In der Luft fühlt er sich wohl

  06.05.2022 Sport

Thomas Hügli war vor rund 20 Jahren der beste Handballer aus dem Freiamt. Mit seinen Toren schoss er den TV Muri in die NLB. Der Murianer (der heute in Boswil wohnt) hätte ein ganz Grosser werden können. Doch sein Beruf liess sich nur schlecht mit Spitzensport vereinen. Heutzutage hebt Hügli nur noch beruflich ab, erinnert sich in der Serie «Sporthelden von damals» aber an die Glanzzeiten des TV Muri. --spr


«Air Hügli» fliegt immer noch

Serie «Sporthelden von damals»: Thomas Hügli erlebte Glanzzeiten beim TV Muri – und hebt auch heute noch ab

Auf und neben dem Handballfeld bewegte sich Thomas Hügli in anderen Sphären. Als Militärpilot ist er nach wie vor am Himmel zu sehen. «Sportlich bin ich mittlerweile eher ein Tiefflieger», wie er lachend sagt. Im Gespräch erinnert er sich an die glorreichen Handballzeiten und einen Skandal, der den TV Muri erschütterte.

Stefan Sprenger

«Füdliblutt sind wir durch die Bachmattenhalle gef litzt», erzählt Thomas Hügli mit lautem Lachen. Er sitzt an diesem sonnigen Nachmittag auf der Terrasse vor seinem schmucken Haus in Boswil, wo er seit bald 20 Jahren mit seiner Frau und den beiden Töchtern lebt. Der Murianer erinnert sich an die Aufstiegsspiele zur Nationalliga B in der Saison 2000/01. Zum letzten Heimspiel gegen Fortitudo Gossau kommen 800 Zuschauer in die Bachmattenhalle. Muri siegt und steigt in die NLB auf. «Die Party in der Halle, die rauschende Aufstiegsnacht in der Adler-Bar, dass sind unvergessliche Dinge», so der frühere TV-Muri-Akteur. Mit Handballgrössen wie René Brogle, Roland Merz, Christoph Frey oder Philipp Aebersold wird dieser Triumph geschafft. «Gute Freunde, die miteinander sportliche Erfolge haben» – betitelt er die damalige Zeit.

Auf dem Weg zum Profi gewesen

Und «Air Hügli», wie er genannt wurde, sticht aus dem starken Kollektiv heraus. Der Spielmacher, der es beim Sprungwurf irgendwie schaffte, immer etwas länger in der Luft zu sein als andere Handballer, ist eine prägende Figur in diesen Glanzzeiten des TV Muri. Schon als er 1992 mit dem Handballsport anfängt, wird sein Talent schnell ersichtlich. Mit 16 Jahren wechselt er zum TV Suhr, feiert dort mit den A-Junioren den Schweizer Meistertitel. Hügli ist auf dem Weg zu einer grossen Karriere in der höchsten Schweizer Liga.

Doch er will beruflich durchstarten. Und in seinem Fall lässt sich Spitzensport und Beruf nur schlecht kombinieren. Sein Ziel: Militärpilot. Aufgrund dieser Ausbildung ist er oft weg – auch über eine längere Zeit. Er musste sich entscheiden. Handball oder Fliegen. «Es war ein einfacher Entscheid, denn es war mein grosser Traum, Pilot zu werden». 1999 geht er deshalb zurück zum TV Muri. Dort durfte er seinem Job nachgehen und trotzdem Handball spielen.

Löscheinsätze in Israel oder «Chauffeur» für den Bundesrat

Hügli schafft die anspruchsvolle Ausbildung und wird Militärpilot. Bis heute sind es über 5000 Stunden in der Luft. Heute ist er bei der Luftwaffe in Alpnach stationiert. Er ist Geschwaderkommandant. Das heisst, er ist das Oberhaupt von 30 Berufs- und 20 Milizpiloten. Hügli fliegt in seiner Laufbahn viele Einsätze. Dies reicht vom Personentransport bis hin zu Löscheinsätzen im Ausland. «Ich transportierte Soldaten oder Bundesräte – bis hin zu ranghohen Politikern, beispielsweise am WEF in Davos», erzählt er. In diesem Jahr war er schon im Tessin und in Graubünden im Einsatz, um mit dem Helikopter Löscheinsätze während eines Waldbrandes zu machen. Für solche Einsätze war er auch schon in Portugal oder Israel. Bis 2021 war Hügli auch Rettungshelikopter-Pilot bei der «Alpine Air Ambulance». Rettungseinsätze in den Bergen waren auch oft Bagatellen. Wurde er im Flachland an einen Unfall gerufen, ging es meist um Leben und Tod.

