Spezielle Leistung

  24.06.2022 Sport

Zwei Freiämter mit Beeinträchtigung sorgten für Aufsehen. Patrick Nöthiger (vom St. Martin in Muri) und der Wohler Patrick Schweiger zogen am Ironman in Rapperswil grosses Interesse auf sich. Zu Recht. --spr


Jetzt sind sie beide Stars

Ironman: Die beiden Wohler Patrick Nöthiger und Patrick Schweiger mit herausragender Leistung

Beide sind Special-Olympics-Athleten, beide haben eine Lernschwäche, beide sind aus Wohlen und beide heissen Patrick mit Vornamen. Nöthiger und Schweiger zeigen am Ironman in Rapperswil-Jona beeindruckende Leistungen und erhalten dafür nationale Aufmerksamkeit. «Es war der schönste Tag meiner sportlichen Karriere», sagt Nöthiger.

Stefan Sprenger

«Es ist wie ein Traum», sagt Patrick Nöthiger. Vor einem Jahr, als er sich entschieden hat, an einem Triathlon zu starten, hatte er ein Bild in seinem Kopf. Das Bild, wie er durch die Ziellinie geht. Kaputt, und doch überglücklich. Und genau so ist es gekommen. «Es ist unglaublich, dass ich es geschafft habe», sagt der 38-Jährige, der in Wohlen aufwuchs und heute in Lenzburg wohnhaft ist.

Ein gefragter Mann

Nöthiger, der als Unterhaltspraktiker im St.-Martin-Altersheim in Muri arbeitet, ist am Ironman in Rapperswil-Jona der gefragte Mann. Er gibt den Printmedien Interviews, steht für einen Beitrag im Sportpanorama des Schweizer Fernsehens im Mittelpunkt. Patrick Nöthiger ist der erste Schweizer Special-Olympics-Athlet, der einen Halb-Ironman bewältigt. Der Rummel um seine Person machte ihm nichts aus. Im Gegenteil. «Es war überwältigend», so Nöthiger.

Über 8 Monate hat er auf diesen Tag hingearbeitet. Tägliche Trainings, viel Durchhaltewillen. «Vor dem Start hat es mächtig gekribbelt», erzählt er. Der Start erfolgt im Wasser. Die 1,9 km Schwimmen meistert er schneller als gedacht. Danach geht es für 90 km aufs Fahrrad. Zu guter Letzt geht es auf die Laufstrecke. Auf der Halbmarathon-Distanz über 21,1 km werden die Beine schwer. Da braucht es motivierende Worte seines Begleiters Jan van Berkel. Der Profi-Triathlet ist während des Triathlons an der Seite des Freiämters.

Nach 5 Stunden und 52 Minuten läuft Nöthiger erschöpft, aber überglücklich durchs Ziel. Er hat es geschafft. Bei 35Grad meistert er einen Triathlon. Beeindruckend. Er klassiert sich von insgesamt 1400 Teilnehmern im Mittelfeld. «Ich wäre gerne schneller gewesen. Aber bei dieser Hitze war das schwierig», sagt der ehrgeizige Sportler des Behinderten-Sportclubs Wohlen-Lenzburg.

Bei diesem Verein ist sein Vater Walter Nöthiger Präsident. Der Wohler ist riesig stolz auf seinen Sohn: «Er wurde von den Athleten, die ihn unterstützt haben, super aufgenommen. Es war alles sehr emotional. Was er geleistet hat, war gewaltig. Ich habe nur noch gestaunt. Auf der Laufstrecke hat er sogar gelächelt. Mein Sohn hat es genossen. Der Zieleinlauf war dann fantastisch», sagt Walter Nöthiger.

Sein Sohn schildert die letzten Momente des Triathlons so: «Eine wunderschöne Atmosphäre. Ich war einfach nur überwältigt. Es ging unter die Haut. Unter sechs Stunden diesen Triathlon zu schaffen, ist für mich gewaltig. Es war der emotionalste und schönste Tag meiner sportlichen Karriere.»

