Für viel mehr Vielfalt

  17.05.2022 Muri

Mit «Natur findet Stadt» soll die Biodiversität in Muri grösser werden

Totholz, Blumenwiesen, aber sicher keine Steingärten. «Natur findet Stadt» will die Biodiversität fördern. Am Freitag wird das Projekt in Muri lanciert. Die Gemeinde geht voran, aber auch Private und das Gewerbe sollen mitmachen.

Annemarie Keusch

Die Rote Liste wird immer länger, auch im Aargau. Die Liste, auf der bedrohte Tierarten stehen, umfasst zudem immer mehr Insekten. «Studien belegen, dass die Insektenvielfalt abnimmt», sagt Brigitte Bänninger vom Naturama. Aargau. Kreisläufe werden immer häufiger unterbrochen, sei es in Bezug auf Lebensraum, aber auch in Bezug auf Nahrung als Lebensgrundlage. «Ganz viele Arten haben Insekten als Hauptnahrung. Wenn es davon immer weniger gibt, gerät ein ganzes System in Schieflage», führt sie aus. «Natur findet Stadt» ist ein Projekt, das dagegen vorgehen will. Denn Bänninger betont: «Insekten zu fördern, ist in jedem Garten möglich.» Beispiele gibt es viele. Eines sind Totholzhaufen. «Nach wenigen Monaten siedeln sich darin unzählige Käfer an.» Steingärten dagegen bieten kaum Lebensgrundlage.

Neu ist das Projekt «Natur findet Stadt» nicht. Ursprünglich in Baden lanciert, wurde es vom Kanton übernommen und an das Naturama delegiert. Nun macht auch Muri mit. «Es geht darum, die Biodiversität im Siedlungsraum zu fördern», sagt der zuständige Gemeinderat Beat Küng. Tun will dies der Gemeinderat «mit Zuckerbrot, statt mit der Peitsche». «Natürlich, wir achten bei Baubewilligungsverfahren darauf, dass keine Neophyten gepflanzt werden. Aber wir haben keine rechtliche Grundlage, um beispielsweise Steingärten zu verbieten.» Darum will der Gemeinderat nicht mit Verboten arbeiten, sondern eben mit Belohnung. «Es soll Freude machen, den eigenen Garten naturnaher zu gestalten», sagt Küng.
Am nächsten Freitag wird das Projekt auf dem Friedhofareal offiziell eröffnet. Hier, wo der Werkdienst die Wiese nicht mehr konventionell nutzt, und hier, wo Totholz vielen Insekten Lebensraum bietet. Hier, wo die Beispiele zum Nachahmen sind.


Weil die Natur überall Platz braucht

«Natur findet Stadt» will die Biodiversität im Siedlungsraum fördern – die Gemeinde geht voran

Alle können mitmachen. Das ist der grosse Vorteil von «Natur findet Stadt». Ob Privatpersonen, Gewerbetreibende oder die Gemeinde – etwas für mehr Biodiversität kann jeder tun. Dafür soll die Bevölkerung nun sensibilisiert werden. Interessierten wird gezeigt, welche Möglichkeiten ihr Garten bietet.

Annemarie Keusch

Sie heissen Kuckuckslichtnelken oder Bocksbart. Und sie zaubern Gemeinderat Beat Küng, Brigitte Bänninger vom Naturama und Birgit Staufer vom Naturschutzverein Muri und Umgebung (Namu) ein Lächeln auf die Lippen. Immer wieder zeigt Bänninger mit dem Finger in die Wiese neben dem Friedhof. «Diese Pflanzen gibt es in konventionell genutzten Wiesen kaum mehr.» Jahrelang wurde auch diese Wiese konventionell genutzt, geschnitten, sobald die Gräser hoch genug waren. Damit ist nun Schluss. Die Werkhof-Mitarbeitenden haben umgestellt, entsprechende Einsaaten gemacht und gehen mit der Wiese nun anders um. «Es ist nicht mehr ein Bewirtschaften, es ist ein Pf legen», sagt der zuständige Gemeinderat Beat Küng. Mehr Aufwand bedeute dies nicht.

