. Das freut mich riesig», sagt Bütler. Beispielsweise Martin Buchmann, der Präsident des Schwingklubs Lenzburg, der zuletzt das «Kantonale» durchführte. «Für ein Kantonalschwingfest in der Nordwestschweiz ist das hier schon ziemlich grandios», meinte Buchmann (der früher Torwart bei Handball Wohlen war). Auch Landammann Alex Hürzeler war voll des Lobes.

Ein Ständchen am Morgen und erhörte Gebete

Bütler war glücklich über alle, die sich freuten. Und er selbst erlebt ein Wochenende voller schöner Erlebnisse. So erzählt Bütler von einer schönen Überraschung am Sonntagmorgen. Um 5.30 Uhr kam Isabelle Bucher (die Schwester vom Bauchef Pirmin Bucher) und spielte ihm ein Ständchen auf dem Alphorn. Isabelle Bucher, eine Alphornbläserin, wollte den OK-Chef überraschen und eine Freude bereiten. «Das ist ihr gelungen», lacht Bütler.

Egal ob Freitag, Samstag oder Sonntag. Egal ob Jungschwinger, Aktivschwinger oder Partygäste: «Die Stimmung war immer bestens», so Bütler, der das ganze Wochenende an gefühlten 30 Apéros dabei war und mehrere Ansprachen hielt, nach eigenen Aussagen «aber bis Sonntagabend kein Bier hatte». Bütler sagt: «Diese drei Tage waren fantastisch. Ich geniesse jeden Moment. Das Schönste ist, dass die Helfer so motiviert und mit viel Freude dabei sind.» Das ist auch der Verdienst des Oberhauptes. Als das Schwingfest 2020 Corona zum Opfer ‰el, musste Bütler nochmals alle Leute mobilisieren für die Ausgabe 2022. «Ich habe einen grossen Stein ins Wasser geworfen. Die daraus entstandene Welle hat alle gepackt», beschreibt er bildlich die Motivation der mehreren Hundert Helfer. «Für unser Dorf, für unsere Region, für ganz viele Menschen, es war einfach toll.» Herauszuheben ist dabei sicherlich der STV Beinwil, der geschlossen und mit viel Herzblut mitgeholfen hat an diesem Event.

«Wir alle haben es durchgezogen»

Auch das Wetter passte bestens. Schuld daran sei Trudi Wey, eine Beinwilerin, über 90Jahre alt. «Sie hat mir mehrmals gesagt, dass sie für gutes Wetter gebetet hat. Neulich kam sie zu mir und sagte: «Auftrag erledigt.»

Es ist eine von ganz vielen Randgeschichten an diesem Kantonalschwingfest. Man könnte wohl ein Buch füllen mit all den tollen Storys. Ein früherer «Beueler» reist beispielsweise extra aus München an fürs Kantonalschwingfest. Und auch Franz Nietlispach, einer der besten Rollstuhl-Athleten aller Zeiten und gebürtiger Oberfreiämter, kam an den Anlass und war hell begeistert. Ebenfalls dabei war Urs Lehmann, Abfahrtsweltmeister und heutiger Präsident von Swiss-Ski. «Ich war an zwei Tagen da, weil ich so begeistert war von diesem Anlass», sagt Lehmann, der am Samstag mit Gattin Conny und am Sonntag mit zehn Freunden (jeweils mit dem Fahrrad) nach Beinwil kam. Lehmann sagt weiter: «Was mir aufgefallen ist: Es hatte keinen Abfall oder Flaschen am Boden. Es war sehr sauber, sehr diszipliniert. Eigentlich unglaublich. Man vergleiche dies mit einem Konzert oder Fussballspiel.» Ihm ge‰el die gemütliche und freundschaftliche Stimmung enorm.

Bütlers emotionaler Höhepunkt war der Moment, als Reto Schärer auf dem Festgelände war. Der Beinwiler Turner, der vor zwei Jahren einen Schlaganfall hatte und seither nicht mehr essen, sprechen und laufen kann, wollte sich das Fest nicht entgehen lassen. Sein Bruder, Bauchef Rolf Schärer, holte ihn in seinem betreuten Wohnheim ab und chauf‰erte ihn aufs Festgelände. Die Holzobjekte am «Kantonalen» werden nun versteigert und kommen dann Reto Schärer zugute. «Als er mich anlächelt und sein Daumen nach oben geht, das war mein emotionalster Moment», so Bütler.

Der OK-Präsident ging stets voraus. Er hat diesen Anlass durchgezogen und allen Widrigkeiten zum Trotz richtig Gas gegeben. «Wir alle haben es durchgezogen», gibt Bütler das Lob an alle weiter, die an diesem Anlass in irgendeiner Form beteiligt waren. «Das hat gut getan. Einfach nur danke.»

Zufriedene Besucher, zufriedene Schwinger, zufriedene Helfer. Alles hat geklappt. Auch die Finanzen werden passen. Und gestern Montag, 9 Uhr, ging bereits der Abbau mit über 60 Helfern los. Auch die Freiämter Schwinger waren dabei. «Wenn einer das Schwingfest gewonnen hätte, dann hätte derjenige etwas länger ausschlafen können», lacht Bütler. Bis zum Ende der Woche wird auf dem «Chäbere»-Areal nicht mehr viel zu sehen sein von diesem Kantonalschwingfest, von dem man sich aber noch Jahrzehnte lang erzählen wird.


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