Schweiger: «Es war heiss, aber cool»

Ähnlich erging es Patrick Schweiger. Der 34-Jährige hat viel gemeinsam mit Patrick Nöthiger. Er ist ebenfalls aus Wohlen, Special-Olympics-Athlet, hat eine Lernschwäche und ist ein ehrgeiziger Sportler. Schweiger, der in diesem Jahr sein 15-Jahr-Arbeitsjubiläum (als Rohrnetzhilfsmonteur) bei der ibw in Wohlen feierte, ist Mitglied der Läuferriege Wohlen, des FC Niederwil in der 4. Liga – und des Behinderten-Sportclubs Wohlen-Lenzburg. Und auch er wollte sich eigentlich an den Triathlon wagen.

Im St. Martin in Muri abgefeiert

Weil er in der Vorbereitung krankheitsbedingt im Training zurückgeworfen wurde, musste er dieses Ziel aber revidieren. Aber aufgeben kam nicht infrage. Schweiger startete in der Staffel. Ins Wasser stürzte sich die ehemalige Spitzenschwimmerin Martina van Berkel. Die Radstrecke übernahm der Radprofi Fabien Lienhard. Und Patrick Schweiger ging auf die Laufstrecke über 21,1 km. «Ich habe dafür jeden Tag trainiert», so Schweiger. Zwei Stunden benötigt er für den Halbmarathon bei 35 Grad. «Es war heiss, aber cool», sagt er lachend. Gerne wäre er noch etwas schneller gewesen, «aber bei diesen Temperaturen war das schwierig». Die Staffel mit van Berkel, Lienhard und Schweiger schrammt nur knapp am Podest vorbei. Der 4. Rang ist trotzdem stark.

Nöthiger und Schweiger haben noch mehr gemeinsam. Als Lohn für ihren riesigen Willen, für die vielen Trainingsstunden und die geschaffte sportliche Höchstleistung gönnten sich beide zur Feier des Tages ein Bier. «Das musste sein», lacht Schweiger, der sich nach dem Halbmarathon eine Woche Urlaub im Tessin gönnt. Nöthiger hingegen ging dienstags wieder arbeiten im St. Martin in Muri. Dort wurde er von den Bewohnern und dem Personal gleich gefeiert wie ein Star. «Wie schon nach dem Triathlon am Wochenende habe ich viele Gratulationen erhalten. Das freut mich riesig», sagt Nöthiger.

Zur Leistung seines Kumpels Schweiger meint er: «Er hat diesen Halbmarathon super gemeistert. Hut ab.» Umgekehrt windet Schweiger dem Triathlon-Finisher Nöthiger ein sportliches Kränzchen: «Bombastisch, wie er das gepackt hat. Einfach beeindruckend.»

Ziel: Berlin im 2023

Noch eine weitere Gemeinsamkeit: Beide wollen im nächsten Jahr an den Weltspielen in Berlin am Start sein und müssen dafür einen Sprint-Triathlon in zwei Wochen bewältigen. An den Special Olympics World Games, die genau in einem Jahr stattfinden, wollen die beiden Freiämter dann den Triathlon meistern. «Ich bin nicht mehr der Jüngste. Es ist für mich möglicherweise die letzte Chance, an solch einem Grossanlass dabei zu sein. Ich will dort nochmals alles raushauen», sagt Schweiger.

Beim Fussball enden die Gemeinsamkeiten

Beide wurden am vergangenen Wochenende zu kleinen Stars. Beide überzeugten mit herausragenden Leistungen. Und beide haben bewiesen, dass man trotz Beeinträchtigung sportliche Höchstleistungen erbringen kann. Nöthiger ist superhappy, wie alles gelaufen ist. «Der Zeitaufwand war gross. Und ich verzichtete auf vieles. Ich habe jeden Tag versucht, die beste Leistung zu erbringen. Immer schneller. Immer härter. Nun ist dieser Druck weg. Ich habe es geschafft.» Und jetzt hat er wieder Zeit für andere Dinge. Fussballspiele zum Beispiel. Denn Nöthiger ist seit zwei Jahrzehnten grosser Fan des FC St. Gallen. Und dort enden die Gemeinsamkeiten. Denn Schweiger ist riesiger Fan der Grasshoppers Zürich. «Wir mögen uns trotzdem sehr», sagt Schweiger lachend.


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