Nach dem Aufstieg 2001 bleibt Hügli im Team des damaligen Trainers Camille Festic. Er fehlte aufgrund seiner Arbeit aber oft. «Die NLB-Saison habe ich gar nicht richtig mitgekriegt», sagt er. Die Murianer steigen nach einer Saison wieder ab.

Hügli bleibt beim TV Muri treu in der 1. Liga. Ist mal mehr und mal weniger dabei. 2009 schaffen es die Klosterdörf ler wieder in die Aufstiegsspiele zur NLB. Ausgerechnet im ersten Aufstiegsspiel reisst sich Hügli das Kreuzband. «Meine Handballzeit war unglaublich schön und ich zähle auch heute noch viele frühere Teamkollegen zu meinen engsten Freunden. Doch damals nach der Knieverletzung und der Rehaphase musste ich mir eingestehen, dass es nicht mehr geht.» Hügli beendet seine Aktivkarriere. Er war noch keine 30 Jahre alt. «Doch der Körper wollte nicht mehr.»

Der Skandal von Baden

Hügli engagiert sich danach als Juniorenverantwortlicher, als Eventmanager des TV Muri, als J&S-Coach – und er ist aktuell ein Teil des OK zum 50-Jahr-Jubiläum des TV Muri. «Die grosse Party steigt am 14. Mai in der Bachmattenhalle», sagt Hügli, der sich sonst als «passiver Beobachter des Handballsports» bezeichnet.

Sein Highlight war der Aufstieg in die NLB 2001. An die Partie zwischen Muri und Gossau erinnert man sich heute noch gerne im Klosterdorf. Doch nur ein Spiel zuvor geschah «mein Lowlight der Karriere», wie er es nennt. Auswärts musste der TV Muri gegen den STV Baden spielen. Im Bericht in dieser Zeitung heisst es damals zur Murianer Niederlage in diesem Aufstiegsspiel: «Topskorer Hügli musste während 60 Minuten harte Attacken über sich ergehen lassen, ohne das ein Übeltäter je auf die Bank geschickt wurde». Muri-Trainer Camille Festic meinte nach dem Spiel: «Das ist ein Skandal, eine Blamage für den Handball.» Während sich nach Schlusspfiff die Baden-Spieler provokativ vor dem Murianer Anhang verneigten, gingen die Freiämter auf die Schiedsrichter los. Der Vorwurf: «Muri wurde bewusst benachteiligt.» Heute sagt Hügli: «Einer der Schiedsrichter war sogar Ehrenmitglied des STV Baden. Ganz ehrlich: So ein Spiel habe ich nie erlebt, noch nirgends gesehen.» Und weil Muri es damals gleich nach Spielschluss verpasst, einen Protest einzulegen, werden diese Vorwürfe auch gar nicht erst vom Verband geprüft. «Dieses Spiel hat uns aber als Team noch mehr zusammengeschweisst. Wenig später sind wir aufgestiegen», so Hügli.

Marathon und Atlantiküberquerung

«Air Hügli» war ein Handball-Ausnahmekönner. Er konnte den Unterschied ausmachen und war körperlich immer topfit. Nach seiner Karriere spielte er Golf oder Tennis. «Heute bin ich eher ein Tiefflieger», sagt er lachend – und erwähnt dabei fast nebenbei, dass er vor wenigen Jahren den Berlin Marathon absolvierte. «Es war eine Schnapsidee, entstanden nach ein paar Bier. Roland Merz, Sven Gwerder und ich haben gewitzelt, dass der Berlin Marathon doch etwas wäre. Ich habe es nicht ernst genommen. Roli Merz hat uns einen Tag später angemeldet. Da wusste ich, dass ich aus der Sache nicht mehr rauskomme.» Sein Ziel war es, den Marathon unter vier Stunden zu bewältigen. Drei Stunden und 58 Minuten hat er gehabt. Ebenfalls eine grosse Sache war die Atlantiküberquerung mit dem Segelboot. Von Gran Canaria nach Antigua benötigte er mit seinem Vater, seinem Götti und dessen Partnerin knapp 21 Tage.

Sportlich ist er heute kaum noch. Ein Knorpelschaden im Knie verhindert grosse Sprünge. «Ich gehe einmal pro Woche biken, mehr geht nicht», sagt er. Zuletzt hatte er 2016 an einem Dinosaurier-Turnier in Wohlen Harz und Handball an den Fingern. «Danach hatte ich zwei Monate eine Achillessehnenentzündung.» «Air Hügli» fliegt immer noch –allerdings nur noch als Pilot.


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