Auf mehr Biodiversität zu setzen, sei ein langer Prozess, sagt Brigitte Bänninger vom Naturama. Ein Prozess, auf dem sie schon diverse Gemeinden begleitete. «Die Natur und die Menschen brauchen Zeit», sagt sie. Die Natur, um sich von der konventionellen Nutzung zu erholen. Die Menschen, um umzudenken. Und um sich das Wissen anzueignen, das es braucht, um mehr Biodiversität zu erreichen. «Man muss wissen, was an welchem Ort angesät werden muss», nennt Bänninger ein Beispiel.

Bei der Überbauung Verdin entsteht eine Blumenwiese

Auf diesen Prozessweg hat sich die Gemeinde Muri gemacht. Etwa mit der Wiese neben dem Friedhof, aber auch mit dem Park der Überbauung Verdin. Braun und wenig einladend kommt er aktuell daher. «Klar, hätten wir einen Rollrasen ausgelegt, wäre alles von Anfang an grün, aber eben nicht biodivers», erklärt Gemeinderat Beat Küng. Der Gemeinderat hat sich auch aufgrund einer Idee aus dem Zukunftskafi anders entschieden und Blumenwiese angesät. «Wir wollen auch öffentliche Plätze biodivers aufwerten», sagt Küng. Auch wenn der Park den ersten Sommer über braun bleiben wird, erstrahlt er nachher in vielen bunten Farben. «Plus haben wir als Ersatz für die Kreisellinde eine Linde gepflanzt», sagt Küng.

Apropos Kreisel, auch dieser werde naturnaher gestaltet, sobald die Realisierung aus rechtlichen Gründen möglich sein wird. «Wir wollen als Gemeinde vorbildlich vorangehen», sagt Küng. Muss die Gemeinde auch, will sie die Kriterien von «Natur findet Stadt» erfüllen.

Immer mehr Plaketten im Dorf

Als Projektleiter in Muri fungiert der Naturschutzverein Muri und Umgebung (Namu) mit Birgit Staufer. Der Verein organisiert den Startanlass vom Freitag, verteilt Flyer, versucht mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen und übernimmt die Betreuung von Interessierten. Im Rahmen des Projekts haben diese nämlich die Möglichkeit, sich von Naturgärtnern beraten zu lassen und damit zu erfahren, welche Möglichkeiten ihr Rasen für eine naturnahe Gestaltung hergibt. «Jeder Garten ist anders. Damit soll den Leuten ein Ansatz gegeben werden, wo und wie sie etwas bewirken können», sagt Birgit Staufer.

Alle, die ihren Garten naturnah umgestalten, erhalten eine entsprechende Plakette und werden angehalten, ihr Projekt ihrem Umfeld zu zeigen. «So soll das immer grössere Kreise ziehen, und möglichst viele Gärten im Dorf sollen mit Plaketten geziert sein», hofft Staufer. Brigitte Bänninger vom Naturama hofft, dass bei möglichst vielen die «Einstiegsdroge» ihre Wirkung hat. Damit meint sie kleine Veränderungen, wie Schnittgut für Igel aufzustapeln anstatt wegzuwerfen. «Viele bekommen Freude daran und gehen den Weg dann immer weiter.»

Das Thema interessiert

Dass das Interesse für die Natur und ihre Vielfalt da ist, davon sind die drei überzeugt. «Unsere Bevölkerungsumfrage brachte dies auch hervor», sagt Gemeinderat Beat Küng. Und auch Birgit Staufer vom Namu kann Erfreuliches berichten. Übers Jahr verteilt besuchen die Mitglieder vier Privatgärten, unabhängig von «Natur findet Stadt». «Beim ersten Anlass war es wirklich bitterkalt und es kamen 24 Leute. Das Thema interessiert.»

Neben dem Aufbahrungsgebäude demonstriert die Gemeinde andere Möglichkeiten, Blumenwiese statt herkömmlicher Rasen. Ein toter Baum, der stehen gelassen wird. «Er bietet vielen Lebewesen wertvollen Raum, ob Käfern oder Flechten», sagt Brigitte Bänninger. Auch ein Insektenhotel bringt viel Leben. «Ein solcher Garten ist viel interessanter als ein perfekt aufgeräumter», findet auch Birgit Staufer. «Man entdeckt immer wieder Neues, neue Tiere, neue Pflanzen.» Und auch Beat Küng ist begeistert. «In solchen Wiesen wächst auch viel, was in der Küche oder für Heilmittel genutzt werden kann.»

Der Startanlass von «Natur findet Stadt» ist am Freitag, 20. Mai, 18 Uhr, auf dem Friedhofareal bei der Pfarrkirche.


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